Verschlüsselung: Regierung will nun doch keine Backdoors
Verwirrung um die deutsch-französische Erklärung zum Kampf gegen den Terror. Während Paris Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation fordert, will die Bundesregierung das nicht so vereinbart haben.

Worauf haben sich die Innenminister Deutschlands und Frankreichs bei ihrem Treffen am Dienstag in Paris verständigt? Am Tag danach ist weiter unklar, ob die Anbieter von Messengerdiensten wie Telegram oder Whatsapp verpflichtet werden sollen, auf Verlangen von Ermittlungsbehörden verschlüsselte Nachrichten zu entschlüsseln. Der Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Johannes Dimroth, stellte in der Bundespressekonferenz zumindest klar: "Wir treten geradezu für gute Verschlüsselung, schwer zu durchbrechende Verschlüsselung ein, um die Datensicherheit der Bürger zu gewährleisten. Wir wollen, um es ganz deutlich zu sagen, auch keine Backdoors, wir wollen keine Schlüsselhinterlegung."
Allerdings heißt es auf den Seiten des französischen Innenministeriums weiterhin: Unkooperative Anbieter sollten verpflichtet werden können, "illegale Inhalte zu entfernen oder im Rahmen von Ermittlungen Nachrichten zu entschlüsseln". Dimroth versuchte die Divergenzen damit zu erklären, dass Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sich gegenüber der Presse anders als vereinbart geäußert habe. In den "jeweils offiziell veröffentlichten Dokumenten der deutsch-französischen Erklärung" fänden sich die Unterschiede nicht.
Kryptoeckpunkte unverändert gültig
Doch das war zunächst unklar. Denn auf den Seiten des französischen Innenministeriums findet sich kein Dokument, das wortgleich mit der deutschen Erklärung wäre. Die Forderung nach einer Entschlüsselung durch die Anbieter findet sich sowohl in der Rede Cazeneuves als auch in der offiziellen Darstellung seines Ministeriums.
Nach Angaben Dimroths hält die Bundesregierung weiter an den 1999 formulierten Eckpunkten der deutschen Kryptopolitik fest. Anstatt Hintertüren in Verschlüsselungssysteme einzubauen, sollten für die Sicherheitsbehörden "andere Wege gefunden werden", um an die Inhalte verschlüsselter Kommunikation zu gelangen. Dimroth nannte als Beispiel die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, für die der sogenannte Bundestrojaner programmiert wurde. Es würden keine Befugnisse angestrebt, "kryptierte Kommunikation abzugreifen, ohne dass wir an die Kryptoeckpunkte heranmüssten und unsere grundsätzliche Linie hier in Frage stellen müssten."
Nachtrag vom 24. August 2016, 17:48 Uhr
Die offizielle französische Fassung der gemeinsamen Erklärung, die Golem.de vom Bundesinnenministerium zugesandt wurde, weicht in der Tat von der Darstellung ab, die die französische Regierung auf ihren Internetseiten verbreitet. Darin findet sich ebenso wie in der deutschen Fassung keine direkte Forderung zur Entschlüsselung von Kommunikation durch die Anbieter.
Es heißt wortgleich wie in der deutschen Fassung: "Es müssen Lösungen gefunden werden, die effektive Ermittlungen mit Blick auf verschlüsselte Daten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen ermöglichen und zugleich der Notwendigkeit des Schutzes digitaler Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger durch Gewährleistung der Erhältlichkeit starker Kryptographie-Systeme sowie dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, den Grundrechten und dem Rechtsstaat Rechnung tragen." Offenbar denkt die französische Regierung dabei an andere "Lösungen" als die deutsche. Es bleibt daher abzuwarten, welche Schritte die Europäische Kommission auf Basis dieser gemeinsamen Erklärung vorschlagen wird.
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Sehr schön dargelegt. Ganz besonders gilt das für solche wie von dir angesprochenen...
Hast du ne andere Idee?
Nee, andersrum: US-Unternehmen haben von einem deutschen Ministerchen nix zu befürchten...
Das verstehe ich, aber das was hier passiert, wird auch nicht ohne Folgen für unsere...