Weltraum: Wie Russlands Krieg die Raumfahrt verändert

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch enorme Auswirkungen auf die Raumfahrt. Manche von ihnen waren absehbar, andere nicht.

Ein Bericht von Patrick Klapetz veröffentlicht am
Russisches Raumschiff an der ISS
Russisches Raumschiff an der ISS (Bild: Roskosmos, NASA)

Seit einem Jahr führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Bereits nach den ersten Kriegstagen zeigte sich, dass der russische Angriffskrieg auch Auswirkungen auf die Raumfahrt hat. Sanktionen traten in Kraft und die europäische Raumfahrtbehörde Esa legte erste Kooperationen auf Eis. Doch auch Russland hat sich aus der internationalen Zusammenarbeit im Weltraum allmählich verabschiedet.

Ein großer Streitpunkt war immer die Internationale Raumstation ISS. Jetzt scheint es zumindest so, dass die Zusammenarbeit dort weiterlaufen wird. Immerhin wird in den nächsten Tagen auch ein Kosmonaut mit dem privaten US-Raumfahrtunternehmen SpaceX und der Crew-6-Mission zur Raumstation aufbrechen.

Russland zieht sich dafür allmählich aus teils seit Jahrzehnten bestehenden Kooperationen zurück. Ein längerfristiges Unterfangen ist die gemeinsame Marsmission mit der Esa, Exomars. Eigentlich sollte die Mission 2022 zum roten Planeten aufbrechen. Mit ihr sollte der erste europäische Rover auf der Marsoberfläche landen. Bisher konnten nur die USA und China solche Fahrzeuge auf dem Mars sicher landen.

Europas Weg zum Mars nicht mehr über Russland

Der Rosalind-Franklin-Rover der Esa soll Bodenproben vom Mars, die der Nasa-Rover Perseverance gesammelt hat, einsammeln und für eine Rückführungsmission vorbereiten. Der Start der Exomars-Mission sollte mit einer russischen Proton-Rakete vom Kosmodrom Baikonur in der kasachischen Steppe erfolgen. Daraus wurde nichts.

Im März 2022 kündigte die Esa die Kooperation mit Roskosmos auf. Das verursachte zusätzliche Kosten in Millionenhöhe. Auf der Esa-Konferenz im November 2022 wurde eine zusätzliche Finanzierung durch die EU-Staaten in Höhe von 360 Millionen Euro gesichert. Dennoch verzögert sich der Start um weitere sechs Jahre und wird nicht vor 2028 erfolgen.

Die ISS und Russland - eine Abhängigkeit?

Die Internationale Raumstation ist das Vorzeigeprojekt für das, was möglich ist, wenn Staaten mit unterschiedlichen Interessen doch an einem Strang ziehen. Seit Jahrzehnten versorgt Roskosmos die ISS mit Transportflügen - mit und ohne Menschen an Bord. Da sich die Station im stetigen freien Fall befindet, muss sie immer wieder in eine höhere Umlaufbahn angehoben werden. Diesen Dienst hat Roskosmos in den letzten Jahren mit seinen angedockten Raumschiffen erfüllt.

Kurz nach Kriegsbeginn provozierte der damalige russische Roskosmos-Direktor Dmitri Rogosin via Twitter: "Wollen Sie unsere Zusammenarbeit auf der ISS zerstören?" Anschließend ging er auf die möglichen Folgen ein: "Wenn Sie die Zusammenarbeit mit uns blockieren, wer wird die ISS vor einem unkontrollierten Deorbit retten?"

Schließlich führte der US-Raumfrachter Cygnus, der seit einigen Monaten an der Station angedockt war, das Bahnkorrekturmanöver durch. Nach einigen Sticheleien beruhigte sich die Lage, Rogosin wurde von seinem Posten enthoben und mittlerweile sind einige Tweets von ihm nicht mehr vorhanden.

Dennoch ist Russland an einem verfrühten Ausstieg aus dem ISS-Programm interessiert, nicht zuletzt, weil es seine eigene Raumstation ROSS (Russian Orbital Service Station) ins All befördern will. Wann? 2028 ist bisher geplant. Immerhin war ein Vorteil der internationalen Zusammenarbeit die Kostenteilung für die ISS, denn eine solche Raumstation ist nicht ganz billig.

Ende der ISS - teurer Ausstieg

Die USA wollen die ISS noch bis zum 30. September 2030 betreiben. Russland werde derzeit bis 2024 an dem Gemeinschaftsprojekt mitarbeiten, habe aber "eine Verlängerung bis 2028 beantragt", erklärte der jetzige Roskosmos-Direktor Juri Borissow laut dem Handelsblatt der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Rund 59 Prozent der bisherigen Versorgungsflüge zur ISS fanden mit russischen Raketen vom Typ Sojus oder Proton statt. Derzeit bringt hauptsächlich SpaceX Astronauten zur ISS. Im April soll auch Boeing mit seinem Starliner-Raumschiff den ersten astronautischen Flug durchführen - im Mai 2022 dockte es ohne Crew an die ISS an. Falls sich Russland komplett aus dem ISS-Geschäft zurückzieht, müssten auch Versorgungsflüge auf die amerikanischen Raumhäfen wie Cape Canaveral und den europäischen Raumhafen in Kourou auf Französisch-Guyana umgelagert werden.

Zumindest würden die astronautischen Flüge zur ISS günstiger werden, denn das US-Unternehmen SpaceX nimmt pro Person circa 55 Millionen US-Dollar statt der rund 86 Millionen US-Dollar, die der Platz an Bord einer russischen Sojus-Rakete kostet. Jedoch wird der Betrieb der ISS für den Westen insgesamt teurer werden, wenn Roskosmos nicht mehr an Bord ist.

Keine Zusammenarbeit am Mond

Ein weiteres internationales Projekt ist das Artemis-Programm, aus dem sich Russland bereits vor dem Krieg ausgeklinkt hat. Die Ambitionen waren Russland zu westlich orientiert.

Neben einer Raumstation in der Mondumlaufbahn, dem Lunar Gateway, geht es auch um die Errichtung einer Mondbasis. Wann der Bau genau erfolgen soll, ist noch unklar. Doch auch hier zieht sich Russland zurück und orientiert sich in Richtung China.

Denn die Chinesen wollen ihre eigene Mondbasis errichten. Ab 2026 sollen die ersten Maßnahmen dafür getroffen werden, in den 2030er Jahren soll sie fertiggestellt sein. Ursprünglich waren astronautische Missionen weniger wichtig, doch das dürfte sich mittlerweile geändert haben - vor allem, weil der Westen in regelmäßigen Abständen Menschen auf die Mondoberfläche schicken will.

Derzeit sieht es danach aus, dass sich Westen und Osten - zumindest im Weltraum - voneinander abspalten. Ein neuer kalter Krieg im kalten Weltraum?

"Es ist eine Tatsache, dass wir uns in einem Wettlauf um den Weltraum befinden. Und es ist wahr, dass wir besser aufpassen sollten, dass sie [China] nicht unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung auf den Mond gelangen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie sagen: Bleibt draußen, wir sind hier, das ist unser Territorium", erklärte NASA-Administrator Bill Nelson der US-amerikanischen Tageszeitung Politico Anfang des Jahres.

Damit ist wohl ein neuer Wettlauf im All bestätigt.

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p-ta 27. Feb 2023 / Themenstart

Viele der Artikel zum Thema Weltraum waren in den letzten Monaten sehr informativ und gut...

p-ta 27. Feb 2023 / Themenstart

Könnten die Vorposter zum unsachlichen Diskutieren bitte auf Twitter wechseln? Diese Art...

carcorpses 25. Feb 2023 / Themenstart

Ich finde es immer wieder interessant wie es Amerika in seiner Geschichte schafft andere...

O111111O 25. Feb 2023 / Themenstart

Eine solche Mission ist erst für die 2030er Jahre geplant. Es steht nicht einmal fest...

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