Wahlkampf: Twitter stoppt alle politischen Werbeanzeigen
Twitter-Chef Jack Dorsey sieht eine Gefahr für die Demokratie durch personalisierte politische Anzeigen. Indirekt kritisiert er das Vorgehen von Facebook, das weiter an Werbung mit Falschaussagen verdienen will.

Der Kurznachrichtendienst Twitter will künftig keine politischen Werbeanzeigen mehr auf seiner Plattform veröffentlichen. "Wir haben die Entscheidung getroffen, weltweit alle politischen Anzeigen zu stoppen. Wir glauben, dass man sich politische Botschaften verdienen muss und nicht erkaufen sollte", schrieb Twitter-Chef Jack Dorsey am Mittwoch in einem ausführlichen Thread. Als Grund gab er an, dass die Entscheidung darüber, eine politische Botschaft zu unterstützen, nicht durch Geld kompromittiert werden sollte.
Internetanzeigen seien ein "sehr mächtiges und effizientes Mittel für Werbetreibende", schrieb Dorsey weiter und fügte hinzu: "Diese Macht bringt bedeutende Gefahren für die Politik, wo sie genutzt werden kann, um Stimmen zu beeinflussen, was das Leben von Millionen betrifft." Politische Anzeigen bedeuteten große Herausforderungen für den politischen Diskurs. Dorsey verwies auf die Möglichkeiten durch KI-basierte Optimierung der Botschaften und Micro-Targeting, ungeprüfte irreführende Informationen und sogenannte Deep Fakes.
Seitenhieb auf Facebook
Mit einem Seitenhieb auf den Konkurrenten Facebook sagte Dorsey: "Es ist nicht glaubwürdig für uns, zu sagen: 'Wir arbeiten hart daran, Leute daran zu hindern, unser System durch die Verbreitung irreführender Infos zu manipulieren, aaaaber wenn uns jemand dafür bezahlt, um die Leute zur Wahrnehmung ihrer politischen Anzeigen zu bringen, gut ... dann können sie sagen, was sie wollen!'"
Dorsey spielte damit auf eine Anhörung von Mark Zuckerberg durch den US-Kongress an, in welcher der Facebook-Chef sehr ausweichend auf die Frage geantwortet hatte, ob sein Unternehmen politische Anzeigen mit offensichtlich falschen Aussagen zulassen werde. Zuckerberg hatte darauf verwiesen, dass Facebook gegründet worden sei, um Menschen eine Stimme zu geben und daher für eine freie Meinungsäußerung eintrete. In den vergangenen Wochen unterzeichneten hunderte Facebook-Mitarbeiter einen Brief, um Zuckerberg in dieser Frage umzustimmen.
130.000 politische Anzeigen in Deutschland in sechs Monaten
Nach Ansicht von Dorsey geht es bei dem Thema jedoch nicht um freie Meinungsäußerung: "Es geht um bezahlte Reichweite. Und das Bezahlen, um die Reichweite einer politischen Rede zu vergrößern, hat bedeutende Auswirkungen, die die heutige demokratische Infrastruktur möglicherweise nicht bewältigen kann." Details will Twitter am 15. November 2019 bekanntgeben. Anwenden will das Netzwerk die Regelungen eine Woche später. Dorsey räumte allerdings ein, dass Twitter nur einen kleinen Teil des gesamten Wahlwerbesystems ausmache.
Aus dem aktuellen Transparenzbericht von Facebook geht hervor, dass seit März 2019 in Deutschland knapp 130.000 Anzeigen für Wahlen oder zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen für eine Summe von 6,73 Millionen Euro geschaltet wurden.
In der Debatte um den Missbrauch von Facebook-Daten in Wahlkämpfen hatte es auch in Deutschland Forderungen gegeben, klare Regeln für politische Werbung im Netz aufzustellen. Der CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek sprach sich in einem Interview mit Golem.de aber gegen ein Werbeverbot aus. "Politische Werbung muss am Ende auch in sozialen Netzwerken erlaubt bleiben. Das, was früher die Plakate in den Straßen waren, sind heute die Facebook-Anzeigen", sagte Jarzombek. Wenn man Parteienwerbung auf Social Media verbieten würde, wäre das ein Problem für die Chancengleichheit insbesondere neuer Kandidaten und Parteien, die sich kaum mehr vor einer Wahl bekanntmachen könnten.
Ein Verbot politischer Werbung würde sehr viele Gefahren bergen, weil dafür Kriterien festgelegt werden müssten. "Diese könnten dann so gestaltet werden, dass es dem einen zum Vorteil und dem anderen zum Nachteil gereicht. Daher glaube ich nicht, dass man ein Verbot politischer Werbung realisieren kann oder sollte", sagte Jarzombek.
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