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Wetter: Warum die Klimakrise so deprimierend ist

Alle reden über Corona , doch die Klimakatastrophe ist eine weit größere Bedrohung. Schon die Veränderungen im eigenen Garten sind gravierend.
/ Friedhelm Greis
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Es ist deprimierend anzusehen, wie stark der alte Birnbaum plötzlich unter der Trockenheit leidet. (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
Es ist deprimierend anzusehen, wie stark der alte Birnbaum plötzlich unter der Trockenheit leidet. Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Wie würden die Schlagzeilen des Jahres 2020 aussehen, wenn es keine Coronapandemie gäbe? Erinnert sich noch jemand an die verheerenden Buschbrände in Australien? Die Rekordtemperaturen in Sibirien, verbunden mit Waldbränden? Derzeit brennen die Wälder wieder in Kalifornien in nie dagewesenem Umfang(öffnet im neuen Fenster) . Der dritte Dürresommer in Folge in vielen Regionen Deutschlands hat aber auch vielen Menschen hierzulande klar gemacht, dass nach dem Ende der Pandemie ein weit größeres Problem ungelöst wartet: die Klimakatastrophe. Ein Problem, das sich vielleicht gar nicht mehr lösen lässt.

Anders als bei der Coronapandemie hat man das Gefühl, sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft, der Klimakrise mehr oder weniger hilflos ausgeliefert zu sein. Woran liegt das?

Corona machte vieles möglich

Die Pandemie hat zumindest gezeigt, dass die Menschheit eine globale Gefahr erkennen und diese mehr oder weniger gemeinsam bekämpfen kann. Auch jeder einzelne konnte und kann dazu beitragen, das Infektionsrisiko für sich selbst zu reduzieren und damit auch die Verbreitung der Krankheit insgesamt einzudämmen. Weltweit werden Wissenschaft und Technik dafür eingesetzt, das Virus zu bekämpfen und die Folgen der Pandemie beherrschbar zu machen.

Wochenlang wird über eine praktisch nutzlose Kontaktverfolgungsapp mit einer Verve diskutiert, die in der Klimadebatte nur dann vorhanden ist, wenn Greta Thunberg über den Atlantik segeln will oder der WDR-Kinderchor die Oma als Umweltsau besingt.

Trotz aller Kritik herrscht in der Coronapandemie der Eindruck vor, dass die Gesellschaft der Bedrohung nicht ohnmächtig ausgeliefert ist. Die Politik erscheint handlungsfähig, wirft für unumstößlich gehaltene Prinzipien in kürzester Zeit über Bord. Warum ist das nicht bei einer Gefahr möglich, die mittel- und langfristig viel gravierender als ein Virus ist?

Die Klimakrise ist zu Hause angekommen

Um die Auswirkungen des Klimawandels zu erfahren, muss man inzwischen nicht mehr das Schmelzen der Eisflächen in der Arktis oder das Verschwinden der Gletscher in den Alpen beobachten. Schon in meinem eigenen Garten in Berlin lässt sich erkennen, wie das Klima sich verändert und die Natur darunter leidet. Viel schneller und stärker, als ich das vor wenigen Jahren noch für möglich gehalten hätte. Die Beobachtungen sind deprimierend, auch wenn es Landwirte und Waldbesitzer natürlich viel existenzieller trifft. Die Ursachen für die Klimakrise machen wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Da mein Garten seit 2015 über eine Wetterstation verfügt , lässt sich die Entwicklung von Temperaturen und Niederschlägen gut verfolgen. Die vernetzte Bewässerungsanlage kann ich inzwischen per App steuern . Dennoch fiel ein im Herbst 2017 gepflanzter Kirschbaum der Hitzewelle des Sommers 2018 zum Opfer. Hohe Temperaturen von fast 39 Grad Celsius und fehlender Regen führten dazu, dass der Baum nach der Rückkehr aus dem Urlaub vertrocknet war. Dabei hatte die Gartensitterin das Bäumchen auf ausdrückliche Bitte sogar regelmäßig gegossen.

100 Jahre alte Bäume gehen ein

Damit dem Nachfolgebaum nicht das gleiche Schicksal ereilt, habe ich die Anlage um ein Ventil erweitert. Damit ließ sich aus dem nächsten Sommerurlaub das neue Bäumchen zusätzlich bewässern. Denn es war ja nicht auszuschließen, dass der Sommer 2019 wieder sehr warm werden würde.

Was leider der Fall war. Während der neue Kirschbaum die Hitze dank Raspberry Pi problemlos überstand, schwächelte der Birnbaum bedenklich. Nicht irgendein Birnbaum, sondern zusammen mit vier weiteren Exemplaren das Überbleibsel einer Birnenplantage, die vor 100 Jahren im Norden Berlins angelegt worden war. Mit ihrem Stammumfang von 1,7 Meter und einer Kronenhöhe von 10 Metern hatten sie bislang noch jedem Sturm getrotzt.

Berlin so warm wie Zagreb

Doch 2019 färbten sich die Blätter schon Ende August dunkelrot und fielen wesentlich früher ab als gewohnt. Im Frühjahr dieses Jahres fiel auf, dass zwei der fünf Bäume deutlich weniger Laub entwickelten. Lag das an der Trockenheit zwischen Mitte März und Ende April? Oder waren es die Nachwirkungen des heißen Vorsommers? 2019 war das wärmste Jahr in Berlin und Brandenburg seit Beginn der Wetteraufzeichnungen(öffnet im neuen Fenster) . Die Durchschnittstemperatur von 11,1 Grad Celsius entsprach dem langjährigen Mittel von Zagreb(öffnet im neuen Fenster) .

Der Grundwasserspiegel in der Gartenanlage ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Leicht zu erkennen ist das an der Grube des Wasseranschlusses. Während früher das Wasser meist einen halben Meter über dem Boden stand, ist die 1,2 Meter tiefe Grube den vergangenen Jahren fast immer komplett trocken gewesen. Selbst der Entwässerungsgraben trocknet nun aus.

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Illusorische Hoffnung auf Dauerregen

"Es müsste sieben Monate lang doppelt so viel regnen wie üblicherweise in einem Jahr, damit wir allein den Rückstand der letzten zweieinhalb Jahre aufholen. Das ist völlig illusorisch" , sagte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) vor zwei Wochen(öffnet im neuen Fenster) .

Die beiden Apfelbäume leiden wie viele andere in der Anlage ebenfalls unter der jahrelangen Trockenheit und sind teilweise mit Borkenkäfern befallen. Bald bleibt vom vielen Zurückschneiden der toten Äste nur noch der Stamm übrig. Hat der Klimawandel den alten Bäumen damit in kurzer Zeit den Garaus gemacht? Eine deprimierende Vorstellung, den Stolz des Kleingartens demnächst als totes Baumgerippe fällen zu müssen.

Der Klimawandel ist zu langfristig

Der größte Unterschied zwischen einer Pandemie und dem Klimawandel ist der Faktor Zeit. In einer Pandemie lassen sich mit schnellem Handeln schnelle Ergebnisse erzielen. Die Effektivität von Maßnahmen lässt sich anhand der Infektionszahlen unmittelbar ablesen. Die Bürger akzeptieren eher Einschränkungen, wenn sie deren Erfolg nachvollziehen können und der Sinn verständlich ist. Das Länderranking der Coronazahlen(öffnet im neuen Fenster) ist wie ein umgekehrter Medaillenspiegel der Olympischen Spiele.

Das alles fällt beim Klimawandel völlig weg. Niemand weiß, ob der individuelle Verzicht auf den nächsten Urlaubsflug oder die nächste Autofahrt irgendwann eine positive Auswirkung auf den weltweiten Temperaturanstieg haben wird. "Selbst wir heute die Emission von Treibhausgasen stoppten, ginge die globale Erwärmung wenigstens für einige Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte weiter" , schreibt die US-Weltraumbehörde Nasa(öffnet im neuen Fenster) .

Emissionen steigen weiter an

Was bringt der radikalste Verzicht, wenn der Nachbar sich beim nächsten Mal noch einen größeren SUV kauft? Oder im eigenen Land neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen(öffnet im neuen Fenster) ? Anders als beim Coronavirus kann sich kein Einzelner vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen. Wenn es nicht sterbende Bäume sind, können es Wetterextreme wie Dürren, Überschwemmungen, steigende Meeresspiegel, Hitzewellen, Heuschreckenplagen oder das Artensterben sein.

Noch deprimierender als die eigene Ohnmacht ist die Erkenntnis, dass auch von Seiten der Politik keine Lösung des Problems zu erwarten ist. Seit Jahrzehnten wird über eine globale Senkung der Kohlendioxid-Emissionen diskutiert, dennoch steigen die Emissionen und damit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre unverändert an(öffnet im neuen Fenster) . Selbst die Coronapandemie hatte nur einen kurzen Einspareffekt (PDF)(öffnet im neuen Fenster) .

Die schon unübersehbaren Folgen des Klimawandels verstärken bereits dessen Effekte. Vielen Deutschen wird während des Corona-Zwangsurlaubs aufgefallen sein, wie stark die heimischen Wälder schon geschädigt sind. Die Wiederaufforstung scheitert häufig schon daran, dass die jungen Bäumchen in den ersten Jahren vertrocknen(öffnet im neuen Fenster) .

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Wissenschaft und Technik am Limit?

Ebenso ernüchternd wirkt die Feststellung, dass erst der Aufschwung von Wissenschaft und Technik die Menschheit in die scheinbar ausweglose Lage gebracht haben. Nicht nur Gewinnstreben und Bequemlichkeit, auch der Glaube an den Fortschritt und der Einsatz für bessere Lebensbedingungen sind eine wichtige Triebfeder für die Industrialisierung gewesen. Sowohl im Kapitalismus als auch im Sozialismus.

Im Moment scheint es jedoch so, dass die Wissenschaft zwar annähernd beschreiben kann, wie die kohlenstoffbasierte Wirtschaft den Planeten aufheizt. Doch die Technik ist nicht in der Lage, dieses von ihr selbst geschaffene Problem zu lösen. Smarte Bewässerungssysteme können im Kleingarten zwar dazu beitragen, die Pflanzen vor dem Vertrocknen zu retten. Das eigentliche Problem wird damit jedoch nicht einmal tangiert.

Jede Hiobsbotschaft wird zur Glaubensprobe

Die Technik müsste auf der einen Seite dazu dienen, die bereits unvermeidlichen Folgen des Klimawandels beherrschbar zu machen, auf der anderen Seite sofort und unmittelbar dazu beitragen, das Problem nicht noch zu verschlimmern. Abgesehen davon, dass offen ist, ob Wissenschaft und Technik das überhaupt leisten können, stellt sich die erkenntnistheoretische Frage: Wenn der bisherige Einsatz von Wissenschaft und Technik schon zu unbeabsichtigten und unbeherrschbaren Folgen für die Umwelt geführt hat, wie lässt sich garantieren, dass die Korrekturmaßnahmen nicht ebenso gravierende oder noch schlimmere Folgen zeitigen werden?

Als Negativbeispiel gilt die Förderung von Biosprit, was zur Zerstörung von Urwald und der Verdrängung von Lebensmittelanbau führt(öffnet im neuen Fenster) . Immerhin kann man der Menschheit zugutehalten, dass den ersten Cyanobakterien vermutlich auch nicht so klar war, mit der Photosynthese die Große Sauerstoffkatastrophe(öffnet im neuen Fenster) auszulösen.

Jede Hiobsbotschaft von der Klimafront wird daher zu einer modernen Glaubensprobe: Glaubst du weiter an die Fähigkeit der Politik, Wissenschaft und Technik, die Erderwärmung noch begrenzen zu können? Glaubst du an die Bereitschaft von Individuum und Gesellschaft, die Folgen einer konsequenten Klimapolitik mitzutragen und erforderliche Einschränkungen zu akzeptieren?

Konsumgesellschaft und Klimarettung passen nicht zusammen

Der US-Schriftsteller Jonathan Franzen hat diese Fragen vor einem Jahr in einem viel beachteten Essay(öffnet im neuen Fenster) mit Nein beantwortet. "Nennen Sie mich einen Pessimisten oder nennen Sie mich einen Humanisten, aber ich kann nicht erkennen, dass sich die menschliche Natur demnächst grundlegend ändern wird. Ich kann mir zehntausend Szenarien durch den Kopf gehen lassen, und nicht in einem von diesen erkenne ich, wie das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann." Franzen sagt nicht, dass dieses Ziel nicht theoretisch eingehalten werden könnte. Doch praktisch sei die Menschheit eben nicht dazu in der Lage.

Eine gewisse Bestätigung findet Franzens These in einer radikaleren Analyse. "Die Welt ist nicht mehr, wie sie war. Der Konsument hat sich sein freudloses Paradies mittels eines wahrhaft beispiellosen, in der Geschichte unserer Erde noch niemals da gewesenen Energieverbrauches errichtet." Diese aktuell anmutende Feststellung stammt nicht aus der Gegenwart, sondern bereits aus dem Jahr 1954. In einem mehrteiligen Radio-Feature warnte der Journalist Erich Kuby schon damals vor den unabsehbaren Folgen eines Bevölkerungswachstums verbunden mit einem Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs an Energie.

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Der Konsument als Esel

Seine These: "Das technische Zeitalter lebt aus seiner Dynamik, es kann nie in einen statischen Zustand überführt werden. Der Konsument ist psychologisch wie jener Esel konstruiert, der einem Strohbüschel nachläuft, das einen halben Meter vor seinem Maul an der Deichsel befestigt ist. Er kann sein Leben nur ertragen, wenn für ein pausenloses Programm mit immer neuen Nummern gesorgt ist." Das war noch weit vor dem Privatfernsehen und Netflix.

Die Eisschmelze in der Arktis seit 1984 (WEF)
Die Eisschmelze in der Arktis seit 1984 (WEF) (01:38)

Die Katastrophe im geistigen Sinne sei für den Konsumenten bereits da, wenn die Entwicklung nicht mehr expansiv sein könne. Denn getrieben wird der "hilflose Diktator Konsument" laut Kuby von seinem "Perfektionswahn" . Solche Stationen der Perfektion heißen "Kamera, Film, Bewegungsfilm, Tonfilm, Farbfilm, (...) Papier, Klosettpapier, Luxusklosettpapier, Superluxusklosettpapier, Superluxusklosettpapierrollenhalter, der, wenn man ein Blatt abreißt, die Melodie 'Üb immer Treu und Redlichkeit' spielt" .

Umweltzerstörung wird ausgeblendet

Das klingt angesichts der Klopapierhamstereien vom Frühjahr gerade lustig, doch diese vor mehr als 60 Jahren beschriebenen Denkmuster prägen noch heute die Debatte, beispielsweise über Elektroautos . Der Konsument erwartet von seinem neuen Produkt, dass es im Vergleich zum Vorgängermodell keinen Rückschritt darstellt. Völlig unbeachtet der Frage, ob die größere Reichweite von Verbrennern im Gegensatz zu Elektroautos nicht gerade dazu beiträgt, den Planeten für künftige Generationen unbewohnbar zu machen. Als gäbe es ein Menschenrecht darauf, nonstop mit dem eigenen Fahrzeug in wenigen Stunden durch halb Europa zu fahren und in fünf Minuten den Tank auffüllen zu können.

Ausblenden muss man dabei nicht nur die direkten CO2-Emissionen, sondern auch Berichte, dass wieder einmal ein Öltanker irgendwo an einer Küste zerbrochen ist oder dass Millionen Bohrlöcher für Fracking in den USA nicht sicher verschlossen sind(öffnet im neuen Fenster) , so dass klimaschädliches Methan entweicht. Vom permanenten Abfackeln (öffnet im neuen Fenster) (Flaring) ganz abgesehen.

Aufbruchstimmung nach dem Mauerfall

Kuby schrieb schon 1954: "Die Frage an den Konsumenten, wie es weitergehen soll, spitzt sich infolgedessen nicht von ungefähr auf die Erwartung einer Katastrophe zu. Ein schrankenloser, dummer Optimismus auf der einen Seite - eine panische, ebenso dumme Katastrophenerwartung auf der anderen. Zwischen diesen beiden Extremen pendelt die Lebensstimmung des Konsumenten hin und her." Die Katastrophenerwartung war damals ein Atomkrieg zwischen den Supermächten - die Lebensstimmung vieler Menschen noch in den 1970er und 1980er Jahren.

Im Jahr 1992 nahm ich eher zufällig am sogenannten Umweltgipfel in Rio de Janeiro(öffnet im neuen Fenster) teil. Nach dem Ende des Kalten Krieges herrschte eine Aufbruchstimmung. Nun könnten endlich die wirklichen Probleme bekämpft werden, beispielsweise die Zerstörung des Regenwaldes im Gastgeberland Brasilien. Doch die UN-Klimakonferenzen von 1995(öffnet im neuen Fenster) an gerieten zu einem unwürdigen Gefeilsche über Prozentwerte und Ausnahmeregelungen, wie beispielsweise CO2-Senken(öffnet im neuen Fenster) . Seit Rio sind die jährlichen CO2-Emissionen um die Hälfte gestiegen, obwohl die "nachhaltige Entwicklung" plötzlich zum Modewort avancierte. Selbst die deutsche Forstwirtschaft, auf die der Begriff Nachhaltigkeit(öffnet im neuen Fenster) zurückgeht, steht Dürren und Borkenkäfern inzwischen hilflos gegenüber.

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Wann kommt die Revolution?

Eine preisneutrale Senkung des CO2-Ausstoßes und ein vollständiger Ersatz fossiler Brennstoffe sind noch nicht möglich. Eine radikale Klimapolitik hätte daher unabsehbare politische und soziale Folgen. Schon Kuby warnte 1954 vor schweren sozialen Erschütterungen, "wenn eine Kilowattstunde so viel kostet, wie ein Maurer in einer Stunde verdient" . Seine Prophezeiung: "Eines Tages werden die Völker - hundert Jahre gewöhnt an bequemen Konsum, an Schmerzlosigkeit und Passivität gegen die letzten Konsumenten, die dann die herrschende Oberschicht bilden - Revolution machen."

Bislang hat die Entwicklung der (Förder)-Technik eine solche revolutionäre Verteuerung der Energiepreise verhindert. Kein Wunder, schließlich haben alle, trotz gelegentlicher Ölpreiskrisen und Umweltdesaster ( Amoco Cadiz(öffnet im neuen Fenster) , Deepwater Horizon(öffnet im neuen Fenster) ) gut daran verdient. Dass die Atomenergie den zusätzlichen Energiebedarf nicht würde decken können, hat Kuby damals schon vorhergesehen. Auch ohne Reaktorkatastrophen wie in Tschernobyl oder Fukushima einzubeziehen.

Nur die junge Generation hat die Klimakrise verstanden

Selbst in autokratischen Ländern wie Iran kommt es aber nun zu Protesten(öffnet im neuen Fenster) , wenn an der Benzinpreisschraube gedreht wird. In demokratischen Ländern, wie bereits in Frankreich, entstehen schnell Bewegungen wie die Gelbwesten(öffnet im neuen Fenster) .

Dennoch ist es beschämend zu beobachten, dass vor allem Kinder und Jugendliche eine radikalere Klimapolitik einfordern. Natürlich müssen sie befürchten, viel länger und stärker von den drohenden Klimaveränderungen betroffen zu sein. Doch die ältere Generationen versagt, wenn sie die schon bestehenden Möglichkeiten zum Klimaschutz wie den Bau neuer Stromtrassen, Windräder oder Pumpspeicherkraftwerke aus fadenscheinigen Gründen ablehnt oder blockiert.

Handeln ohne direkten Effekt

Natürlich ist kein demokratisch gewählter Politiker bereit, Millionen Arbeitsplätze zu riskieren, damit sich die Erde vielleicht im 22. Jahrhundert etwas schneller abkühlt. Wenn sich die Erwärmung jedoch beschleunigt und verschiedene Klima-Kipppunkte erreicht werden(öffnet im neuen Fenster) , könnte das Leben auch für die älteren Generationen in Deutschland ungemütlicher werden. Was bleibt zu tun, um nicht deprimiert die Hände in den Schoß zu legen und in "ökologische Trauer" zu verfallen, wie es inzwischen die Psychologen nennen(öffnet im neuen Fenster) ?

"Obwohl die Handlungen eines einzelnen Individuums keinen Effekt auf das Klima haben, heißt das nicht, dass sie bedeutungslos sind" , schreibt Franzen. Er schlägt vor, die Welt auf die unvermeidlichen Veränderungen vorzubereiten und krisenfester zu machen, nicht nur im Großen, auch im Kleinen. "Das Absichern fairer Wahlen ist eine Klimaaktion. Die Bekämpfung extremen Reichtums ist eine Klimaaktion. Das Abschalten der Hassmaschinen in den sozialen Medien ist eine Klimaaktion" , schreibt Franzen.

Was tun?

Wie soll der einzelne Mensch in seinen vielen Rollen als Konsument, Berufstätiger, Bürger oder Elternteil konkret damit umgehen? Nach Ansicht Franzens sollte man deutlich mehr tun als Grün zu wählen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder Flüge zu vermeiden, wenn man die Klimakatastrophe als Fakt akzeptiere.

Als privater Konsument ist es vermutlich noch am einfachsten, sich "klimafreundlicher" zu verhalten und aus dem Perfektionswahn des Konsums auszusteigen. Wenn man es wirklich will. Doch beruflich bleibt vielen Menschen noch gar keine andere Wahl, als klimaschädliche Produkte zu entwickeln, herzustellen, zu verkaufen. Oder weite Strecken mit dem Auto oder Flugzeug zurückzulegen. Selbst als Journalist stellt sich die Frage: Sind Inlands- oder Langstreckenflüge vertretbar, nur um über ein neues Elektroauto zu berichten? Und müsste nicht viel mehr über die Klimakatastrophe berichtet werden? Oder wäre das, wie dieser Artikel, nicht auf die Dauer zu deprimierend?

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Das Ende im Garten

In seinem Roman Candide hat Voltaire den naiven Jüngling Candide(öffnet im neuen Fenster) im 18. Jahrhundert eine Weltreise machen lassen, um den theologischen Optimismus eines Leibniz oder Wolff zu persiflieren. Dabei geriet Candide von einer Katastrophe in die nächste, selbst das verheerende Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 und die Inquisition blieben ihm nicht erspart.

Heutzutage würde es Voltaire wohl reichen, eine junge Greta oder Luisa von einem Klimadesaster zum nächsten zu schicken, von einer erfolglosen Klimakonferenz zur anderen, um sie von ihrem Glauben an "die beste aller Welten" zu heilen. Statt von der Inquisition gefoltert zu werden, müssten sie ständig Interviews geben. Sogar bei der weisen Regentin Angela müssten sie antichambrieren(öffnet im neuen Fenster) .

Voltaires Roman endet mit dem bekannten Zitat: "Allein es gilt, seinen Garten zu bestellen." 250 Jahre später müsste es wohl heißen: "Allein es gilt, seinen Garten zu bewässern."


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