Patente sollten eigentlich Innovationstreiber sein
Ursprünglich sind Patente nicht dafür gedacht gewesen, die Konkurrenz auszubremsen. Seit dem 19. Jahrhundert sollen sie, so die Idealvorstellung, der Gesellschaft nützen. Der Deal beim Patentschutz: Man bekommt das alleinige Nutzungsmonopol und muss dafür die Erfindung offenlegen, wodurch wiederum andere daraus lernen können.
Doch früh häuften hauptsächlich große Konzerne Patente an. So war es auch in der Computerbranche, in der sich große Techkonzerne wie IBM, Microsoft und Apple ihre Computererfindungen in den USA patentieren ließen. Vorerst beschränkten sie sich auf Hardware und Zubehör. Apples Patent auf die Maus kam 1982. Microsofts erstes Patent von 1986 war ein Halter für "Bücher und ähnliche Dinge", den man eher bei Ikea verorten würde. Bis 2015 häufte Microsoft etwa 60.000 Patente an.
Auch Hardware für Videospiele war früh im Blick der Hersteller. So wurde 1973 unter dem Namen "television gaming and training apparatus" die Methode patentiert, einen "Apparat" - die Konsole Magnavox Odyssey - an den Fernseher anzuschließen und darüber Bilder darzustellen für den damaligen Hit Pong.
1985 ließ sich Nintendo das Steuerkreuz für den Controller der hauseigenen Konsole Nintendo Entertainment System via Patent sichern, acht Jahre später folgte ein Patent für den Gameboy. Auch Sony und Apple ließen sich ihre Gamepad- und iPhone-Designs patentieren. Anfangs rein auf Hardware ausgerichtet, nutzten große Konzerne ab den Achtziger- und Neunzigerjahren Patente immer öfter auch für ihre Software.
Bis zum Jahr 2015 gab es allein in den USA ungefähr eine halbe Million Softwarepatente. Auch in der Gamesbranche teilen sich die großen Patente untereinander auf, wie eine Übersicht der Branchenwebsite MCV/Develop zeigt. Nintendo hat bis 2020 knapp 3.000 angehäuft, dem ebenfalls japanischen Konzern Square Enix gehören rund 1.500, bei Electronic Arts sind es circa 200.
Kann man das schützen?
Patente von Electronic Arts beziehen sich weniger auf Spielabläufe als vielmehr auf technische Funktionen, etwa auf Netzwerkverbindungen, das Messen von Daten oder ein System, um Onlinebetrug leichter festzustellen. Die Frage bei vielen Softwarepatenten und insbesondere bei Spielmechaniken ist: Gibt das Patentrecht es überhaupt her, das zu schützen? Beim Crazy-Taxi-Pfeil etwa, dessen Patentschutz 2018 auslief, fragen sich Kritikerinnen und Kritiker bis heute, warum er vom US-Patentamt überhaupt genehmigt wurde.
"Software wurde in den Sechziger- und Siebzigerjahren nicht richtig verstanden, seitdem gab es bei der Patentbehörde immer wieder strengere und weniger strenge Entscheidungen", schreibt Sherveen Uduwana, der als Indieentwickler in Kalifornien arbeitet, in einem Beitrag für Vice. Die US-Patentbehörde dürfe nur dann ein Patent vergeben, wenn eine Erfindung ''nicht offensichtlich'' sei, heißt es auf ihrer eigenen Webseite. Uduwana stellt infrage, ob ein Pfeil, der die Richtung anzeigt, wirklich nicht offensichtlich ist.
Generell ist das Patentrecht für Software und Games in den USA weniger streng als in Europa. "Allgemein sind Patente im Bereich 'Spiele' in Europa recht selten", sagt Stephan Reisner, Rechtsanwalt im Patentrecht bei der Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke in Köln. Der Hintergrund liege im deutschen beziehungsweise europäischen Patentrecht, wonach gewisse Dinge nicht als Erfindung angesehen würden und deshalb einem Patentschutz nicht zugänglich seien.
"Die Gamesbranche ist sehr offen"
Dazu gehören etwa mathematische Methoden, Verfahren für gedankliche Tätigkeiten oder Spiele "als solche". Letzteres bringe zum Ausdruck, dass für die potenzielle Erteilung eines Patents eine Art Wechselwirkung mit der Realität nötig sei, sagt Reisner. "Es geht also mehr um geräteorientierte Erfindungen, die einen gewissen Spielbezug haben."
In den USA hingegen gibt es viele Softwarepatente und noch mehr Anträge: Für Patentämter könne es aufgrund der schieren Menge an Softwarepatenten manchmal schwierig sein, den Überblick zu behalten, sagt Bernhard Reiter. Der IT-Unternehmer arbeitet ehrenamtlich bei der Free Software Foundation Europe, die Softwarepatente grundsätzlich ablehnt.
"Patentanwälte sind außerdem geschult darin, Anträge so zu formulieren, dass sie eher genehmigt werden. Die Gültigkeit eines Patents zeigt sich letztlich vor Gericht." Aber nur die großen Studios würden sich auf die teuren und langwierigen Prozesse einlassen. Kleine Studios hingegen würden wohl eher einen großen Bogen um patentierte Spielmechaniken machen.
Dabei sei es in der Gamesbranche eigentlich üblich, sich offen mit anderen Entwicklern auszutauschen, sagt Dominik Abé. Er ist Mitgründer des deutschen Studios Mimimi Games, ihr letztes Spiel Desperados 3 wurde mehrfach ausgezeichnet. Mit Patenten seien sie bislang nicht in Berührung gekommen, man habe das Thema aber auf dem Schirm: "Generell ist die Gamesbranche sehr offen, große und kleine Entwickler tauschen sich über ihre neuesten Spiele und Mechaniken auf Konferenzen aus."
So hat Mimimi Games an einer Mechanik gearbeitet, die eine dynamische Wurflinie zeigt, wenn Spielerinnen und Spieler einen Stein werfen. Nun hätte ein anderes Spiel das Feature übernommen, ohne nachzufragen. "Sie haben unser Design als Grundlage genommen und wiederum ein paar Dinge verbessert, was okay ist", sagt Abé. Ein Patent würden sie für ihre Mechanik nicht anmelden.
Patent sichern - und es freigeben
Austausch und gegenseitiges Verbessern sind ein wesentliches Element beim Entwickeln von Games. So etablierte etwa Doom von id Software 1993 den Egoshooter auf dem PC. John Carmack, der damals das technische Grundgerüst entwickelte, spricht sich seit Jahren vehement gegen Softwarepatente aus.
Andere Studios griffen das Konzept auf und kopierten und entwickelten es über die Jahre weiter. Auch das Nemesissystem orientiert sich am Rennspiel Burnout 3: Takedown von 2004, baut also auf der Vorarbeit von anderen auf. "Man lernt voneinander, so war es in der Gamesbranche schon immer und so sollte es auch bleiben", sagt Abé.
Einen Anfang könnten Spielestudios machen - selbst wenn sie sich Patente sichern. Ende August wurde Electronic Arts ein Patent für das sogenannte Ping-System in seinem Onlineshooter Apex Legends zugesprochen. Per Knopfdruck können Spielerinnen und Spieler anderen den Standort von Gegenständen und Feinden anzeigen. Das erleichtert die Kommunikation enorm für alle Spieler, die keine Mikrofone verwenden. Am selben Tag hat Electronic Arts das Patent für alle freigegeben, um "weitere Entwickler zu ermutigen, neue Features zu entwickeln, die Videospiele inklusiver für alle machen".
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Videospielindustrie: Ein Patent, sie zu knechten |
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