Zeitmessung: Klimawandel beeinflusst Erdrotation und die Länge des Tages

Der Klimawandel macht die Tage länger, und zwar so viel, dass es bereits messbar ist. Das kann langfristig Auswirkungen auf Anwendungen haben, die auf eine genaue Zeitmessung angewiesen sind, etwa das Finanzwesen, das Internet oder GPS.
Grund für die Verlängerung der Tage ist das Abschmelzen der Eismassen in der Antarktis und auf Grönland. Dadurch gelangt mehr Wasser in die Weltmeere und verteilt sich dort.
Es fließt dabei von den Polen, also den hohen Breiten, in niedrigere, in Richtung des Äquators. "Das heißt, es findet eine Massenverlagerung statt, und diese wirkt sich auf die Erdrotation aus" , sagte Benedikt Soja(öffnet im neuen Fenster) , Professor für Weltraumgeodäsie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.
Die Erde dreht sich langsamer
Im Ergebnis verlangsamt sich die Rotation, und damit werden die Tage länger. Im Prinzip ist das normal: Der Mond beeinflusst mit seiner Schwerkraft Erde, vor allem die Ozeane - und damit auch die Länge der Erdtage. Diese sind die gesamte Erdgeschichte stets länger geworden.
Was sich jedoch durch den Klimawandel geändert hat, ist die Geschwindigkeit der Veränderung in der Tageslänge: Beobachtungen und Computerrekonstruktionen von Massenverlagerungen haben ergeben, dass die Verlangsamung im 20. Jahrhundert zwischen 0,3 Millisekunden pro Jahrhundert (1960 bis 1980) und 1,0 Millisekunden pro Jahrhundert (1920 bis 1940) geschwankt habe, schreibt das Team der ETH Zürich in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)(öffnet im neuen Fenster) .
Seit dem Jahr 2000 habe sich aber das Abschmelzen der Eismassen beschleunigt. Damit sei auch die Änderungsrate gestiegen, auf 1,3 Millisekunden pro Jahrhundert. Das Team geht davon aus, dass diese Entwicklung sich fortsetzen wird. "Bei hohen Emissionsszenarien" könnte sie "eine doppelt so hohe Rate wie heute erreichen und damit die Auswirkungen der lunaren Gezeitenreibung übertreffen." , heißt es in der PNAS-Studie. "Diese Ergebnisse verdeutlichen die beispiellosen Auswirkungen des Klimawandels auf den Planeten Erde" .
Das werde sich auf die präzise Zeitmessung und auf die Raumfahrt auswirken: Unsere Zeitmessung basiert auf extrem genauen Atomuhren. Die Rechenzentren, die das Internet, die Kommunikation und die Finanztransaktionen steuerten, beruhten auf präzisen Zeitangaben, sagte Soja der britischen Tageszeitung The Guardian(öffnet im neuen Fenster) . Schwankungen und Veränderungen müssten dabei berücksichtigt werden, sonst könnte es zu Störungen kommen.
Gravierend könnten die Auswirkungen auf die Raumfahrt sein: "Auch wenn sich die Erdrotation nur langsam ändert, muss man diesen Effekt bei der Navigation im Weltraum berücksichtigen, beispielsweise wenn eine Raumsonde auf einem anderen Planeten landen will" , sagte Soja. Eine Abweichung von einem Zentimeter auf der Erde kann sich über die Distanzen stark vergrößern "Die Landung in einem bestimmten Krater auf dem Mars würde dann nicht klappen."
"Wir Menschen haben einen größeren Einfluss auf unsere Erde als wir denken" , resümierte Soja, "und daraus resultiert natürlich auch eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten."



