VW setzt nicht nur auf Kameras

Denn was passiert, wenn ein neuronales Netz einer falschen Objekterkennung nur einen geringen Unsicherheitsgrad zuordnet? Dann würden die Entwickler von einem solchen blinden Fleck nichts erfahren. Solche Unsicherheiten sind am Ende wohl auch ein Grund dafür, dass VW sich im Gegensatz zu Tesla nicht nur auf Kameras verlässt, sondern auch Laserscanner und Radare einsetzen will. Denn solche aktiven Sensoren können die Existenz eines Objektes auch unabhängig von einer Kategorisierung durch ein neuronales Netz wahrnehmen.

Cariad hat in Ingolstadt vorgeführt, wie das Instinct-Konzept im praktischen Testbetrieb funktioniert. Die mit Unsicherheiten behafteten Aufnahmen kamen im Umweg über die Cloud direkt bei den Entwicklern an. Dabei ist es irrelevant, ob das Fahrzeug in Deutschland oder in Kalifornien unterwegs ist. Ebenfalls über die Cloud lässt sich eine neue Software einspielen, um mögliche Verbesserungen zu testen.

Flotte erst im Aufbau

Im Gegensatz zu Tesla, das sich relativ ungeniert bei den von den Kunden generierten Daten bedient, ist die Flotte von Cariad erst im Aufbau. "Bei unserer Pioneering Fleet handelt es sich nicht um eine klassische Entwicklungsflotte. Denn normalerweise kostet ein Entwicklungsfahrzeug mehrere 100.000 Euro, so dass in der Regel nur wenige Entwicklungsfahrzeuge aufgebaut werden können", erläutert Sicklinger.

  • Die Cariad-Entwickler setzen schon auf das Qualcomm-SoC Snapdragon Ride. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • In Ingolstadt befinden sich die Büros von Cariad auf dem neuen IN-Campus. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Im Mai 2022 war auf dem Gelände aber noch nicht viel los. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Entwickler haben bereits erste Testwagen mit der Technik ausgerüstet. Tausende weitere sollen folgen.  (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Ob VW den Zeitplan für Cariad einhalten kann, ist unklar. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Das Projekt Ingenuity soll das autonome Fahren bei Cariad voranbringen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Der Big Loop, die große Schleife, beschreibt die datengetriebene Softwareentwicklung. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Verschiedene Teams kümmern sich um die unterschiedlichen Entwicklungsstufen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Das Team Instinct soll dafür sorgen, dass nur relevante Sensordaten den Entwicklern zurückgespielt werden. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Das betrifft nur solche Daten, die mit den höchsten Unsicherheitsfaktoren behaftet sind. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Je höher die Unsicherheit, desto eher werden die Daten übertragen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Bei der Entwicklung spielen Simulationen eine wichtige Rolle, angefangen von Software in the Loop (SiL) über Hardware in the Loop (HiL) bis zu Vehicle in the Loop (ViL). (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Über Softwareupdates aus der Ferne (Over the Air/OTA) lassen sich Fehler wie ein falscher Kameratreiber direkt korrigieren. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
Die Entwickler haben bereits erste Testwagen mit der Technik ausgerüstet. Tausende weitere sollen folgen. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)

Das System sei mit dem Qualcomm-Rechner und den Sensoren schon sehr seriennah. "Weil wir es aber im 'Huckepack-Stil' kostengünstig in bestehende Serienfahrzeuge einbauen können, können wir eine hohe Zahl an Autos damit ausstatten und Echtzeitdaten schon Jahre vor der Markteinführung der neuen Autos sammeln. Bislang haben wir ein paar Dutzend Testautos, aber bis Mitte nächsten Jahres werden es mehrere Hundert sein. Bei diesen handelt es sich beispielsweise um Dienstwagen aus dem VW-Konzern", sagt der Entwickler.

Ernüchternder McKinsey-Report

Ob die Entwicklungsschritte dem Konzern schnell genug gehen, ist jedoch offen. Ein Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey soll laut Manager-Magazin moniert haben, dass 647 von 738 Hardwarespezifikationen und Funktionsdefinitionen nicht präzise genug formuliert seien. Das entspreche einem Anteil von 88 Prozent. McKinsey machte demnach Vorschläge, wie man die größten Verzögerungen vermeiden könne. "Etwa durch ein bisschen weniger beim autonomen Fahren: Level 3 statt Level 4", schreibt das Magazin.

Das wäre ein weiterer Rückschritt für den Konzern. Schon jetzt hängen die Oberklassemarken beim hochautomatisierten Fahren der Konkurrenz von Mercedes hinterher, obwohl Audi als erster Hersteller einen Staupiloten nach Level 3 angekündigt hatte. Zumal VW zusammen mit Ford mehrere Milliarden Euro in das Startup Argo investiert, das in Hamburg selbstfahrende Elektrobusse entwickeln soll.

Die Softwareentwicklung bei VW und Cariad ist daher weiterhin mit großen Unsicherheiten verbunden. Es wäre wohl ein Traum für das Management, wenn Sicklinger und seine Mitarbeiter für Vorstand und Aufsichtsrat ein vollautomatisches Instinct-System entwickeln könnten.

Nachtrag vom 2. Juni 2022, 10:03 Uhr

Wir haben noch zwei Aussagen von Stefan Sicklinger zur Entwicklung von VW.OS in den Absätzen 6 und 7 auf der ersten Seite nachgetragen.

Nachtrag vom 2. Juni 2022, 11:08 Uhr

Nach Angaben von Cariad arbeiten derzeit 5.000 Mitarbeiter in dem Unternehmen. Wir haben die Zahl im ersten Absatz der zweiten Seite korrigiert.

Offenlegung: Golem.de hat auf Einladung von Cariad an der Präsentation in Ingolstadt teilgenommen. Die Kosten für die Anreise wurden zur Gänze von Cariad übernommen. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben seitens Dritter.

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 Noch wenig los auf dem Campus in Ingolstadt
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m1-ultras 05. Jun 2022

Also ich hatte aus dem Autonomy-Day Vortrag von Tesla, wo sie auch ihren Prozessor...

nomorenoless 03. Jun 2022

Nur all die Programme nutzen nichts ohne Netzwerk.

xSureface 02. Jun 2022

Kommt da auch drauf an wie viele Felder diese Software hat und in wie viele...

xSureface 02. Jun 2022

Es geht ja nicht nur um autonomes Fahren bei Cariad, sondern um ein VW.OS. Letztlich...



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