What if? 2: Chaos, Explosionen und der Untergang des Universums

In der Diskussion um die Elektromobilität sagte eine Golem.de-Kollege vor einigen Jahren im Scherz: "Der Verbrennungsmotor hat nur ein Imageproblem" . Den Menschen müsse nur erzählt werden, dass diese mit explodierenden Dinosauriern funktionierten - und die öffentliche Unterstützung dafür würde steigen. Dank des Sachbuchs What if? 2 - Was wäre wenn? von XKCD-Autor Randall Munroe wissen wir nun unter anderem, dass es sich dabei um eine glatte Marketinglüge handeln würde.
Mit dem Werk liefert Munroe den Nachfolger für sein Sachbuchdebüt , das schon im Jahr 2014 erschien. Er gibt mehr als 60 "weitere wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen" und bleibt damit dem bekannten und bei Fans beliebten Erfolgsmodell seines gleichnamigen Blogs What if?(öffnet im neuen Fenster) treu.
Der Blog hat bis auf drei Einträge im Jahr 2022 seit 2018 pausiert, die Häufigkeit der Einträge Munroes hat über die inzwischen zehn Jahre Laufzeit kontinuierlich abgenommen. Das Konzept erfreut sich aber offensichtlich weiter großer Beliebtheit. Das zeigt sich auch an der Fülle und Unterschiedlichkeit der eingereichten Fragen - beantwortet werden wie bisher an den Autor gesendete Fragen. Viele folgen tatsächlich dem Was-wäre-wenn-Muster, wobei Munroe von dieser starren Kategorie auch abweicht.
Antworten bis zur Vernichtung von allem
Das geschieht wohl vor allem dann, wenn ihm selbst die Fragen und vor allem die Antworten darauf interessant genug erscheinen. Das zeigt sich an der Themenauswahl, die sich meist, aber nicht immer mit Physik und verwandten Themengebieten wie Astronomie und Kosmologie beschäftigt - immerhin ist Munroe studierter Physiker.

Oft endet die wissenschaftlich fundierte Antwort in chaotischen Zuständen. Da geht schon mal das Sonnensystem kaputt oder gar noch mehr. Das beginnt schon im ersten Kapitel, in dem Munroe der Frage einer Fünfjährigen nachgeht: "Was würde passieren, wenn man das Sonnensystem bis zum Jupiter mit Suppe füllen würde?" Von "Amelias Suppenvorfall" bis zum "Brutalen Ende der Zeit" braucht es nur knapp 45 Minuten, was Munroe mit einem Zeitstrahl bebildert.
Einige der Fragen, die Munroe behandelt, sind wie die eben erwähnte Einstiegsfrage kindlich naiv und wurden beispielsweise von Eltern oder Lehrern eingereicht. Oft wirkt das Ergebnis wie eine chaotische Persiflage auf Wissenschaftsvermittlung für Kinder - wie die Sendung mit der Maus. Das ist grandios umgesetzt und macht den wirklichen Reiz von What if? 2 aus: der Gegensatz zu vielen anderen humoristischen Sachbüchern.
Dass das Buch aber nicht nur für Familien oder Lehrer gedacht ist, zeigt sich an sehr viel wissenschaftlichem Halbwissen und Nerdkultur, die das Buch aufgreift. Dabei werden auch noch nebenbei unsere eigenen Witze kaputt gemacht .
Wissenschaftsvermittlung nach bekanntem What-if-Rezept
Zu dem Halbwissen naturwissenschaftlich interessierter Menschen gehört oft das eingangs beschriebene Beispiel, dass Erdöl aus der organischen Masse von Dinosauriern stamme. Anhand eines Spielzeugdinosauriers aus Plastik - das ebenfalls größtenteils aus Erdöl gewonnen wird - erklärt Munroe, dass der Plastikdino sehr wahrscheinlich nicht aus echten Dinos bestehe. Denn Erdöl und andere fossile Brennstoffe seien fast immer das Ergebnis der Umwandlungsprozesse von Organismen, die Fotosynthese betreiben.
Spannend für Golem.de-Leser dürfte darüber hinaus auch das Kapitel sein, in dem Munroe der Frage nachgeht, was passieren würde, wenn man ein aktuelles Smartphone mit Vakuumröhren nachbauen würde. Schließlich nutzten die ersten Großcomputer Röhren statt Transistoren. Theoretisch wäre das also möglich. Munroe zeigt aber praktisch, dass hier nicht nur die Größe zum Problem würde, sondern auch die Lichtgeschwindigkeit und insgesamt die Gesetze der Physik.
Letzteres gilt ebenso für einen Schuhkarton voller Plutonium, für die Kühlschränke dieser Welt, die den Klimawandel nicht stoppen können, sondern nur anheizen, für Türme ins Weltall, für Feuerwehrrutschstangen vom Mond zur Erde oder für Hochhäuser mit einer Milliarde Stockwerken. Und erreicht Munroe die Grenzen der Physik, kommt es zum Chaos, Explosionen oder dem Untergang des Universums.
Bekanntes Rezept macht Spaß
Munroe wiederholt für What if? 2 zahlreiche bekannte Gags aus dem ersten Teil und aus seinem Blog. Dies umfasst etwa der Wikipedia-Hinweis [Beleg erforderlich] , auf Englisch [Citation Needed] , den Munroe an Aussagen setzt wie: "Die Sonne ist hell" oder "Das Weltall ist groß" . Hinzu kommen absurde Fußnoten, die nichts zum Inhalt beitragen, sowie natürlich auch die zahlreichen Bilder und Zwischentitel in der gewohnt minimalistischen Strichmännchenoptik.
Ebenso erneut Eingang in das Buch gefunden haben die beiden Rubriken "Kurze Antworten" sowie "Seltsame (und beunruhigende) Fragen" (etwa wie man eine Leiche in Flüssigstickstoff entsorgt). Auch diese Rubriken strotzen nur so von unterhaltsamen Comics, die den Inhalt der Frage oder die Antwort oft hintersinnig kommentieren. Das inzwischen zehn Jahre alte What-if-Format des Autors kommt dabei zwar bekannt vor, wird aber nie langweilig.
Wie schon für den ersten Teil von What if? und die anderen Bücher von Randall Munroe ( Thing Explainer , How To ) gilt unsere Empfehlung für das Buch nicht uneingeschränkt - was nicht nur an dem speziellen Humor des Autors liegt. Wer an Verweisen auf Dungeons & Dragons, Zeitreisen oder noch abwegigeren Gedankenexperimenten keinen Spaß hat, wird diesen wohl auch mit den fundierten Erklärungen nicht haben. Alle anderen können sich nicht nur genau darauf freuen, sondern auch auf das Quellenverzeichnis, das zum Lesen und Recherchieren der Hintergründe zu den einzelnen Antworten einlädt.
Die deutschsprachige Ausgabe ist im Penguin Random House erschienen. Die gebundene Ausgabe(öffnet im neuen Fenster) kostet 18 Euro, das E-Book(öffnet im neuen Fenster) 14,99 Euro. Die erste Auflage enthält außerdem einen exklusiven Stickerbogen. Auf seinem Blog listet Munroe weitere internationale Ausgaben(öffnet im neuen Fenster) und Bezugsquellen auf.



