Versorgungssicherheit: Gebäude werden zu Energiespeichern
Wohin mit Strom aus erneuerbaren Quellen, wenn er nicht ins Netz gespeist werden kann? Das Fraunhofer ISE will ihn in Gebäuden speichern.

Ob sonnig oder bewölkt, ob Wind oder Flaute, ob hoher oder niedriger Strompreis: Den Mitarbeitern des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) ist es egal. Ihr neuer Kältespeicher macht sie unabhängig, er speichert, wenn zu viel Strom da ist, und gibt Kälte ab, wenn sie gebraucht wird. Mit dieser Methode will das ISE ganze Gebäude zu Energiespeichern machen, was unter anderem dabei helfen soll, Blackouts zu verhindern.
Ein Sommertag mit Starkwind und mäßigen Temperaturen: Der Kältespeicher bleibt unangetastet. Wegen des Stromüberschusses im Netz aufgrund der flott rotierenden Windenergieanlagen springt die Kältemaschine sogar an, um den Speicher weiter aufzuladen. Das hilft beiden Seiten: dem Netzbetreiber, weil der ansonsten unverkäufliche Strom einen Abnehmer findet, und dem ISE, das für den Strom, den die Kältemaschine verschlingt, weit weniger bezahlen muss als üblich.
Am Tag darauf ist die Wettersituation völlig anders. Es ist nahezu windstill, die Sonne wird kaum von Wolken verdeckt. Die ISE-Räume brauchen schon am späten Vormittag Klimakälte, damit die Mitarbeiter angenehme Temperaturen haben und gut arbeiten können. Wieder wird ins öffentliche Stromnetz mehr eingespeist, als verbraucht wird. Der Strom ist entsprechend billig und die Kältemaschine wird angeworfen, um genau die Kälte zu produzieren, die aktuell benötigt wird. Wieder profitieren beide Seiten.
Der nächste Tag präsentiert sich wieder anders: Dichte Wolken verdecken die Sonne. Es weht kaum Wind, der die zähen Wolken vertreiben könnte, es ist schwülwarm. Solarkraftwerke laufen mit einem Bruchteil der Nennleistung, Windkraftwerke liefern gar nichts. Strom ist jetzt besonders teuer, was das ISE nicht stört: Es betreibt seine Klimaanlage mit der gespeicherten Kälte. Das hilft erneut beiden Seiten, denn der Netzbetreiber kann auf die Bereitstellung von teurer wetterunabhängiger Energie verzichten - in Deutschland sind es meist fossile Kraftwerke - und das ISE zahlt gar nichts.
So könnten Gebäude, die nicht für Wohnzwecke genutzt werden, dabei helfen, Stromüberschüsse zu nutzen und bei Mangellagen auszuhelfen. In Frage kommen neben Kältespeichern auch Wärmespeicher, Batterien, die mit Photovoltaikanlagen gekoppelt sind, sowie Wärmepumpen, die bei Stromüberschuss auf Vorrat produzieren. Damit werden Gebäude in den sogenannten Regelenergiemarkt integriert. Der ist unverzichtbar, weil er dafür sorgt, dass Spannungs- und Frequenzschwankungen im Stromnetz innerhalb enger Grenzen bleiben. Würden sie überschritten, käme es zum Blackout, also zum Komplettausfall der Stromversorgung in einer kleineren oder größeren Region.
Um das zu verhindern, müssen Stromerzeuger kurzfristig einspringen, wenn mehr Energie abgerufen als produziert wird, vor allem Erdgas- und in jüngster Zeit auch Steinkohlekraftwerke. Umgekehrt müssen sich zusätzliche Verbraucher finden, wenn zu viel Strom eingespeist wird. Das gelingt mit großen Batterien, Pumpspeicherkraftwerken und anderen Puffern, von denen es aber so wenig gibt, dass oft ganze Windparks abgeschaltet werden müssen.
Gebäude zur Flexibilisierung des Stromverbrauchs
Dieses Dilemma, das dazu führt, dass im Kraftwerksbereich eher mehr als weniger Kohlenstoffdioxid (CO2) emittiert wird, sollen Gebäude durch Flexibilisierung des Stromverbrauchs teilweise entschärfen. Kältespeicher, die so gefahren werden, dass das Netz möglichst wenig belastet wird, sind eine Möglichkeit. Heißwasserspeicher können ebenfalls einspringen, jedenfalls als Verbraucher von Überschussstrom, wenn sie mit überdimensionalen Tauchsiedern ausgestattet werden. Das kann zeitweise billiger sein als das Erhitzen mit Heizöl oder Erdgas.
Auch Fabriken können einen großen Beitrag leisten, wenn Maschinen, die viel Strom verbrauchen, bevorzugt dann in Betrieb genommen werden, wenn es Strom im Überfluss gibt. Tiefkühllager für Lebensmittel können in günstigen Zeiten gewissermaßen auf Vorrat kühlen und die Normtemperatur nach unten korrigieren.
"Überschussstrom müsste billiger sein"
Das alles funktioniere jedoch nur, wenn es finanzielle Anreize beziehungsweise Strafen gebe, erklärt das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem)in Berlin und Greifswald, das die Chancen, Gebäude für die Regelenergie heranzuziehen, gemeinsam mit dem ISE untersucht. Überschussstrom müsste billiger sein und im Extremfall gar nichts kosten.
Bei Mangellagen müsse es Aufschläge geben. Das ließe sich mit intelligenten Stromzählern realisieren, die nicht nur den Verbrauch messen, sondern auch per Internet Strompreisinformationen bekommen. Sie könnten genutzt werden, um die Energiekosten von Gebäuden zu senken und gleichzeitig das Stromnetz zu stabilisieren.
"Ein flexibler, netzdienlicher Betrieb mit dem aktuellen rechtlichen Rahmen und den installierten Messtechniken ist kaum zu realisieren", erklärte Jessica Thomsen, ISE-Teamleiterin Dezentrale Energieversorgung und Märkte, in einer ISE-Veröffentlichung. "Zur Hebung relevanter Flexibilitätspotenziale müssen unter anderem die Tarifstruktur des Elektrizitätsbezugs reformiert und die technologischen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Bereitstellung von Flexibilität wirtschaftlich interessant zu gestalten. So könnten die Netzentgelte dynamisiert und an die Netz- oder Systemerfordernisse angepasst werden."
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Naja, so lange es nur um "ein paar ¤" geht, mag das schon stimmen. Schauen wir mal wie...
Das ist Deutschland. Alles was innovativ ist und uns weiter bringen könnte wird einfach...
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