Wallboxen und Wärmepumpen: Verbände gegen zeitlich unbegrenzte Zwangsregelung

Bei der geplanten Zwangsregelung von Wallboxen und Wärmepumpen liegen die Interessen der verschiedenen Akteure weiterhin auseinander. Während Verbraucherschützer, Autoindustrie und Stromlieferanten vor zu starken Eingriffen in das Netz warnen, kritisieren die Netzbetreiber die hohen Ambitionen der Regierung bei Energie- und Verkehrswende. Der Netzausbau könnte "trotz bestmöglicher Planung" nicht mit dem Boom bei Elektroautos und dem wachsenden Ladebedarf mithalten, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS)(öffnet im neuen Fenster) aus einem Schreiben von mehr als 30 Netzbetreibern an das Bundeswirtschaftsministerium, das auch Golem.de vorliegt.
Hintergrund des Streits ist eine im vergangenen Sommer vom Bundestag beschlossene Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dem geänderten Paragraf 14a des EnWG (öffnet im neuen Fenster) zufolge, der am 1. Januar 2023 in Kraft trat, kann die Bundesnetzagentur Regelungen "über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen" treffen. Es könne "die netzorientierte Steuerung über wirtschaftliche Anreize, über Vereinbarungen zu Netzanschlussleistungen und über die Steuerung einzelner steuerbarer Verbrauchseinrichtungen erfolgen" .
Die Eckpunkte der Regulierungsbehörde gäben den Netzbetreibern künftig die Möglichkeit, große Verbraucher bei einer drohenden Netzüberlastung abzuregeln. Es dürfe jedoch nur so viel gesteuert werden, "wie unbedingt nötig ist, um den Komfort des Kunden so wenig wie möglich einzuschränken" . Kunden seien zur Teilnahme an der netzorientierten Steuerung verpflichtet. Im Gegenzug erhielten sie einen "Anspruch auf sofortigen Netzanschluss" . Außerdem könnte die Bundesnetzagentur beschließen, dass die Kunden im Gegenzug für die netzdienliche Steuerung weniger Netzentgelte zahlen.
Zeitabhängige Tarife statt Zwangsregelung
In einem offenen Brief (PDF)(öffnet im neuen Fenster) an die Bundesnetzagentur kritisieren vier Verbände verschiedene Aspekte der Pläne. Dazu zählen der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der Verband der Automobilindustrie (VdA), der Bundesverband Wärmepumpe und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE). Sie lehnen die Möglichkeit der Netzbetreiber "strikt" ab, Wallboxen oder Wärmepumpen zeitlich unbegrenzt abzuregeln.
Anders als gescheiterte frühere Pläne sieht die neue Regelung zwar vor, dass die Netzbetreiber eine Ladeeinrichtung nicht mehr komplett abschalten können, sondern mindestens 3,7 kW pro Wallbox liefern müssen. Allerdings wurde im Gegenzug das zeitliche Limit für die sogenannte Spitzenglättung gestrichen. Nach Ansicht der Verbände ist eine zeitlich unbegrenzt mögliche Abregelung "nicht zumutbar" . Zur Begründung heißt es: "Haushalte mit E-Autos und Wärmepumpen wären mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert. Eine wichtige Voraussetzung für den Einbau von Wärmepumpen und Wallboxen wäre nicht mehr gegeben."
Statt der "Notfall-Steuerung" empfehlen die Verbände "ein präventives Instrument, insbesondere durch zeitvariable Netzentgelte oder Flexibilitätsentgelte" . Diese hätten den Vorteil, "dass sie zum einen Anreize statt Einschränkungen setzen und zum anderen den Bedarf nach kurativem Steuern deutlich reduzieren, weil einem Engpass in vielen Fällen vorgebeugt werden kann und dieser gar nicht erst entsteht" .
Netzbetreiber kritisieren Autoindustrie
Die Stromnetzbetreiber befürchten hingegen, dass die Energiewende durch den anhaltenden Streit gefährdet wird. Die Unternehmen haben seit Jahren bei der Politik für die Möglichkeit zur Abregelung von Verbrauchern, eine Art Lastmanagement im Verteilnetzbereich , geworben.
Den Erfolg der Lobbyarbeit sehen sie nun gefährdet: Es drohe sich "auf schmerzliche Weise die Debatte, die wir bereits 2021 durchstehen mussten, zu wiederholen. Dies ist jedoch wegen der zwischenzeitlich weiter verlorenen Zeit, noch mehr als damals, der schlechtmöglichste Zustand und Zeitpunkt für alle" , heißt in dem Schreiben an Energiestaatssekretär Patrick Graichen. "Der Erfolg des Osterpakets aus Ihrem Hause steht auf dem Spiel!" Zu den Unterzeichnern zählen große Stromnetzbetreiber wie Eon, EWE und Mitnetz sowie Stadtwerke aus Kommunen wie München, Duisburg und Magdeburg.
Dynamische Tarife kritisiert
In dem Schreiben beklagen sich die Netzbetreiber über das "Ambitionsniveau der Bundesregierung" , das "fast monatlich ehrgeiziger" werde. Allein die Anträge für Ladeparks für Elektromobilität hätten sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Während die Autoindustrie fordere, Engpässe in lokalen Stromnetzen innerhalb von zwölf Monaten zu beseitigen, ließen sie die eigenen Kunden viele Monate auf bestellte Elektroautos warten.
Dynamische Stromtarife bildeten "keine verlässliche Basis in Netzplanung und -steuerung, bringen aber erhebliche Nachteile für Verteilnetzbetreiber und Kunden hinsichtlich der Netzentgeltstabilität mit sich" schreiben die Netzbetreiber und fügen hinzu: "Nur um risikofreie Geschäftsmodelle der Automobiler zu ermöglichen, sollten sie nicht eingeführt werden."
Testprojekte von Stromnetzbetreibern wie Netze BW haben ergeben, dass beim gleichzeitigen Laden von Elektroautos Hausanschlüsse und Netzstränge ohne ein geeignetes Lastmanagement schnell an Grenzen stoßen . Neben technischen Maßnahmen sind nach Ansicht von Netze BW auch neue gesetzliche Regelungen erforderlich, um die Integration von Millionen Elektroautos, Wärmepumpen und Solaranlagen zu ermöglichen. Nach Ansicht des Netzbetreibers verläuft der Hochlauf der E-Mobilität hin zu geplanten 15 Millionen Elektroautos bis 2030 "viel schneller, als wir die Erneuerung des Netzausbaus umsetzen können" .
Fast 30 Firmen, Verbände oder Privatpersonen haben ihre Stellungnahmen zu dem Vorschlag bis Ende Januar abgegeben(öffnet im neuen Fenster) . Eine Anhörung zu dem Thema ist nun für den 16. März 2023 vorgesehen(öffnet im neuen Fenster) . Anschließend wird die Bundesnetzagentur eine finale Regelung veröffentlichen.
Nachtrag vom 27. Februar 2023, 19:30 Uhr
Da uns das Schreiben der Stromnetzbetreiber inzwischen vorliegt, haben wir einige Passagen daraus auf der zweiten Seite des Artikels ergänzt.
Nachtrag vom 27. Februar 2023, 20:47 Uhr
Wir haben im letzten Satz des ersten Absatzes ein "nicht" ergänzt.



