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VW ID.7 im Praxistest: Auf Schlingerkurs mit dem Elektro-Passat

Wie schlägt sich der VW ID.7 im Fahrsicherheitstraining des ADAC ? Auf dem Testgelände haben wir das E-Auto in ungewöhnlichen Situationen getestet.
/ Friedhelm Greis
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Der ID.7 von VW ist ein komfortables und sparsames Elektroauto. (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
Der ID.7 von VW ist ein komfortables und sparsames Elektroauto. Bild: Martin Wolf/Golem.de

Was passiert, wenn man bei einem Elektroauto während der Fahrt die Parkbremse betätigt? Und wie verhält sich ein elektrischer Hecktriebler in einer engen Kurve? Um solche Fahrsituationen außerhalb des öffentlichen Verkehrs auszuprobieren, haben wir mit einem VW ID.7 ein Fahrsicherheitstraining auf dem ADAC-Gelände im brandenburgischen Linthe absolviert. Dabei hat sich die vollelektrische Limousine gut geschlagen. Ein bisschen zu mäkeln gibt es weiterhin an der Software des Elektro-Passat.

Der im vergangenen Jahr vorgestellte ID.7 ist noch alles andere als ein Verkaufsschlager. Während vom Verbrenner-Pendant, dem Passat, von Januar bis Mai dieses Jahres schon mehr als 20.000 Exemplare in Deutschland neu zugelassen wurden, waren es beim ID.7 nicht einmal 1.500. Dabei erhielt das Elektroauto als erstes Modell überhaupt im aktuellen Testprozedere des ADAC das Urteil "sehr gut" . Mit einer Gesamtnote von 1,5 habe der ID.7 sogar noch besser als die erheblich teureren Modelle Mercedes EQS und BMW iX abgeschnitten.

Wobei der ID.7 auch nicht ganz billig ist. Die Einstiegsversion, der ID.7 Pro, kostet mit einem 77-kWh-Akku nach Abzug des E-Mobilitätsbonus von VW derzeit 50.425 Euro. Unser Testfahrzeug verfügte jedoch über Extras in Höhe von mehr als 13.000 Euro. Der aktuelle Passat, den es nur noch als Kombi gibt, startet bereits bei 40.395 Euro. Allerdings ist der ID.7 selbst in der Basisversion mit 210 kW (286 PS) stärker motorisiert als jede Passat-Version.

VW ID.7 im Praxistest
VW ID.7 im Praxistest (04:20)

Innenraum mit veränderten Bildschirmen

Vom Innenraum her unterscheidet sich der ID.7 nicht nur deutlich vom Passat, sondern auch von den anderen Modellen der ID-Familie. Auffällig ist der Verzicht auf das kleine Fahrerdisplay hinter dem Lenkrad. Stattdessen ist ein schmaler TFT-Bildschirm zwischen den Lüftungsschlitzen im Armaturenbrett integriert. "Neben dem digitalen Tachometer können Warn- und Informationstexte sowie aktive Fahrerassistenzsysteme angezeigt werden" , heißt es im Bordbuch. Die Darstellung ist teilweise jedoch sehr klein, so dass man fast schon raten muss, welches Symbol gerade leuchtet.

Mehr Infos sind hingegen im serienmäßigen Head-up-Display zu sehen. Dessen Anzeigeelemente lassen sich über das linke Bedienfeld am Lenkrad einfach verändern. So lassen sich wahlweise die Fahrassistenzsysteme oder Verbrauchs- und Reichweitenangaben einblenden. Darüber hinaus lässt sich über das Bedienfeld der Fernbereich mit Augmented Reality ein- und ausschalten.

Dagegen ist der Zentralbildschirm mit einer Diagonale von 15 Zoll größer als bei früheren ID-Modellen. Der von uns getestete ID.7 nutzt die ID-Software 4.0. Der neue Tourer wird bereits mit der Version 5.0 ausgeliefert . Wesentliche Neuerung ist dabei die Installation von Apps im Infotainment.

Die Version 4.0 stellt jedoch schon eine deutliche Verbesserung zur früheren VW-Software dar.

Restreichweite in Navigation einstellbar

So ermöglicht sie erstmals eine automatische oder manuelle Vorkonditionierung des Akkus. Das hat bei unserem Test dazu geführt, dass nach Auswahl einer Ladestation als Fahrtziel sehr schnell die maximale Ladeleistung von bis zu 189 kW abgerufen wurde.

Ein großer Fortschritt ist auch die Möglichkeit, die Restreichweite des Fahrzeugs bei der Ankunft an einer Ladestation oder am Fahrtziel einzustellen. Diese Funktion findet sich etwas versteckt im e-Routenplaner unter den Einstellungen für automatische Ladestopps. Die gewünschte Restreichweite lässt sich dabei nicht in Prozent, sondern in 10-km-Schritten eingeben. Dabei lassen sich unterschiedliche Werte für Ladestopps und Fahrtziel eingeben, was recht komfortabel ist.

Generell ist die Routenplanung mit Ladestopps komfortabel geworden und besser als bei den meisten anderen Herstellern, von Mercedes-Benz einmal abgesehen. Beim Test des ID.Buzz im vergangenen November haben uns die fehlenden Einstellmöglichkeiten noch ziemlich genervt .

Realistische Reichweite von etwa 450 km

Natürlich kommt der ID.7 auch deutlich weiter als der ID.Buzz mit derselben Akkukapazität. Das liegt vor allem am wesentlich besseren cw-Wert von 0,23 und der kleineren Stirnfläche. VW gibt für die Pro-Version eine Reichweite von 618 km nach WLTP an. Der Pro S mit einem 86-kWh-Akku soll sogar nach WLTP 709 km weit kommen. Diese Angaben beziehen sich jedoch auf die reichweitengünstigste Ausstattung mit 19-Zoll-Reifen. Unser Testfahrzeug war hingegen mit 20-Zoll-Reifen ausgestattet.

Realistisch ist bei der Pro-Version eine Sommerreichweite von mehr als 400 km. So fuhren wir mit vollem Akku zunächst von Berlin zum 75 km entfernten Fahrsicherheitszentrum Linthe. Dort angekommen zeigte der ID.7 noch eine Restreichweite von 358 km an. Die ADAC-Tester kamen sogar auf eine realistische Reichweite von 485 km, was einem Durchschnittsverbrauch ohne Ladeverluste von knapp 16 kWh pro 100 km entspricht.

Der Verbrauch lag in unserem Test bei 19,8 kWh pro 100 km. Das ist für den ID.7 ein verhältnismäßig hoher Wert, da wir viel auf der Autobahn mit einem Fahrradträger unterwegs waren. Auch das Sicherheitstraining trieb den Verbrauch in die Höhe.

Pkw-Intensivtraining mit dem ID.7

Beim eintägigen Pkw-Intensivtraining(öffnet im neuen Fenster) geht es vor allem darum, das Beherrschen des Fahrzeugs in besonderen Situationen zu testen. Dazu zählen Vollbremsungen, enge Kurvenfahrten, Ausweichmanöver oder das Ausbrechen des Fahrzeugs auf einer Dynamikplatte.

Mit seinem Leergewicht von 2,2 Tonnen ließ sich der ID.7 im Slalom-Parcours sicher lenken und beherrschen. Unerwartet klein ist der Wendekreis mit weniger als elf Metern. Dabei verfügt der ID.7 im Gegensatz zu Oberklasselimousinen wie dem Mercedes-Benz EQE nicht über eine mitlenkende Hinterradachse.

Notbremsung mit der Parktaste

Aufpassen sollte man mit dem ID.7 in engen Kurven. Beim Training in Linthe neigte der Hecktriebler zu starkem Übersteuern bei Erreichen der Grenzgeschwindigkeit. Das veranlasste die ADAC-Trainerin sogar dazu, sich die Reifen des ID.7 genauer anzuschauen.

Unproblematisch waren hingegen die Vollbremsungen auf gerader Strecke oder in der Kurve. Dabei ließ sich der ID.7 gut beherrschen. Das traf auch bei einer Notbremsung über die Parkbremse am Fahrwahlhebel zu. Das könnte in Fällen erforderlich sein, in denen die Fußbremse nicht funktioniert oder der Fahrer in eine medizinische Notsituation gerät. Dann könnte der Beifahrer noch das Fahrzeug zum Stillstand bringen.

Das Verhalten auf glatter Fahrbahn bei den Ausweichübungen hängt vor allem von der Geschwindigkeit, den Reifen und dem Können des Fahrers ab. Der bekannte Ausweichtest, auch Elchtest genannt, wird beim Sicherheitstraining hingegen nicht vorgenommen. Laut ADAC lieferte der ID.7 beim Ausweichtest "eine einwandfreie Leistung ab und ist jederzeit gut beherrschbar" .

Nicht nur bei Antrieb und Software, auch bei den Komfortfunktionen hat VW aufgeholt.

Gute Spracherkennung, die aber nicht alle Funktionen kennt

So lässt sich bei der Klimaanlage in einer Vielzahl von Kombinationen einstellen, ob die Luft auf die Frontscheibe, den Oberkörper oder die Füße geleitet wird. Per Hand lassen sich die Luftdüsen hingegen nicht mehr öffnen und schließen. Jedoch lassen sich die Düsen elektrisch ausrichten und deren Stellung speichern. Was uns ein bisschen gestört hat: Das Gebläse war in der niedrigsten Stufe schon recht stark. Erst tiefer im Menü ließ sich die Gebläsestärke auf ein angenehmes Maß reduzieren.

Mit der Software 4.0 funktioniert die cloudbasierte Spracherkennung erstaunlich gut. Noch besser wäre es, wenn die Sprachassistentin Ida die Anweisungen nicht nur verstehen, sondern auch ausführen könnte. Das klappte für das Einschalten der Massagefunktion beispielsweise nicht. Über das Menü im Infotainmentsystem ist das während der Fahrt jedoch umständlich.

Verkehrszeichenerkennung ziemlich zuverlässig

Die Fahrassistenzsysteme des ID.7 funktionieren generell zuverlässig. Das gilt auch für die seit Anfang Juli 2024 bei neuen Modellen vorgeschriebene Verkehrszeichenerkennung. Der ID.7 kann sogar temporäre Tempolimits erkennen und umsetzen, wenn auch nicht mit völliger Zuverlässigkeit. Bei aktivem Abstandsregeltempomat passt der ID.7 zudem die Geschwindigkeit vorausschauend an und reduziert das Tempo schon vor Erreichen des Verkehrsschildes.

Es ist daher kein Problem, dem System die Übernahme der erkannten Tempolimits zu überlassen. Eine nachträgliche Justierung über das linke Bedienfeld des Lenkrads ist einfach möglich. Vor allem die Tempoänderung in Zehnerschritten ist komfortabel. Die Umstellung von Travel Assist auf Tempomat oder Begrenzer ist über eine separate Taste möglich. Stop-and-Go-Fahren im Stau ist für den ID.7 ebenfalls kein Problem. Allerdings bildet das Auto keine Rettungsgasse auf der Autobahn.

Bei der Überwachung von Müdigkeit und Aufmerksamkeit des Fahrers hinkt VW ebenfalls der Oberklasse-Konkurrenz hinterher. So werden nicht die Augenbewegungen des Fahrers per Infrarotkamera überwacht, sondern "fahrzeuggebundene Bedieneingaben" oder das Fahrverhalten des Fahrers ausgewertet.

Die Überwachung funktioniert laut Bordbuch daher gar nicht oder nur eingeschränkt, wenn der Fahrer durch das Verkehrsgeschehen oder die Bedienung seines Handys stark abgelenkt ist. Andere Systeme warnen jedoch zuverlässig , wenn der Fahrer seinen Blick zulange von der Fahrbahn abwendet und auf das Infotainment oder sein Smartphone schaut.

Gut gefallen hat uns auch die Einparkhilfe. Beim langsamen Vorbeifahren erkennt der ID.7 Parklücken, die sich dann auf dem Bildschirm auswählen lassen. Anschließend manövriert das Auto selbständig sehr exakt in die Lücke. Dabei ist es möglich, den Parkvorgang durch Betätigen der Bremse kurz anzuhalten. Beim Einparken kommt dem fast fünf Meter langen Auto der kleine Wendekreis zugute.

Was gibt es am ID.7 somit noch auszusetzen?

Fazit und Verfügbarkeit

Die Tester des ADAC bemängelten unter anderem, dass VW weiterhin darauf verzichtet, an der Fahrertür vier separate Hebel für die Fensterheber zu installieren. Stattdessen muss über eine kleine berührungsempfindliche Fläche zwischen vorderen und hinteren Fenstern gewechselt werden.

Im ausführlichen Test (PDF)(öffnet im neuen Fenster) bewertete der ADAC die Alltagstauglichkeit nur mit der Note 3,4. Negativ notierten die Tester die geringe Anhängelast von 1.000 kg für Anhänger mit eigener Bremse und bei einer Steigung von bis zu zwölf Prozent. Zudem sei die Limousine mit einer Länge von 4,96 m wenig stadttauglich.

Inzwischen ist der ID.7 sowohl mit größerem Akku als auch in der GTX-Version mit dem großen Akku und Allradantrieb bestellbar. Die GTX-Version verfügt dabei nicht nur über eine etwas höhere Anhängelast von 1.200 kg, sondern auch über eine serienmäßige Progressivlenkung(öffnet im neuen Fenster) , die beim Rangieren und Parken "spürbar" die Lenkarbeit reduzieren soll. Allerdings startet der ID.7 bei einem Basispreis von 63.155 Euro vor Abzug des E-Mobilitätsbonus.

Für viele Käufer dürfte vor allem der Tourer interessant sein. Von den technischen Daten und vom Preis her unterscheidet sich der Kombi kaum von der Limousine und ist ebenfalls mit großem Akku und als GTX bestellbar.

Sinnvolle Extras für 5.000 Euro

Der ID.7 verfügt über eine umfangreiche Serienausstattung. Eine Wärmepumpe zur Verbesserung der Reichweite kostet jedoch zusätzliche 990 Euro. Für denselben Preis gibt es zudem eine anklappbare Anhängevorrichtung mit elektrischer Entriegelung. Das Navigationssystem Discover Pro Max ist nicht mehr serienmäßig enthalten und über das Komfortpaket bestellbar, das 1.800 Euro kostet.

In dem Paket sind zudem eine 3-Zonen-Klimatisierung und eine Telefonschnittstelle mit induktiver Ladefunktion enthalten. Nützliche Funktionen wie den Travel-Assist oder die Einparkhilfe mit Umgebungsansicht enthält das Assistenzpaket IQ.Drive für 1.445 Euro. Diese vier genannten Sonderausstattungen summieren sich auf 5.235 Euro.

Das Interieurpaket mit Massagesitzen kostet rund 4.500 Euro zusätzlich. Es enthält auch ein Soundsystem von Harman Kardon, das für einen guten Klang sorgt. Das Panoramadach mit Smart Glas lässt sich zusätzlich zum Exterieur-Paket Plus bestellen, was dann mit fast 4.600 Euro zu Buche schlägt. Das Paket enthält unter anderem eine adaptive Fahrwerksregelung DCC, eine Progressivlenkung und eine sensorgesteuerte Heckklappe.

Wann schwenken die Kunden um?

Für einen Preis von knapp 56.000 Euro lässt sich daher ein recht gut ausgestatteter ID.7 Pro bestellen. Die zusätzliche Reichweite, die realistisch bei 50 km liegen dürfte, kostet beim ID.7 Pro S zusätzliche 5.000 Euro, verbunden mit einigen Extras.

Mit dem ID.7 hat VW zweifellos sein vollelektrisches Angebot auf ein neues Niveau gehoben. Bis die Käufer mehrheitlich vom gewohnten Verbrenner auf den Elektro-Passat umschwenken, dürfte aber noch eine gewisse Zeit vergehen.


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