Wegen Chipmangel: Autoindustrie warnt vor Produktionsstopp

Der Europäische Automobilherstellerverband (ACEA) warnt vor erheblichen Störungen der europäischen Fahrzeugproduktion. Diese könnten folgen, "falls die Unterbrechung der Chiplieferungen von Nexperia nicht umgehend behoben werden kann" , teilte der Verband am 16. Oktober 2025 mit(öffnet im neuen Fenster) .
Der Halbleiterhersteller habe Automobilherstellern und Zulieferern am 10. Oktober 2025 mitgeteilt, dass die Lieferung seiner Chips an die Automobilzulieferer nicht mehr garantiert werden könne.
"Wir befinden uns plötzlich in einer alarmierenden Situation. Wir brauchen wirklich schnelle und pragmatische Lösungen von allen beteiligten Ländern" , sagte ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries.
Krisenstäbe bei den Autoherstellern
Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung(öffnet im neuen Fenster) (FAZ) zufolge haben in Unternehmen wie Volkswagen oder BMW inzwischen Krisenstäbe ihre Arbeit aufgenommen.
Die Vorräte in den eigenen Lagern und bei Zulieferern werden demnach von der Branche auf vier bis sechs Wochen eingeschätzt. Bleibe bis dahin eine Lösung aus, drohe die Umstellung auf Kontingentierung und Priorisierung wie in Zeiten der Coronapandemie, hieß es weiter.
"Die aktuelle Entwicklung ist ein ernstes Signal für die globale Industrie" , sagte Wolfgang Weber, Chef des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie, laut FAZ. Es drohe "Stillstand in großen Teilen der weltweiten Automobilproduktion und bei zahlreichen anderen Industriebranchen" .
Niederländer übernehmen Kontrolle bei Nexperia
Hintergrund sind die Turbulenzen um den Halbleiterhersteller Nexperia . Die niederländische Regierung übernahm Ende September 2025 die Kontrolle bei dem Unternehmen, das dem chinesischen Wingtech-Konzern gehört.
Dem Wirtschaftsministerium zufolge soll die "höchst ungewöhnliche" Entscheidung verhindern, dass die von Nexperia hergestellten Güter, darunter Endprodukte und Halbfertigprodukte, in einer Notsituation nicht verfügbar seien. Der reguläre Produktionsprozess des Unternehmens könne jedoch fortgesetzt werden. Einem Bericht der New York Times zufolge(öffnet im neuen Fenster) übte die US-Regierung zuvor Druck auf die Niederlande aus. Sie drohte damit, Nexperia ebenso wie dem Mutterkonzern Wingtech Handelsbeschränkungen aufzuerlegen.
Nexperia hat seinen Hauptsitz in der niederländischen Stadt Nijmegen. Das Unternehmen hat derzeit 12.500 Mitarbeiter und stellt mit einem Umsatz von 2,36 Milliarden Euro jährlich 110 Milliarden Halbleiterprodukte her. Dazu zählen bipolare Transistoren, Dioden, Mosfets und integrierte Schaltungen (ICs).
Bauteile nicht ohne weiteres zu ersetzen
Nach Angaben des ACEA können europäische Automobilzulieferer ohne diese Bauteile die für die Belieferung der Fahrzeughersteller erforderlichen Teile und Komponenten nicht herstellen, was zu Produktionsausfällen führen könnte. Zwar kaufe die Branche bereits ähnliche Chips von anderen Anbietern auf dem Markt, doch nehme die Zulassung neuer Lieferanten für bestimmte Komponenten und der Aufbau der Produktion mehrere Monate in Anspruch, so der Verband.
Wingtech kritisierte das Vorgehen der niederländischen Regierung scharf. Dieses stelle "einen übermäßigen Eingriff dar, der auf geopolitischer Voreingenommenheit und nicht auf einer faktenbasierten Risikobewertung beruht" . Der Schritt verstoße "schwerwiegend gegen die von der EU konsequent vertretenen Regeln der Marktwirtschaft, des fairen Wettbewerbs und des internationalen Handels" .
Möglicherweise will Wingtech mit dem Lieferstopp Druck auf die niederländische Regierung ausüben. Zwar befindet sich der größte Produktionsstandort von Nexperia in Hamburg, doch dieser ist laut FAZ auf die Zusammenarbeit mit den chinesischen Einheiten angewiesen.
BMW könnte neuen iX3 priorisieren
Sollte sich das Lieferproblem verschärfen, könnte BMW dem Bericht zufolge dem auf der IAA vorgestellten ersten Modell der Neuen Klasse eine Sonderstellung einräumen: Das neue Elektroauto iX3 soll demnach in allen Versionen auf den Markt kommen, während bei älteren und kleineren Modellen bestimmte Ausstattungsvarianten für die Kunden nicht mehr bestellbar wären.
Schon 2021 mussten Käufer wegen des Chipmangels vorübergehend auf Touchscreens in BMW-Neuwagen verzichten . Der damals neue vollelektrische i4 wurde davon jedoch ausgenommen.



