Wissenschaft: Wenn der Quantencomputer spazieren geht
Quantenrechner sind wie edle Rennpferde: enorm schnell, aber gleichzeitig sehr empfindlich. Forscher versuchen deshalb, ihnen ein Gerüst zu verpassen, das sie robuster macht.

Sie versprechen, die kompliziertesten Aufgaben in kürzester Zeit zu lösen - und ganz nebenbei einen großen Teil der Verschlüsselungsverfahren zu knacken. Doch obwohl die Wissenschaft nun seit Jahren den Durchbruch des Quantencomputing verspricht, ist davon in der Informationstechnik nichts zu spüren. Das liegt unter anderem daran, dass sich das Mooresche Gesetz besser hält als selbst von Optimisten erhofft. Silizium-Strukturen werden im Jahresrhythmus kleiner, und das Ende wird immer wieder nach hinten verschoben.
Doch schuld sind auch die Gesetze der Quantenphysik selbst - vor allem die Tatsache, dass sie sich partout nur auf mikroskopisch kleine Maßstäbe beziehen und ihre Erscheinungen höchst instabil sind. Zwar lassen sich an Teilchen dank der Quantenmechanik wundersame Tricks wie die Verschränkung ausführen (dabei ändern beide Partner ihren Zustand parallel, egal, wie weit sie voneinander entfernt sind), doch diese Eigenschaften sind stets von Dekohärenz bedroht - einem nicht vorherzusagenden Zusammenbruch der Wahrscheinlichkeitsverteilung, die die Grundlage des quantenphysikalischen Zustands bildet.
Echte Gegenmittel gibt es nicht - ohne Dekohärenz gäbe es unsere Wirklichkeit nicht, in der sich Gegenstände stets vorhersehbar verhalten, weil sie nicht von einer Wellenfunktion beschrieben werden, sondern von exakt messbaren Größen wie Raum und Zeit. Die Forscher können also nur versuchen, die Kohärenz, also das Vorhandensein von Quanten-Eigenschaften, so lange wie möglich auszudehnen. Ein Weg dorthin besteht darin, das System möglichst gut gegen seine Umwelt abzuschirmen und dabei in die Nähe seines Grundzustandes zu bringen. Doch das mag für die Forschung an Quantencomputern hinreichend sein - einen realen Quantenrechner wird man nicht teuer in der Nähe des Nullpunkts betreiben wollen.
System mit eingebauter Fehlertoleranz
Der interessantere Weg besteht deshalb darin, das komplette System mit eingebauter Fehlertoleranz zu konstruieren. Dabei geht es nicht etwa darum, Operationen mehrfach auszuführen und dann die Ergebnisse zu vergleichen - vielmehr versucht man, physikalische Prozesse zu finden, die nur auf ganz bestimmte Weise ablaufen können.
Ein Kandidat dafür ist das topologische Quantencomputing. Die Topologie, ein Teilgebiet der Mathematik, erforscht, welche Eigenschaften mathematischer Strukturen auch dann noch erhalten bleiben, wenn man die Strukturen selbst einer stetigen Veränderung unterwirft. Stetige Funktionen dürften noch aus der Schulmathematik bekannt sein, anschaulich aus der Tatsache, dass sie keine Sprünge besitzen. In der Topologie sind Abbildungen stetig, bei denen die grundlegende Struktur erhalten bleibt. Aus einer Henkeltasse könnte man durch eine stetige Abbildung einen Donut erzeugen - aus einer Kartoffel nicht. Spannend für Quantencomputer-Konstrukteure ist: Unter einer topologischen Umformung bleibt die Information Loch oder kein Loch erhalten. Allerdings muss man sich dabei nach heutigem Kenntnisstand auf zwei Dimensionen beschränken.
Eine Alternative dazu ist das geometrische Quantencomputing. Im Wissenschaftsmagazin Nature beschreiben chinesische Forscher, wie ihnen die praktische Umsetzung dieses Prinzips gelungen ist. Im Grunde stellt geometrisches Quantencomputing eine Änderung des Blickwinkels dar. Wir betrachten nicht mehr, welchen Zustand ein Teilchen hat, sondern auf welchem Weg in der Raumzeit sich diese Eigenschaften ändern - und interpretieren diese Veränderung als eine Art Wanderung. Je nach Wanderweg ist das Endergebnis ein anderes - und die dadurch vorgenommene Transformation ersetzt die UND-, ODER- und NOT-Gates eines Computers.
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass Sie in einer Ihnen unbekannten Stadt durch die Straßen laufen. Plötzlich gelangen Sie an Ihren Ausgangspunkt zurück, kommen aber aus der entgegengesetzten Richtung. Die Wanderung (die Transformation) hat aus geometrischer Sicht Ihre Vorder- und Ihre Rückseite vertauscht, es hat also im logischen Sinn eine Negation stattgefunden. Im Nature-Paper zeigen die Forscher alle benötigten logischen Operationen, umgesetzt mit Hilfe der Spins von Elektronen in einem Festkörper. Solche Systeme, meinen die Forscher, sollten sich gut miteinander verknüpfen und skalieren lassen - und eventuell öffnen sie auch Wege zum topologischen Quanten-Computing, das als noch stabiler gilt.
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Aber nicht die eine Frage! Bitte unbedingt erst "Hitchhikers Guide To Galaxys" lesen...
Teilt sich mit Schrödingers Katze derzeit die Box, traut sich keiner so recht auf zu...