Versandhandel: Amazon gewinnt gegen US-Gewerkschaft
Nach hitzigem Streit über das Urinieren in Flaschen haben Amazon-Angestellte in Bessemer gegen eine Arbeitnehmervertretung gestimmt.

Der weltgrößte Onlinehändler Amazon hat die mit Spannung verfolgte Abstimmung über die erste Gewerkschaft an einem US-Standort gewonnen. Auch wenn die Auszählung noch andauerte, war am Freitag, dem 9. April, bereits klar, dass die Mehrheit der Beschäftigten in Bessemer im Bundesstaat Alabama sich gegen die Arbeitnehmervertretung entschieden hat. Mindestens 1.608 von insgesamt 3.215 abgegebenen Stimmen waren gegen den Anschluss an die Handelsgewerkschaft RWDSU.
Sollte das Resultat nicht gekippt werden, hätte der Konzern von Multimilliardär Jeff Bezos die historische Wahl für sich entschieden und den ersten Durchbruch einer US-Arbeitnehmervertretung in seiner rund 27-jährigen Geschichte verhindert. Die RWDSU kündigte jedoch an, dass Ergebnis anzufechten, und warf Amazon vor, ein "kaputtes Wahlsystem" ausgenutzt zu haben. Die Gewerkschaft hatte damit geworben, sicherere Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu erstreiten.
Fast zwei Monate hatten die knapp 6.000 Beschäftigten des Logistiklagers in Bessemer Zeit, per - pandemiebedingter - Briefwahl über die Arbeitnehmervertretung abzustimmen. Das Votum zog landesweit großes Interesse auf sich, beim Wahlkampf erhielt die Gewerkschaft Unterstützung von Spitzenpolitikern bis hin zu Präsident Joe Biden und etlichen anderen Prominenten. Genutzt hat es wenig.
Heftige Auseinandersetzung und Eigentor von Amazon
Eine Niederlage dürfte die RWDSU aber nicht ohne Weiteres akzeptieren. Die Gewerkschaft beschuldigte Amazon bereits, "illegal" Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben, und kündigte energischen Widerstand an. Beobachter halten ein langwieriges rechtliches Nachspiel für möglich. Amazon hatte schon vor der Wahl mit aller Kraft versucht, das Votum zu verzögern, war jedoch mit einem Einspruch bei der Arbeitnehmerschutzbehörde NLRB gescheitert.
Auch wenn Amazon sich gegen die RWDSU zunächst durchsetzen konnte, verlief der Wahlkampf in vielerlei Hinsicht peinlich für den Konzern. Die von Amazon abgesetzten Tweets waren dabei so heftig, dass manche Angestellten dachten, das Twitter-Konto des Konzerns sei gehackt worden.
Amazon argumentierte, dass die Arbeitsbedingungen so gut seien, dass es keine Gewerkschaft brauche und die Angestellten ohnehin schon alles bekämen, wofür sie sich einsetzten. Der Abgeordnete Marc Pocan von der demokratischen Partei kritisierte Amazon daraufhin: "Mitarbeitern 15 Dollar Stundenlohn zu zahlen, macht einen nicht zu einem 'fortschrittlichen Arbeitsplatz', wenn man gegen Gewerkschaften vorgeht und Beschäftigte in Wasserflaschen urinieren."
Amazon hatte zunächst in ungewöhnlich scharfem Ton bei Twitter gekontert: "Sie glauben nicht wirklich die Sache mit dem Pinkeln in Flaschen?" Und weiter: "Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten." Nachdem etliche Berichte und Bilder die Aussagen von Amazon widerlegten, musste das Unternehmen zurückrudern und erstmals die Berichte bestätigen, wonach Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck und Arbeitsstress in Flaschen urinieren. Amazon selbst nannte die Polemik später ein "Eigentor".
Der Autor meint dazu: Allein dieser Vorgang zeigt, wie schlecht die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind und wie dringend notwendig eine Arbeitnehmervertretung wäre. Dabei müssen Amazon-Angestellte noch viel mehr erdulden, beispielsweise müssen Beschäftigte im Lieferdienst einer biometrischen Überwachung, Tracking-Apps und Überwachungskameras im Fahrzeug zustimmen.
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Und du hast keinen einzigen Grund in deinem Beitrag gebracht, der für Gewerkschaften...
Natürlich haben die Gewerkschaften auch mittel, aber sicherlich nicht in dem Umfang wie...
Sinn einer Gewerkschaft ist ja aber nicht, das jemand anderes, welcher nur halb so viel...
Trotz der ganzen Gewerkschafts-Propaganda, die seit Jahren gegen Amazon läuft, sollte...