Verwaltungsgericht Hamburg: Fingerabdruckpflicht für Personalausweise vorerst ausgesetzt

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat Zweifel, ob die Fingerabdruckpflicht bei Personalausweisen rechtmäßig ist. Dazu läuft bereits ein EuGH-Verfahren.

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Die Fingerabdruckpflicht bei Personalausweisen ist juristisch umstritten.
Die Fingerabdruckpflicht bei Personalausweisen ist juristisch umstritten. (Bild: Abylai Saralayev/Reuters)

Hamburger Bürger können vorläufig nicht zur Abgabe von Fingerabdrücken bei der Ausstellung eines neuen Personalausweises gezwungen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Hamburg in einem Eilverfahren entschieden. Der einstweiligen Anordnung vom 22. Februar 2023 zufolge (PDF) ist die zuständige Behörde dazu verpflichtet, dem Kläger "auf Antrag einen auf ein Jahr befristeten Personalausweis ohne die Abnahme von dessen Fingerabdrücken auszustellen" (Az. 20 E 377/23). Der Ausgang eines entsprechenden Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Zulässigkeit der Speicherpflicht könne abgewartet werden.

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine neue Regelung im Personalausweisgesetz, die zum 2. August 2021 in Kraft getreten ist. Zuvor waren die Abdrücke der beiden Zeigefinger nur auf den Pässen verpflichtend, auf den Ausweisen konnten sie freiwillig hinterlegt werden. Seitdem sind sie auf beiden Dokumenten verpflichtend. Die Fingerabdrücke werden ausschließlich auf dem internen RFID-Chip gespeichert.

EuGH soll entscheiden

Gegen die Speicherpflicht hat der Verein Digitalcourage eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht. Das Gericht hat sich in einem Beschluss vom 13. Januar 2023 (PDF) der Argumentation der Datenschutzorganisation angeschlossen und Zweifel an der Gültigkeit der EU-Verordnung angemeldet, auf der das deutsche Personalausweisgesetz basiert. Aus diesem Grund hat das Gericht dem EuGH mehrere Fragen für eine Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Hamburger Bürger bezieht sich in seiner Klage ausdrücklich auf das Verfahren in Wiesbaden und vor dem EuGH. In seiner Anordnung kommt das Verwaltungsgericht Hamburg zu dem Schluss, die EU-Verordnung sei "bereits wegen eines Verstoßes im Hinblick auf die Durchführung eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren unwirksam". Zudem könnte nach Einschätzung des Gerichts die Fingerabdruckpflicht "möglicherweise" gegen die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) verstoßen.

Ebenso wie das Gericht in Wiesbaden gehen auch die Hamburger Richter davon aus, dass die EU-Verordnung auf Basis einer falschen Rechtsgrundlage erlassen wurde. Anstatt sich auf Artikel 21, Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu berufen, hätte Artikel 77, Absatz 3 Satz 1 des Vertrags angewendet werden müssen.

Neue Sicherheitslücke geschaffen?

Vor dem EuGH hat es am 14. März 2023 einen ersten Verhandlungstermin zu dem Verfahren gegeben. Dabei ging es unter anderem um die 90-Tage-Frist zwischen der Erhebung der Fingerabdruckdaten in den Behörden und deren vorgeschriebener Löschung. Nach Angaben von Digitalcourage bemerkte ein Richter in dem Termin, "dass der europäische Gesetzgeber mit dem Ziel, die Sicherheit der Ausweise zu erhöhen, hier de facto eine neue Sicherheitslücke geschaffen hat" und stellte fest, "dass die getroffenen Sicherheitsbestimmungen für diesen Zeitraum sehr schwach sind".

Die Generalanwältin soll laut Digitalcourage ihre Schlussanträge am 29. Juni 2023 veröffentlichen. Ein Termin für die Urteilsverkündung stehe noch nicht fest.

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Kakiss 16. Mär 2023 / Themenstart

Indem Technik es möglich macht Kopien ohne Probleme herzustellen und zu benutzen. Vor...

Venterrazero 16. Mär 2023 / Themenstart

SPD Faeser bestimmt. Allerdings werden die Fingerabdrücke auch aus Backupgründen, falls...

uschatko 16. Mär 2023 / Themenstart

da auch zurückgerudert wird. In der Slowakei musste ich alle 10 Fingerabdrücke abgeben...

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