Vodafone Deutschland: "Unsere Branche liegt auf der Intensivstation"

Der Deutschland-Chef von Vodafone, Philippe Rogge, hat vor einer Überlastung der Mobilfunkbetreiber gewarnt und eine Beteiligung der Onlinekonzerne aus den USA am Netzausbau gefordert. "Unsere Branche liegt auf der Intensivstation" , sagte Rogge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)(öffnet im neuen Fenster) . Der Investitionsdruck und die von der Politik vorgegebenen Ziele für den Ausbau der Netze seien hoch, sagte Rogge.
"Der Wettbewerb ist riesig. Die Mobilfunkpreise fallen seit Jahren. Zeitgleich steigen die Kosten: Für Auktionen wurden Milliarden investiert. Antennen und Energie sind teurer geworden."
Der Ausbau werde allein von den Netzbetreibern gestemmt. Die großen Anbieter von Onlineservices seien für mehr als die Hälfte des gesamten Datenverkehrs verantwortlich und würden damit riesige Gewinne machen. Zum Netzausbau würden sie aber keinen Beitrag leisten. "Eine faire Beteiligung würde Mobilfunk-Deutschland guttun" , erklärte der Manager
Dieser Standpunkt ist umstritten. Ob Meta, Alphabet, Amazon oder Microsoft: Alle großen Content and Application Providers (CAPs) hätten in den vergangenen Jahren stark in eigene Telco-Infrastruktur investiert, sagte Stefan Lechler, Deputy Head der Unit DG Connect bei der Europäischen Kommission, im Mai 2023 . "Sie bilden die größten Seekabelkonsortien, haben Backbones und terrestrische Netze."
Rogge begrüßte das Angebot der Bundesnetzagentur, die Fristen für Funklizenzen kostenlos für viele Jahre zu verlängern. "Es ist gut und wichtig, dass die Bundesnetzagentur einen Weg anstrebt, bei dem wir alle stärker in neue Mobilfunkmasten investieren können, statt in regelmäßigen Abständen Milliarden für Lizenzscheine auszugeben" , sagte Rogge.
Doch kostenlose Lizenzen sind ihm nicht genug. Eine Verlängerung müsse mit "mit realistisch erreichbaren Zielen und fairen Spielregeln für alle Wettbewerber" einhergehen. "Gelingt das, könnte es künftig weniger nervige Funklöcher und Gesprächsabbrüche geben" , meinte Rogge.
Rogge: Dann machen wir eine Rolle rückwärts
Konkret warnte der Topmanager vor einer Diensteanbieterverpflichtung , durch die Mobilfunkbetreiber sich für Discounter verpflichtend öffnen müssten. "Dann machen wir eine Rolle rückwärts. Dann müssten die Netzbetreiber, die bei steigenden Kosten sehr viel Geld für neue Masten bezahlen, 5G zu festgeschriebenen Preisen an alle Service-Anbieter abgeben, die keinen Cent in Deutschlands Infrastruktur investieren. Dabei nutzen viele dieser Anbieter schon heute 5G - zu fair verhandelten Konditionen."
Eine Diensteanbieterverpflichtung fordert auch der Beirat der Bundesnetzagentur. Eine solche Verpflichtung bedeute, dass "ich nicht schlechter gestellt werden darf als der eigene Vertrieb des Netzbetreibers. Doch dieses Privileg ist bei der vorletzten Auktion gefallen" , klagte Freenet-Chef Christoph Vilanek bereits im März 2023.
Vodafone verlor in den vergangenen fünf Jahren mehr als ein Drittel seines Börsenwerts. Europas größter aktivistischer Investor, Cevian Capital, setzt Vodafone seit mehreren Monaten unter Druck, Netze in Märkten, die weniger profitabel sind und unter großem Konkurrenzdruck stehen, zu veräußern oder mit Konkurrenten zusammenzulegen.
Im Januar 2023 besaß Vodafone Netze in 21 Ländern und hatte diverse Beteiligungen. In Europa waren dies Netze in Albanien, der Tschechischen Republik, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, den Niederlanden, Nordzypern, Portugal, Rumänien, Spanien, Türkei und Großbritannien (Vereinigtes Königreich).
Beteiligungen und Partnerschaft hält Vodafone in Österreich, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, den Kanalinseln, Kroatien, Zypern, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Montenegro, Nord-Mazedonien, Norwegen, Russland, Serbien, Slowenien, Schweden, Schweiz und in der Ukraine.
Vodafone ist führend in acht englischsprachigen afrikanischen Ländern, darunter Südafrika, Kenia, Ghana, Libyen und Kamerun. Im Mittleren Osten ist Vodafone in Bahrain, Irak, Jordanien, Kuwait, Oman, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten vertreten.



