Wooga: Die Kunst, ein Spiel zu killen

Manche Computerspiele werden zu Millionenerfolgen, manche nicht. Woran Entwickler merken, dass ihr Projekt keine Marktchancen hat, und was sie daraus lernen können, erklärt Adam Telfer von Wooga im Gespräch mit Golem.de.

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Adam Telfer, Projektleiter bei Wooga
Adam Telfer, Projektleiter bei Wooga (Bild: Wooga)

Nicht aus jeder guten Idee wird ein gutes Computerspiel. Für Entwickler ist es gar nicht so einfach, frühzeitig abzuschätzen, welche Projekte wirklich Aussicht auf Erfolg haben - dabei kann ein frühzeitiger Stopp viele Ressourcen und damit Geld sparen, die besser anderen Titeln zugute kommen. Adam Telfer, der als Product Lead beim Berliner Entwicklerstudio Wooga (u. a. Pearl's Peril, Jelly Splash) arbeitet, hat sich mit dem Thema beschäftigt und auf der GDC Europe 2014 einen Vortrag über The Art of Killing Games gehalten.

Golem.de: Wie merken Sie und Ihr Team, dass es Zeit wird, ein Projekt zu "killen"?

Adam Telfer: Das hängt davon ab, in welcher Phase es sich befindet. Wenn es etwa noch in der frühen Konzeptphase ist, bekommt das Team normalerweise entsprechende Rückmeldungen von der Zielgruppe und Product Leads bei Wooga. Wenn es wenig Begeisterung auslöst, wenn es keine Anzeichen auf Markterfolg gibt, dann wird es gestoppt.

Während der Prototypen-Phase ist ein Anzeichen, dass die Tester das Konzept nicht verstehen, oder dass sie nicht wirklich engagiert bei der Sache sind. Das ist auch ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören.

Bei der dann folgenden eigentlichen Entwicklung überprüfen wir dann regelmäßig unsere Annahmen: Funktionieren die Sachen, die das Spiel einzigartig machen, und die es von anderen unterscheiden sollen, tatsächlich? Oft ist es so, dass die ursprüngliche Grundidee während der Prototypenphase irgendwann auseinanderfällt, oder dass sie nicht annähernd so viel Spaß macht, wie wir gedacht hatten. Bei diesem Punkt stoppen wir die Entwicklung allerdings nicht sofort, sondern setzen uns mit klarem Zeitrahmen das Ziel, die Probleme zu lösen. Irgendwann muss der Projektleiter dann entscheiden: Machen wir weiter mit der Idee, oder versuchen wir etwas Neues?

Golem.de: Wer trifft diese Entscheidung, und gibt es da viele Diskussionen oder gar Streit?

Telfer: Diese Entscheidung muss der Projektleiter treffen. Er hört sich die Meinung des Firmenchefs an, des Studioleiters und des Teams. Der Product Lead muss sich ihre Meinung anhören, aber letztlich muss er den Schlusstrich ziehen oder weitermachen - selbst dann, wenn er damit gegen die Auffassung seines Chefs handelt.

Das ist wichtig, weil es den Teams quasi die Hoheit über ihre Ideen und die Ausführung gibt. Sie hören das Feedback, sie wissen, wo die Probleme liegen. Aber möglicherweise weiß das Team auch, wie sie gelöst werden können. In einigen Fällen lag das Team damit richtig und hat bewiesen, dass die anderen falsch lagen. In anderen Fällen wollte das Team noch einen Versuch starten. In beiden Fällen haben die Beteiligten viel gelernt, und sie kommen mit einer positiven Einstellung aus der Sache - weil sie wissen, dass sie das Bestmögliche versucht haben.

Golem.de: Können Sie Inhalte oder Assets von gestoppten Spielen in anderen Projekte verwenden?

Telfer: Nein, normalerweise nicht. Kleinere Abschnitte des Quellcodes könnte man zwar in anderen Games nutzen, aber eigentlich arbeiten wir an Spielen, die alle sehr für sich stehen. Außerdem entwickelt sich der Mobilebereich so schnell, dass wir lieber flexibel bleiben und nicht auf veraltete Technologien setzen, nur weil wir sie mal entwickelt haben.

Wir haben derzeit Teams, die entweder mit Unity oder mit Cocos2D arbeiten, weil jede Engine ganz bestimmte Vor- und Nachteile für die Entwicklung von Mobile Games hat. Letztlich glaube ich, dass wir wesentlich schneller sind, wenn wir keinen übriggebliebenen Code verwenden. Auch Grafiken und sonstige Designelemente unserer Titel sind so unterschiedlich, dass wir davon nichts woanders gebrauchen können.

Bei meinem eigenen letzten Projekt haben wir mit Unity gearbeitet. Viele Teammitglieder haben sich anderen Projekten innerhalb von Wooga angeschlossen. So konnten wir dafür sorgen, dass das Know-how innerhalb der Firma über die Engine weiter verbreitet wurde.

Golem.de: Haben Sie es nachträglich schon bereut, bestimmte Projekte gestoppt zu haben?

Telfer: Eigentlich nicht. Die Entscheidung ist ja meist auch keine Überraschung für das Team. Wir arbeiten in kleinen Gruppen und beschäftigen uns alle mit dem Design. Jeder sieht die Probleme und jeder weiß, wie das Feedback von der Firma und von Nutzern ist. Oft ist der Projektstopp dann eher eine Erleichterung. Dann können alle entspannen und mit etwas Neuem weitermachen. Auch wenn in den Projekten wirklich viel Leidenschaft und Herzblut steckt: Der Markt ist heutzutage so hart, dass mittelmäßige Mobile und Free-to-Play-Games keine Chance haben.

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