Anteil der Autofunktionen nur minimal
Aber wer hat das Papier letztendlich formuliert? In einer Fußnote heißt es: "Quelle: IT-Gipfel 2014, Arbeitsgruppe 8, A.T. Kearney". Offenbar hat das international tätige Beratungsunternehmen A.T. Kearney das Papier im Auftrag der Bundesregierung erstellt und die Zahlen berechnet. Eine Nachfrage in dessen Düsseldorfer Niederlassung sollte daher weiterführen.
Über mehrere Umwege findet sich dann wirklich der Mitarbeiter, der die Zahlen berechnet hat. Nach seinen Angaben schlüsselt sich das Datenvolumen von 27 MByte im Jahr 2015 wie folgt auf: Fahrassistenz und Telemetrieschnittstelle rund 0,03 MByte, Navigation rund 0,2 MByte, Kommunikation und Arbeiten rund 0,03 MByte, Radio rund 22,5 MByte (Äquivalent), Video rund 4,0 MByte (Äquivalent). Mit anderen Worten: Das Datenvolumen der reinen Autofunktionen kommt mit 0,23 MByte gerade einmal auf 0,85 Prozent des Gesamtvolumens. Der Radioempfang im Auto, der mit Internet reichlich wenig zu tun hat, macht hingegen mit 83 Prozent den Löwenanteil aus.
Pferd wird von hinten aufgezäumt
Ändert sich an dieser Verteilung wenigstens etwas bis 2020? Schließlich teilte die Unionsfraktion auf Anfrage von Golem.de mit: "Ein Treiber für diesen Anstieg [auf 215 MByte] sind vernetzte Assistenz- und Monitoring-Systeme, die Echtzeit-Verkehrsinformationen und dynamische Verkehrskarten empfangen sowie Telemetriedaten zur Ferndiagnose, prädiktiven Fahrzeug-Instandhaltung und nutzungsbasierten Kfz-Versicherung vom Fahrzeug aus senden." Doch nach Angaben von A.T. Kearney verteilt sich das Datenvolumen im Jahr 2020 wie folgt: Fahrassistenz und Telemetrieschnittstelle rund 0,3 MByte, Navigation rund 1,2 MByte, Kommunikation und Arbeiten rund 2,3 MByte, Radio rund 34,5 MByte, Video rund 176,5 MByte.
Das Datenvolumen der Autofunktionen steigt also in fünf Jahren von 0,23 MByte auf 1,4 MByte pro Stunde. Ein wirklich starker Treiber. Der Anteil am Gesamtvolumen sinkt sogar auf 0,65 Prozent. Das deckt sich mit Recherchen von Golem.de, wonach selbst die hochpräzisen Karten sehr datensparsam aktualisiert werden sollen. Das Car-to-X-Angebot für Daimlers neue E-Klasse soll nur wenige MByte an Daten im Jahr übermitteln.
Die Behauptungen der Fraktionen sind durch die Zahlen aus dem Strategiepapier daher überhaupt nicht gedeckt. Im Gegenteil: Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Erst wenn ein flächendeckend schnelles Internet per LTE oder 5G zur Verfügung steht, wird es überhaupt möglich sein, beim Autofahren Videostreams zu schauen. Mit dem Autofahren selbst und mit intelligenter Mobilität hat das aber rein gar nichts zu tun. Auch Daimler und BWM gehen davon aus, dass der Traffic nur durch Entertainment-Dienste deutlich steigen wird.
Unklare Nutzung von mobilen Diensten
Ob die Autofahrer diese Möglichkeit dann aber nutzen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Berater von A.T. Kearney beriefen sich für ihr Papier unter anderem auf Prognosen des Netzwerkanbieters Cisco, wonach der weltweite mobile Daten-Traffic im Jahr 2020 achtmal so groß sein wird wie noch 2015. Dabei soll der Videoanteil bei 75 Prozent liegen. Daraus wurde dann irgendwie die Zahl von 176,5 MByte abgeleitet, die jedes Auto pro Stunde an Videodaten abrufen soll.
Allerdings geht die Cisco-Studie selbst davon aus, dass 55 Prozent des Datenvolumens zu Hause über WLAN abgerufen werden. Zudem rechnet die Studie damit, dass sich der Videotraffic vor allem auf die Abendstunden beschränkt, während tagsüber normale Webdienste genutzt würden. Während der meisten Autofahrten werden wohl auch im Jahr 2020 tagsüber keine Videos geschaut. Selbst wenn es technisch möglich und rechtlich erlaubt wäre.
Videonutzung nur eingeschränkt sinnvoll
Letzteres dürfte im Jahr 2020 aber nur bei wenigen Fahrzeugen der Fall sein. Die ersten hochautomatisierten Fahrzeuge mit Autobahnpiloten kommen wohl erst 2018 auf den deutschen Markt. Bis zum Jahr 2020 haben daher nur wenige Autofahrer überhaupt die Möglichkeit, sich während der Fahrt Videos anzuschauen. Die Zahlen aus der Studie und dem Bundestagsantrag erwecken aber den Eindruck, als sei das in wenigen Jahren bei allen Autos schon Standard. Allein aus Sicherheitsgründen sollten die Autofahrer in vernetzten, aber nicht autonomen Autos keine Videos schauen dürfen. Sinnvoll wäre lediglich, dass Mitfahrer sich über den WLAN-Hotspot des Autos einwählen, um Streamingdienste zu nutzen.
Hierbei können aber gerade bei Videos hohe Datenkosten anfallen, so dass am Ende doch eher die mitgebrachte DVD geschaut wird. A.T. Kearney geht zwar davon aus, dass die Preise für Datenvolumen bis 2020 eher fallen werden. Warum beim Autofahren aber Geld für Videos ausgegeben werden soll, wenn Radio kostenlos und Webdienste viel günstiger genutzt werden können, ist wenig plausibel. Die Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin hat laut Spiegel herausgefunden, dass die meisten Menschen die Zeit am liebsten dazu nutzen würden, die vorbeiziehende Landschaft zu genießen.
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Vernetztes Fahren: Wie mit Fantasiezahlen Politik gemacht wird | Autoindustrie wird für dumm verkauft |
...wohl kaum und damit ist Frage nach schnellerem Internet auch bereits beantwortet...
Hallo Zuiken, Ich habe kein Auto, aber das hilft nicht wirklich, wenn die Regale in den...
Hauptsache sie wird nicht großgeschossen...
Dafür braucht man nun gar keinen Ausbau, außer in den Autos selbst.