Weltraumsimulation: Ohne Fokus wird Star Citizen nie fertig
Statt wichtiger Funktionen stellt Star Citizen immer wieder nur dasselbe vor: neue sinnlose Schiffe. Das geht nicht mehr lange gut.

"Hereinspaziert, hereinspaziert, hier gibt es die größten, die schnellsten und die neuesten Schiffe im Sektor!" So oder so ähnlich klingt es, wenn die virtuelle Messe International Aerospace Expo 2950 in Star Citizen abgehalten wird. Noch bis zum 2. Dezember 2020 können dort Schiffe und Fahrzeuge angeschaut und gekauft werden. Das Spiel ist oft eine Verkaufsplattform für eine Vision, aber nicht viel mehr. Es muss sich etwas ändern, ansonsten läuft die Kundschaft irgendwann davon.
Ein Rückblick auf die Citizencon 2949 vor einem Jahr zeigt dieses Problem deutlich. Dort wurde etwa der eigentlich bereits spielbare Modus Theatres of War mit großem Tamtam angekündigt. Implementiert ist der aber noch immer nicht. Andere Modi wie der Arena-Shooter Star Marine funktionieren nicht richtig. Grundlegende Systeme wie eine funktionierende Gegner-KI sind bestenfalls oberflächlich vorhanden. Im Gegensatz dazu gibt es mittlerweile mehr als hundert Schiffe zu kaufen - viele davon füllen eine Nische, die im Spiel nicht oder nur rudimentär existiert.
Nur ein Beispiel ist die neue RSI Perseus für 633 Euro, die mit einer hübschen Broschüre und markigen Sprüchen angekündigt wurde. Die wird als Patrouillen- und Blockadeschiff beworben und soll gegen kleinere Hauptkampfschiffe effektiv genutzt werden können. Allerdings gibt es im derzeitigen Star Citizen keine Patrouillenaufgaben für ein so großes Schiff. Auch Blockaden existieren nur auf dem Papier. Warum also ein Produkt entwickeln, für das es im Spiel noch gar keine Verwendung gibt?
Ausbauen statt erweitern
Für das Team um Chris Roberts ist klar, dass es hier natürlich um echtes Geld geht, das für die Entwicklung der Weltraumsimulation weiterverwendet wird. Die versprechen viel - etwa das Rollenspiel in einer virtuellen Schiffscrew mit Kapitänen, Offizieren, Ingenieuren, Köchen, Matrosen und vielen mehr. Entsprechend werden sie noch von einer hoffnungsvollen Fangemeinde gekauft. Oft stehen dabei zunächst Konzepte zum Verkauf, die sich in einer frühen und unfertigen Designphase befinden.
Dass diese Herangehensweise noch funktioniert, zeigt die diesjährige International Aerospace Expo wieder: Mehr als 15 Millionen US-Dollar echtes Geld wurden dadurch generiert. Langfristig gesehen verschwendet das Team aber auch Finanzen. So sind einige ältere Vehikel wie das Starterschiff Consolidated Outland Mustang mittlerweile so alt, dass sie einem kompletten Neudesign unterzogen wurden.
Andere Systeme wie eine funktionierende Gesetzgebung wurden mit der Zeit so aufgebläht, dass sie enorme Ressourcen benötigen. Auch wurden die prozedural generierten Planeten mittlerweile mehrere Male mit einer immer wieder neuen Technik versehen. Es existieren Wettereffekte, Aerodynamik, animierte Fahrwerke, Kälte, Hunger, Durst; aber keine Welt, in der das alles bisher zur Geltung kommen würde.
Das Entwicklerteam muss sich auf wenige, aber dafür wichtige Spielmechaniken konzentrieren. Statt eines möglichst immersiven Gesetzessystems inklusive Strafkolonie wäre es doch beispielsweise sinnvoll, ein neues Sonnensystem zu entwickeln, einfache Missionen wie Frachttransporte, Bergbaueinsätze oder Patrouillenflüge auszubauen und eine funktionierende KI zu entwickeln, die dieses auch bevölkern kann.
Statt ständig neue Schiffe für noch nicht existierende Szenarien zu zeigen, sollte es zunächst Vehikel geben, die das aktuelle Gameplay verbessern. Es muss zunächst ein funktionierender Kern existieren, in dem es etwas zu tun gibt. Bisher besteht Star Citizen eher aus schönen Kulissen ohne Funktion.
Gerade neue Ideen wie der Modus Theatres of War wären für ein Balancing im großen Universum von Star Citizen interessant. Auch könnten darüber neue Spielerschaften erschlossen werden, die Games wie Battlefield und Call of Duty mögen.
Das derzeitige Finanzierungsmodell von Star Citizen trägt zur eigenen Trägheit bei und bedarf Änderungen: Neue Schiffe sind sicher eine wichtige Einnahmequelle für die Entwicklung. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten müssen aber her. Wie wäre es etwa, wenn Fans Geld für funktionierende Features statt nicht funktionierende Schiffe hinterlegen könnten? Wenn für Inhalte statt Fassade bezahlt werden könnte? Das wäre auch eine Motivation für das Team, schneller und effizienter neue spielbare Dinge zu erstellen.
Mit dem derzeitigen Kurs wird Chris Roberts' Vision des perfekten Weltraumspiels aber niemals fertig - und das will niemand, der darin Geld investiert hat.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).
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Bin zwar nicht gemeint, aber passt da dazu. Ich hab vollsten Respekt für die Spieler...
Genial wie abwertend du wirst. Frag mich warum wohl. Aber jetzt Mal im Ernst. Bei 20...
Fortnite als Meilenstein der Videospielgeschichte zu nennen ist, als würde ich behaupten...
Sorry, ich musste gerade lachen... :D Wie heißt es so schön: die schlimmsten Kritiker...