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VWs Elektroautostrategie: Mit Range-Extendern und Rivian-Software in die Zukunft

Mit dem ID.1 macht VW sein Elektroportfolio komplett. Bis 2030 hat der Konzern ehrgeizige Ziele und will technisch führender Massenhersteller werden.
/ Friedhelm Greis
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VW-Markenchef Thomas Schäfer (2.v.r) bei der Präsentation des ID.Every1 in Düsseldorf (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)
VW-Markenchef Thomas Schäfer (2.v.r) bei der Präsentation des ID.Every1 in Düsseldorf Bild: Friedhelm Greis/Golem.de

Völlig recht hat Robert Habeck mit seiner Aussage nicht behalten. "Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie - so fürchte ich - im Markt scheitern" , prophezeite der scheidende Bundeswirtschaftsminister im Jahr 2019 dem damaligen VW-Vorstandschef Herbert Diess. Ganz so schlimm ist es für VW nicht gekommen. Und Anfang 2025 ist der Autohersteller zumindest in der Lage, ein seriennahes Konzept des 20.000-Euro-Autos vorzustellen .

Bei der Präsentation des ID.Every1 in Düsseldorf gab sich VW-Markenchef Thomas Schäfer zwar selbstkritisch, aber auch angriffslustig. "2024 war zweifelsohne eines der herausforderndsten Jahre in der Geschichte von Volkswagen. Es war ein harter Prozess" , sagte der Manager und fügte hinzu: "Wir sind motivierter denn je, um Volkswagen wieder an die Spitze zu bringen. Bis 2030 werden wir Technologieführer unter den Volumenherstellern sein. Wir werden eine globale Marke sein, die auf einem soliden finanziellen Fundament steht."

Sehr geringe Gewinnmarge

Selbst für die Beschäftigten in Deutschland, von denen viele um ihre Jobs bangen, hatte Schäfer eine gute Botschaft. "Wir bleiben die Nummer eins in Europa. Auch im Elektrozeitalter. Und wir werden beweisen, dass deutsche Fabriken noch wettbewerbsfähig Autos bauen können."

Mit der Jahreszahl 2030 gibt sich die Firmenspitze nun fünf Jahre Zeit, die Ziele bei der E-Mobilität voranzutreiben. Neun neue Modelle sollen alleine bis 2027 auf den Markt kommen, darunter der ID.2all und der ID.1. Dabei ist der ID.1 so knapp kalkuliert, das Schwestermarken wie Skoda auf eine eigene Variante verzichten wollen , was VW-Chef Oliver Blume in Düsseldorf bestätigte.

Auf diesem Weg bis 2030 dürfte der vorgestellte Basisstromer zwar nicht die entscheidende, aber doch eine wichtige Rolle spielen. Das zeigte sich auch daran, dass Blume die Präsentation verfolgte und anschließend den Journalisten bereitwillig die Firmenstrategie in Sachen E-Mobilität erläuterte.

Dass der ID.Every1 - unter welchem Namen auch immer - erst 2027 auf den Markt kommt, dürfte weniger am fehlenden Willen als an den mangelnden Fähigkeiten gelegen haben.

ID.1 als hohe Kunst beim Autobau

Schäfer hat mit seiner Einschätzung durchaus recht: "Wenn Sie denken, dass Supersportwagen den Gipfel des Automobilbaus darstellen, dann liegen Sie falsch. Die wahre Meisterschaft gehört denjenigen, die für rund 20.000 Euro ein hochwertiges Auto mit großer Reichweite und modernster Softwarearchitektur entwickeln und bauen können."

Zumindest was die Software betrifft, musste VW in den vergangenen Jahren viel Lehrgeld bezahlen. Stichwort Cariad. Nun wird der ID.1 als erstes Modell im VW-Konzern "eine grundlegend neue, besonders leistungsfähige Software-Architektur nutzen" . Dazu kooperiert VW seit 2024 mit dem US-amerikanischen Elektroauto-Start-up Rivian. Schäfer sagte zu der neuen Software: "Weil wir Volkswagen sind, setzen wir sie nicht zuerst in den teuersten Fahrzeugen ein. Wir liefern von unten nach oben."

Für die Entscheidung, mit dem ID.1 zu starten, dürfte es sicherlich pragmatische Gründe gegeben haben.

ID.1 nur für europäischen Markt

Vermutlich ist die neue Software zum Start des größeren ID.2all im kommenden Jahr noch nicht fertig. Zudem ist es technisch einfacher, mit einem Kleinwagen und nicht mit einem Oberklassemodell zu starten, das beispielsweise über einen Allradantrieb und umfangreiche Assistenzsysteme verfügt. Das aktuelle Topmodell von VW, der ID.7, ist ohnehin noch nicht lange auf dem Markt. Zudem ist die Software nach den Anfangsschwierigkeiten beim ID.3 inzwischen deutlich besser geworden.

Für andere Märkte auf der Welt spielt der ID.1 ohnehin keine Rolle. Der Einstiegsstromer ist zunächst nur für Europa konzipiert. Für Konzernchef Blume sind in den USA und China andere Faktoren wichtig.

Range-Extender als neues Konzept

Im Gespräch mit Journalisten verwies Blume nach der Präsentation darauf, dass sich die Märkte in Europa und den USA nicht wie erwartet entwickelt hätten und man in China nicht wettbewerbsfähig gewesen sei. Blume erhofft sich in den USA einen stärkeren Erfolg durch die Pick-ups der wiederbelebten Marke Scout, obwohl sich der ID.4 im Januar 2025 durchaus gut verkaufte.(öffnet im neuen Fenster)

Die Resonanz auf die Marke Scout sei "fantastisch" und "sensationell" , sagte Blume und fügte hinzu: "Dort haben wir beispielsweise auch mit der reinen Elektromobilität den Range Extender zum ersten Mal getestet." Das zeige, "man kann auch im amerikanischen Markt erfolgreich sein, wenn man die richtigen, zugeschneiderten Produkte hat" .

Die Entscheidung für den Bau eines Pick-ups sei getroffen worden, weil dies das größte Segment auf dem US-Markt sei und weil damit das meiste Geld zu verdienen sei. "Also wir sind total überwältigt von den Vorreservierungen, obwohl das ja noch ein bisschen dauern wird, bis das Auto kommt" , sagte Blume. Das liege unter anderem an der Bekanntheit der Marke Scout, die zu den Vorreitern bei Pick-ups gehört habe.

Range-Extender auch für Europa?

Der VW-Chef zeigte sich nicht abgeneigt, Elektroautos mit Range Extender auch in Europa auf den Markt zu bringen. Solche Fahrzeuge, die über einen zusätzlichen Verbrennermotor verfügen, sind etwas aus der Mode geraten, weil die Reichweiten durch größere Akkus und effizientere Antriebe stark zugenommen haben. Ein früheres Beispiel dafür war der BMW i3, der jedoch nicht mehr produziert wird.

"Ich halte das für Europa auch für eine gute Technologie, weil es die Hürde senkt, in die Elektromobilität einzusteigen" , sagte Blume. Zudem gebe es Kunden die Möglichkeit, auf langen Strecken ein solches Aggregat einzuschalten. "Kleiner Tank, kleines Aggregat, Zweizylinder, Vierzylinder. Ich habe das im Hintergrund laufen, habe aber die Fahreigenschaften eines Elektroautos. Und deswegen ist das für uns durchaus probat" , sagte Blume.

China als schwieriger E-Auto-Markt

Doch das gelte nicht nur für die USA und möglicherweise auch für den europäischen Markt, sondern auch für China. "Das Segment wächst und wächst. Und deshalb setzen wir in China auch auf Range Extender" , sagte Blume. Ende 2024 stellte auch VWs chinesischer Kooperationspartner Xpeng ein Elektroauto mit Range Extender vor(öffnet im neuen Fenster) . BYD und Li Auto sind ebenfalls mit den Verbrennererweiterungen vertreten.

Generell liegt das Problem der elektrischen VWs in China jedoch nicht bei der Reichweite. "Dort hat sich die Wahrnehmung eines Autos in den letzten Jahren massiv verändert. Dass ein Auto nicht mehr als Auto gesehen wird, sondern als ein Mobil, wo man sich unterhalten lassen will, wo man viel In-Car-Intelligence hat" , sagte Blume. Dieser Rückstand solle aufgeholt werden und von 2026 an wieder für mehr Verkäufe sorgen.

Bereits Ende 2024 hatte VW dazu die Studie ID.Code vorgestellt . Außerdem will VW bis zum Jahr 2027 fünf Modelle der Submarke ID.UX in China auf den Markt bringen.

Blume: E-Mobilität überlegene Technologie

In Europa will die EU nun den Herstellern entgegenkommen und die Flottengrenzwerte flexibler handhaben. Blume, der am vergangenen Montag selbst mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel verhandelte, bezeichnete dies als eine "sehr pragmatische Entscheidung" . Als die Grenzwerte vor fünf Jahren beschlossen worden seien, "ist man einfach auch von einem deutlich steileren Hochlauf der Elektromobilität ausgegangen. Jetzt ist ein Realitätscheck gefolgt" .

Doch eine schleichende Abkehr von der E-Mobilität ist laut Blume damit nicht verbunden. "Als Fernziel steht das absolut da, weil die Elektromobilität auch die überlegene Technologie ist. Es dauert nur etwas länger" , sagte der VW-Chef.

Offenlegung: Die Reisekosten nach Düsseldorf und die Übernachtung wurden von VW übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.


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