Vorratsdatenspeicherung: "Was soll denn die NSA mit einer Liste von IP-Adressen?"
Die Vorratsdatenspeicherung polarisiert bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestag auch die Experten. Einer fordert den Zugriff auf Facebook-Chats - und bezweifelt, dass die NSA überhaupt Interesse an Metadaten und IP-Adressen hat.

Rainer Franosch vom hessischen Justizministerium sieht keine Sicherheitsgefahr in den durch die Vorratsdatenspeicherung vorgehaltenen Daten. Geheimdienste wie die NSA interessierten sich gar nicht für Metadaten, sondern griffen durch Abhörmaßnahmen bei Providern auf Inhaltsdaten zu. Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum geplanten Gesetz sagte er: "Was soll denn die NSA mit einer Liste von IP-Adressen?" Wie dies jedoch mit großangelegten Programmen von NSA und GCHQ zusammenpasst, Metadaten ganzer Länder zu erfassen, ist nicht klar.
Der Anwalt Meinhard Starostik hingegen kritisierte, dass noch immer nicht zweifelsfrei erwiesen wäre, dass die Vorratsdatenspeicherung erforderlich ist. Weil das Bundesverfassungsgericht einer anlasslosen Speicherung nicht generell widersprochen habe, sei eine Vorratsdatenspeicherung unter Umständen gerade noch zulässig. Er verwies auf den Begriff der Überwachungsgesamtrechnung - diese Frage sei vor dem Hintergrund neuer Überwachungsmaßnahmen wie den sieben Millionen beauskunfteten Bestandsdaten neu zu stellen. Die Abgeordneten der Opposition pflichteten ihm bei: Die Vorratsdatenspeicherung sei vor dem Hintergrund der Enthüllungen von Snowden neu zu bewerten.
Mehr Befugnisse: Facebook ist nicht erfasst
Rainer Franosch bemängelte in seinem Statement, dass der bisherige Entwurf nur Zugriff auf Daten von Internet- und Telefonanbietern ermögliche, nicht aber Zugriff auf die Daten von Telemedienanbietern wie Facebook erlaube. Doch auch im Facebook-Chat könnten Kriminelle kommunizieren - die Metadaten würden aber von den Regelungen zur VDS nicht erfasst.
Die Vertreter von BKA, Bundesgerichtshof und hessischem Justizministerium forderten allesamt weitergehende Regelungen als im derzeitigen Entwurf vorgesehen. Ohne IP-Adressen gäbe es bei Vergehen im Zusammenhang mit dem Internet in der Regel gar keine Ermittlungsgrundlage. Wenn überhaupt seien Zufallstreffer möglich. Diese seien aber im unterschiedlichen Speicherverhalten der Provider begründet. Die Zufälligkeit bei den Ermittlungserfolgen stünde jedoch der Rechtssicherheit entgegen.
Europäische Rechtsprechung: Relevant oder nicht?
Strittig war unter den Experten, ob die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt hatte, überhaupt auf das aktuelle Gesetzgebungsverfahren anwendbar sei. Die EU Grundrechte würden die Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten nur binden, wenn diese mit der Gesetzgebung Unionsrecht umsetzen würden, sagte der Wissenschaftler Wollenschläger.
Meinhard Starostik hingegen sieht in dem Urteil des EUGH ein weitgehendes Verbot einer Datenspeicherung. Der EuGH gehe in seiner Argumentation weiter als das Bundesverfassungsgericht. Da mit einer Vorratsdatenspeicherung möglicherweise auch Daten von Bürgern erfasst würden, die in keinerlei Zusammenhang mit Straftaten stünden, müsse eine besonders hohe, verfassungsrechtliche Hürde angelegt werden.
Auch Heike Sandkuhl vom Deutschen Anwaltverein kritisierte den vorliegenden Gesetzentwurf. Die für Berufsgeheimnisträger wie Seelsorger, Anwälte und Journalisten vorgesehenen Ausnahmen seien nicht weit genug gefasst. Denn der Entwurf sehe derzeit vor, dass nur Tatbestände geschützt seien, die ein Zeugnisverweigerungsrecht der jeweiligen Gruppen erlauben würden. Das Vorliegen dieses Tatbestandes sei aber nur zu ermitteln, wenn auch Kommunikationsinhalte bewertet würden.
Der Straftatenkatalog führt zu Diskussionen
Kritik äußerten die geladenen Experten an der Definition des Strafenkatalogs, der einen Abruf von Vorratsdaten erlaube. Die Regelungen seien enger gefasst als im Bereich der Wohnraumüberwachung oder Inhalteüberwachung. Dies sei verfassungsrechtlich unlogisch, da der Zugriff auf Verkehrsdaten eine geringere Eingriffstiefe habe als der Zugriff auf Inhalte der Kommunikation.
Abgeordnete der Regierungskoalition verteidigten das Gebot der Datenspeicherung im Inland, das die EU Kommission in einer Stellungnahme vergangene Woche kritisiert hatte. Diese geplante Klausel würde Daten "unzweifelhaft" besser schützen, als wenn diese im Ausland gespeichert seien.
Eine eher rechtstheoretische Diskussion entspann sich um den Begriff "anlasslos". Anlasslos, so Prof. Wollenschläger von der Universität Augsburg , bedeute nicht grundlos. Er verglich das Verfahren mit der derzeit eingesetzten Schleierfahndung nach Schleppern an der deutschen Grenze mit Österreich. Auch wenn einzelne von der Polizei kontrollierte Bürger keinen konkreten Anlass für eine Überprüfung böten, sei die Prüfung durch den Aufenthalt im Grenzgebiet begründet.
Alle Sachverständigen haben Stellungnahmen eingereicht, die auf der Webseite des Rechtsausschusses einsehbar sind.
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lassen wir mal harte Fakten sprechen: https://plot.ly/~etpinard/330/us-college-majors...
Genau! Und deswegen verschicke ich E-Mails an mehr als einen Empfänger an mich und den...