Wayland: Die unerwartet (un)vollendete Desktop-Revolution
Die Displaytechnik Wayland läuft auf Millionen Chromebooks und in Windows 11. Nur der Linux-Desktop ist nach zehn Jahren Wayland immer noch nicht angekommen.

Der Ausspruch "Dieses Jahr ist das Jahr des Linux-Desktops!" wird von der Linux-Community seit Jahrzehnten mal mehr oder weniger ernst kolportiert. In jüngster Zeit wird er vor allem noch als ewiges Meme gepflegt, da sich der darin formulierte Wunsch wohl nie erfüllen wird.
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- Wayland fit für die Zukunft dank Google, Microsoft und Valve
Bei all dem übertriebenen Wunschdenken, das darin steckt: Es ist etwas Wahres dran. Kaum jemand kann sich erklären, dass Googles auf Linux basierende Chromebooks mancherorts die meistverkauften Laptops sind, und selbst Microsofts aktuelles Windows 11 verteilt einen Linux-Kernel und grafische Anwendungen auf dem Desktop potenziell hunderter Millionen Nutzer - aber der Linux-Desktop selbst kommt nicht so schnell voran. Und das, obwohl die Displaytechnik hinter den Anstrengungen von Microsoft und Google, Wayland, von Linux stammt.
Mit Wayland startete der Red-Hat-Angestellte Kristian Høgsberg bereits im Jahr 2008 und mit einigen tausend Zeilen C-Code eine Ablösung für das altehrwürdige X11-Fensterprotokoll. Wayland sollte auf moderne Grafikschnittstellen wie das Kernel-based Modesetting setzen sowie den damals noch neuen Graphics Execution Manager und die veraltete Technik von X11 überwinden. Große Linux-Distributionen wie Fedora und Ubuntu überschlugen sich mit der Ankündigung, auf Wayland wechseln zu wollen. Doch erst vor zehn Jahren, also im Jahr 2012, gab es erste konkrete Pläne, eine stabile Version zu veröffentlichen, die kurz darauf folgte.
Was aus Sicht der Nutzer klassischer Linux-Desktop-Distributionen folgte, ist bis heute zumindest in Teilen eine Persiflage auf das Meme mit dem Jahr der Linux-Desktops. Denn was anfangs als erfolgversprechende Ablöse des veralteten X11 für Begeisterung sorgte, lässt sich je nach Einsatzszenario immer noch nicht richtig auf diesen Linux-Desktops nutzen. Das hat verschiedene Gründe und verwundert um so mehr, da - wie eingangs erwähnt - Google mit Chrome OS und Microsoft mit Windows 11 diesen Ersatz bereits auf hunderten Millionen Geräten bereitstellen.
Mit Streitereien zum Erfolg
Der Erfolg von Wayland auf Windows und ChromeOS wäre wiederum ohne die stete und mühsame Arbeit der Linux-Community mit ihren vielen, auch sich gegenseitig sabotierenden Streitereien - auch wieder eine Meme für sich - nicht möglich gewesen. Die technischen Streitereien begannen schon damit, dass sich die Community nicht einigen konnte, ob Server oder Client in dem Grafik-System für das Zeichnen der Fensterdekoration zuständig sein sollten. Insbesondere die KDE-Community sprach sich für eine serverseitige Variante aus.
Zu Ärger führte auch, dass schon im ersten Jahr der stabilen Entwicklung von Wayland Ubuntu-Distributor Canonical mit Mir einen letztlich gescheiterten eigenen Weg ankündigte. Das brachte nicht nur Wayland-Initiator Høgsberg auf, sondern verursachte einen Shitstorm und die nächste Spaltung der Community. Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth verglich die Kritiker am Ende gar mit der Tea-Party-Bewegung und die Community schimpfte zurück. Zudem kam es in der damals noch größtenteils als Hobbyprojekt betriebenen Wayland-Community selbst zu Streit.
Erschwert wurde die technische Weiterentwicklung von Wayland unter anderem dadurch, dass das schon damals erfolgreiche Android auf eine andere Grafiktechnik setzt. Nur mit kruden Hacks ist die Nutzung von Wayland auf Android-Treibern möglich. Das schränkte zunächst auch die Nutzung der Technik im Embedded-Bereich ein, wo vermehrt auf Android gesetzt wird. Bei Desktop-Nutzern verhinderten die proprietären Linux-Treiber von AMD und Nvidia lange die Wayland-Nutzung. Nvidia setzte gar eine eigene Technik zur Speicherverwaltung ein, was die Entwickler-Community gegen Nvidia aufbrachte.
Dass Wayland trotz dieser Zwistigkeiten, die vor allem wenige Jahre in der Anfangszeit umfassen, heute produktiv genutzt werden kann, gleicht rückblickend einem Wunder. Gelungen ist das durch eine Art Kernkompetenz von Open-Source-Communitys, die es meist schaffen, sich trotz Streits zusammenzuraufen oder sich zumindest auf Lösungen zu einigen, ohne andere dabei gezielt zu blockieren.
So landete Wayland nach und nach doch auf Geräten. Der Smartphone-Hersteller Jolla demonstrierte schon früh, dass sich Wayland mehr oder weniger mit der Standardtechnik der Linux-Desktops nutzen lässt. Die Entwickler der Linux-Desktops besannen sich darauf, wieder gezielt zusammenzuarbeiten. Auch AMD und später, etwas vorsichtiger, sogar Nvidia öffneten sich der Linux-Community in Sachen Treibertechnik und Wayland.
Ein weiterer, nicht unwichtiger Punkt auf dem Weg zum Erfolg von Wayland ist die Beharrlichkeit der Entwickler, die angesichts des Projektbeginns wohl auch als alternativloser Starrsinn beschrieben werden kann. Denn es musste schlicht eine zukunftsfähige Lösung als Ersatz für das veraltete und konzeptionell unsichere X11 gefunden werden. Daran arbeiten alle Beteiligten weiter mit einer beeindruckenden Kontinuität. Jahr für Jahr wuchs der Funktionsumfang. Ein wichtiger Zwischenschritt: Xwayland zur Abwärtskompatibilität.
Doch erst die Verbindung von Wayland mit weiteren Linux-Techniken wie Containern und der steigende Fokus von Google und Microsoft auf Desktop-Nutzer, die mit dem Desktop und Betriebssystem ihrer Wahl entwickeln wollen, verschaffte Wayland den überraschenden Durchbruch. Dabei kamen ihm seine Flexibilität und sein Aufbau als Protokoll zugute.
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Wayland fit für die Zukunft dank Google, Microsoft und Valve |
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Seich geschrieben, kann man löschen.
Kommt wohl immer auf die Kollegen an. In meinem Umfeld kann ich das kaum behaupten...
Hab mittlerweile viele Distros durch (Linux Mint, Ubuntu, Kubuntu, Antergos, PopOS...
Ich hab Wayland auch seit über vier Jahren mit Gnome auf Arch-Linux am laufen und kann...