Wie erreicht man mehr Leistung bei weniger Belastung?
"Allerdings ist ein Lidar weitestgehend blind bei Regen und Nebel", dämpft Regeltechniker Shan allzu große Erwartungen. Auch den Einsatz von noch mehr Sensoren, die den Betriebszustand eines Windrads an all seinen Belastungspunkten vermessen, sieht er skeptisch. Denn für einen effizienten Regelungseinsatz müssen auch die Sensoren 20 bis 25 Jahre zuverlässig durchhalten. Und genau das kann nicht immer garantiert werden.
So rücken noch intelligentere Regel-Algorithmen - möglich durch die stetig steigende Rechenleistung der Regelelektronik - in den Fokus. Mathematische Modelle können prinzipiell das Verhalten der Windkraftanlagen an den neuralgischen Punkten wie Rotorblattwurzel oder Hauptlager einige Sekunden weit vorhersagen.
Die sogenannte Modellbasierte Prädiktive Regelung (Model Predictive Control, MPC) soll ein rechtzeitiges und dadurch sehr schonendes Justieren von Rotorblattwinkel und Generatorstrang ermöglichen. In der Verfahrenstechnik ist MPC seit vielen Jahren etabliert. Nun könnte es bald auch auf die Regelung von Windrädern übertragen werden.
"Die Grundlage für eine MPC-Regelung ist ein umfassendes Modell eines Windrads, quasi ein digitaler Zwilling", sagt János Zierath vom kleinen Windkraftanlagenentwickler W2E Wind to Energy in Rostock. Gemeinsam mit Ingenieuren der RWTH Aachen hat er eine MPC-Regelung erstmals an einer hauseigenen 3-Megawatt-Anlage eingesetzt - ein weltweit einzigartiger Feldtest, dem viele Simulationsstudien und Laborversuche vorausgingen.
Der einwöchige Testlauf hat gezeigt, dass MPC für den Praxiseinsatz taugt, auch wenn für eine komplette Regelung eines Windrads noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Aber der Aufwand könnte sich lohnen. "Denn mit dieser Regelung lassen sich Schwankungen in der Windgeschwindigkeit deutlich besser ausgleichen", sagt Zierath.
"Damit können wir nicht mehr nur reagieren, sondern auch proaktiv agieren", betont Sebastian Dickler vom Aachener Institut für Regelungstechnik. Im Vergleich zu konventionellen Regelungsverfahren locken eine höhere Leistungsausbeute bei geringerem Verschleiß und Materialeinsatz sowie die Möglichkeit, das Windrad zur Stabilisierung des Stromnetzes zu nutzen.
Rechtzeitiges und dadurch sehr schonendes Justieren
Neben der Sekunden-Vorhersage des Windradverhaltens bietet MPC dank komplexer Algorithmen einen weiteren Vorteil. "Damit können wir die beiden Schlüsselkriterien einer Regelung - Leistungsoptimierung und Lastminimierung - miteinander verheiraten", sagt Zierath.
Dafür berechnet das Regelsystem fortlaufend in Sekundenbruchteilen den idealen Kompromiss zwischen Last und Leistung. "Konventionelle Regelungen leisten das nicht und sind auch schon weitestgehend ausgereizt", sagt Dickler. So könne ein Windrad an jedem Arbeitspunkt in Teil- oder Volllast auf das Leistungsoptimum bei gleichzeitig maximal ertragbaren Lasten geregelt werden.
3 bis 4 Prozent mehr Leistung, 10 bis 15 Prozent weniger Extremlasten
"Möglich wären 3 bis 4 Prozent mehr Leistung bei um 10 bis 15 Prozent reduzierten Extremlasten", schätzt Zierath. Er wird für weitere Feldversuche zusammen mit Dickler und Kollegen Simulationen und Modelle auf der Basis der ersten Praxiserfahrungen noch weiter verfeinern. In wenigen Jahren könnten MPC-Systeme, an denen laut Gerüchten auch der dänische Hersteller Vestas arbeitet, Einsatzreife erlangen.
Solche ausgeklügelten elektronischen Steuerungen ließen sich auch um weitere Regelparameter ergänzen. Gearbeitet wird etwa an der Einspeisung von Zustandsdaten des Stromnetzes. So könnte ein Windrad oder ein ganzer Park schnell reagieren und zur Netzstabilisierung beitragen.
Der Bedarf dafür wird mit dem Wegfall rotierender Massen konventioneller Gas- und Kohlekraftwerke zunehmen, die bisher diese Aufgabe übernehmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass täglich oder gar stündlich aktualisierte Strompreise von der Strombörse genutzt werden könnten und in die Windradregelung mit einfließen.
Bei zu geringem Strompreis könnten Windräder gezielt abgeregelt und so für lukrativere Betriebszeiten geschont werden. "Und wenn die Preise hoch sind, kann man sich auch mehr Verschleiß der Anlage leisten", sagt Fraunhofer-Ingenieur Shan, der mit seinem Team an dieser Zukunft arbeitet.
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