Videoüberwachung: SPD-Chefin gegen Pläne für automatische Gesichtserkennung
In der Koalition bahnt sich ein Streit über die Videoüberwachung an Bahnhöfen und Flughäfen an. Während Innenminister Seehofer die Gesichtserkennung breit ausrollen will, gibt es Widerstand aus der SPD.

Die neue SPD-Chefin und Digitalexpertin Saskia Esken kritisiert Pläne für eine automatische Gesichtserkennung an zahlreichen Bahnhöfen und Flughäfen in Deutschland. "Videoüberwachung mit Gesichtserkennung ist mE [meines Erachtens, Anm. d. Red.] ein zu hoher Eingriff in die Freiheitsrechte. Die falsch positiven Fehlalarme schaden der Sicherheit mehr als die Überwachung ihr nutzt", twitterte Esken als Reaktion auf einen Medienbericht, wonach die Bundesregierung die gesetzliche Grundlage für eine Videoüberwachung schaffen will. Esken fügte hinzu: "Unschuldige Menschen geraten ins Visier. Ich will Digitalisierung sozial demokratisch gestalten!".
Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Gesetzesentwurf die Kompetenzen der Bundespolizei ausweiten wolle. Zu den Plänen gehöre die Einführung von Gesichtserkennungssystemen an 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen. Seehofer hatte die Pläne im September 2019 angekündigt, nachdem bei zwei Attacken Reisende vor einfahrende Züge gestoßen worden waren.
Gesetzliche Änderung erforderlich
Der Bundesregierung zufolge sollen bis Ende 2024 "nahezu alle großen Bahnhöfe" mit moderner Videoüberwachung ausgestattet werden. Dabei sollen auch "intelligente Videoüberwachung" und "biometrische Gesichtserkennung" zum Einsatz kommen. Für den Ausbau der Videoüberwachung sind bis 2023 bereits 70 Millionen Euro vorgesehen. Das Verkehrsministerium will weitere 50 Millionen Euro zuschießen, was der Bundestag aber noch genehmigen muss. Hinzu kommen 12,5 Millionen Euro von der Deutschen Bahn.
Für die Einführung der Gesichtserkennung ist jedoch eine Änderung des Bundespolizeigesetzes erforderlich, die Seehofer nun umsetzen will. Dem Spiegel zufolge befindet sich der Entwurf bereits in Abstimmung mit dem SPD-geführten Bundesjustizministerium. Allerdings sei der Entwurf noch nicht so weit, um mit anderen Ressorts abgestimmt werden zu können, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums auf Anfrage von Golem.de.
Viele Fehlalarme zu erwarten
Die Bundespolizei hatte von Sommer 2017 bis Sommer 2018 am Berliner Bahnhof Südkreuz ein entsprechendes System getestet. Durch die Kombination von unterschiedlicher Gesichtserkennungssoftware konnte die Fehlerquote zwar reduziert werden, allerdings bedeutet selbst eine geringe Fehlerquote von deutlich unter einem Prozent bei einem stark frequentierten Bahnhof mehrere falsch erkannte Verdächtige pro Stunde - was für Reisende durchaus sehr unangenehm sein kann.
Die Datenschützer von Bund und Ländern hatten Ende März 2017 erklärt (PDF), den Einsatz biometrischer Gesichtserkennungssoftware in Überwachungskameras für rechtswidrig zu halten. Es handele sich um einen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, hieß es. "Der Einsatz von Videokameras mit biometrischer Gesichtserkennung kann die Freiheit, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, gänzlich zerstören", wurde festgestellt. Mögliche gesetzliche Regelungen müssten verfassungs- und europarechtliche Bedingungen einhalten "und den mit dieser Technik verbundenen erheblichen Risiken für die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger angemessen Rechnung tragen".
Auf Anfrage von Golem.de teilte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber mit, dass ihm der Entwurf noch nicht vorliege. Seine früheren Aussagen zum Thema, wonach für den Einsatz solcher Systeme die Rechtsgrundlage fehle, blieben unverändert.
Städte wie das kalifornische San Francisco sehen in der Gesichtserkennungstechnik sogar eine Gefahr und verbieten den Einsatz in ihren Behörden. Darunter fällt auch die Polizei. Die Nachteile würden die angeblichen Vorteile bei weitem überwiegen, so könne die Technik Bürgerrechte verletzen und die rassistische Ungerechtigkeit verschärfen, heißt es in einem entsprechenden Beschluss aus San Francisco.
EU-Kommission will Nutzung regulieren
Allerdings sei eine überparteiliche Initiative, die Technik in den USA landesweit einzuschränken, im US-Kongress ins Stocken geraten, berichtete Ende Dezember 2019 das Magazin Politico. Das läge zum einen am Tod das demokratischen Abgeordneten und Bürgerrechtlers Elijah Cummings, zum anderen an den Streitigkeiten zwischen Republikanern und Demokraten um die Amtsenthebung von US-Präsident Donald Trump.
Auf EU-Ebene plant die neue Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen angeblich eine schnelle Initiative, um den "willkürlichen Einsatz" von Gesichtserkennungstechnik einzuschränken. Das hatte die Financial Times im August 2019 berichtet. Damit soll versucht werden, den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu regulieren. EU-Bürger sollen über den Einsatz der Technik informiert werden, deren zulässige Nutzung "eng umschrieben" würde.
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Hoffnung und AfD passen noch weniger zusammen als Dein Post zu meinem oder dem davor...
... zumal sich die Daten mit den vorliegenden, biometrischen Fotos des Einwohnermeldeamts...
Wir haben doch schon Planwirtschaft. Wir haben auch eine E-Auto-Quote, wir...
Nicht trotzdem...;)