Gut und Böse in umgekehrten Rollen

Einerseits also heroisch gezeichnete US-Soldaten, die ihren Teil zur Befreiung Europas vom Faschismus beitragen. Und andererseits eine als privates Unternehmen agierende Söldnertruppe, die wohl massive Kriegsverbrechen während des Irakkriegs begangen hat. Wer in Archangel diesem Muster folgend Gut und Böse verkörpert, wird eigentlich schnell klar. Doch Gibson schafft es, die für Comics übliche Rollenverteilung mehr oder weniger auf den Kopf zu stellen.

Denn dem Unsympathen Junior stehen seine zwei Bodyguards zur Seite, die als große kräftige Weiße mit kurzen Haaren die prototypische Statur und das aalglatte Aussehen des kämpfenden Superhelden haben, der sonst in vielen Comics die Welt rettet. Um das negative Bild auf die Spitze zu treiben, haben die beiden auch keinen Namen.

Aufgehalten werden soll die Truppe von Junior durch einen sehnigen Soldaten der US-Marines, der ebenfalls in der Zeit zurückgeschickt wird und im zerstörten Berlin des Jahres 1945 landet. Der vermeintliche Weltretter ist Latino und von Kopf bis Fuß mit Tattoos übersät, die an typische Markierungen für eine Gangzugehörigkeit erinnern und alles andere als professionell gestochen aussehen.

Unrealistische Charaktere, die Leser lieben

Herausragend sind allerdings die tatsächlich tonangebenden Protagonisten der Geschichte: zwei Frauen. So versucht die in einem Rollstuhl sitzende Major Torres im Jahr 2016, die von Junior wohl für das Jahr 1945 geplanten Ereignisse durch einen recht eigenwilligen Coup zu verhindern.

Im Sommer 1945 bahnt sich die für den britischen Geheimdienst tätige Naomi Givens derweil ihren Weg durch das zerbombte Berlin, um mehr über den tätowierten Marine zu erfahren. Sie nutzt dafür eine ehemalige Affäre als Druckmittel und bekommt Hilfe von dem Deutschen Fritz, der sich durch Schwarzmarktgeschäfte finanziert und ein erstaunlich ambiges Verhältnis zu seiner Zeit in einem Gefängnis der Nazis hat.

Gibson beschreibt diese Darstellung selbst so: "Ich verwende einen bestimmten Typ übertriebener weiblicher Charaktere, die einfach nie getötet werden. Sie mögen zwar nicht realistisch sein, aber ich liebe sie, genauso wie nachweislich viele andere Menschen". Der Autor beschreibt damit genau das, was den Reiz der Geschichte von Archangel ausmacht.

Das Cyberpunk-Genre wäre aber auch nichts ohne die vielen kleinen und großen technischen Hilfsmittel, die in Archangel zwar zuhauf vorkommen, aber, wenn überhaupt, nur sehr ausweichend beschrieben werden. Dies führt schnell dazu, dass die nur rund 20 Seiten wieder und wieder durchsucht werden nach Andeutungen und Erklärungen für die Geräte ebenso wie für die handelnden Personen. Das Warten auf den nächsten Teil der Serie ist dabei geradezu nervenaufreibend.

Archangel erscheint als fünfteilige Miniserie bei dem Verlag IDW Publishing. Der Comic kann zum Beispiel als PDF direkt bei dem Verlag gekauft werden. Amazon bietet Archangel darüber hinaus als E-Book für seine Kindle-Geräte an.

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed
 William Gibsons Archangel: Cyber, Frauen, Zeitreisen - was braucht ein Comic mehr?
  1.  
  2. 1
  3. 2


Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Warnmeldungen
Rund alle 36 Stunden ein Alarm per Cell Broadcast

Zwischenfazit nach 100 Tagen: Bislang wurden bundesweit 77 Alarmmeldungen per Cell Broadcast übertragen.

Warnmeldungen: Rund alle 36 Stunden ein Alarm per Cell Broadcast
Artikel
  1. Vermona: Zufall und Synthesizer
    Vermona
    Zufall und Synthesizer

    Wie aus einem großen DDR-Staatsbetrieb ein erfolgreicher kleiner Hersteller von analogen Synthies wurde.
    Von Martin Wolf

  2. Digitalisierung: Behörde bekommt weniger Beschwerden über Faxwerbung
    Digitalisierung
    Behörde bekommt weniger Beschwerden über Faxwerbung

    Naht allmählich das Ende der Technologie? Die Bundesnetzagentur hat 2022 viel weniger Beschwerden über Fax-Spam bekommen als im Jahr zuvor.

  3. Ceconomy AG: Media Markt plant offenbar Reparaturabo
    Ceconomy AG
    Media Markt plant offenbar Reparaturabo

    Egal wo die Ware gekauft wurde: Bei Media Markt soll man künftig seine Elektronikgeräte reparieren lassen können - mit einem zweistufigem Abo.

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    • Daily Deals • SanDisk Ultra NVMe 1 TB ab 39,99€ • Samsung 980 1 TB 45€ • MindStar: be quiet! Pure Base 500 69€, MSI MPG B550 Gaming Plus 99,90€, Palit RTX 4070 GamingPro 666€, AMD Ryzen 9 7950X3D 699€ • Corsair DDR4-3600 16 GB 39,90€ • KFA2 RTX 3060 Ti 329,99€ • Kingston Fury 2 TB 129,91€ [Werbung]
    •  /