Vernetztes Fahren: Koalition fordert umfangreiche Nutzung von Autodaten
Die Autos der Zukunft sind eine wahre Datengrube für Hersteller und Kartendienste. Dies will die große Koalition ermöglichen, auch wenn sie vollmundig vom Datenschutz spricht.

Die große Koalition will den Autofahrern künftig nur sehr eingeschränkt die Kontrolle über die von ihren Autos generierten Daten einräumen. Lediglich die Übertragung von Daten mit einem eindeutigen Personenbezug solle zustimmungspflichtig sein, heißt es in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Union und SPD, der am Freitag im Bundestag diskutiert wurde. Demnächst seien auf den Straßen 40 Millionen potenzielle Sensoren unterwegs, sagte der CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek. Deren Daten brauche auch der Staat, um beispielsweise den Zustand der Straßen genau erfassen zu können.
Die Koalition will lediglich sicherstellen, dass "die Erstellung von Bewegungsprofilen mit einem direkten Personenbezug nicht möglich ist". Mit anderen Worten: Solange die Autohersteller oder andere Diensteanbieter die Daten hinreichend pseudonymisieren, sollen die Autobesitzer keine Möglichkeit erhalten, die Datenübertragung abzulehnen. Die Koalition unterstützt lediglich eine Empfehlung des Verkehrsgerichtstags, wonach die Käufer bei Vertragsabschluss "in dokumentierter Form umfassend und verständlich" informiert werden sollen, "welche Daten generiert und verarbeitet werden sowie welche Daten auf welchen Wegen und zu welchen Zwecken übermittelt werden". Navigationsdienste wie Here wollen künftig die Daten von Autosensoren nutzen, um automatisch ihr Kartenmaterial zu aktualisieren.
Spezialdienste und 5G als Voraussetzung
Der Antrag geht davon aus, dass sich das Volumen der von vernetzten Fahrzeugen übertragenen Daten in den kommenden Jahren vervielfachen wird. Während derzeit in jeder Stunde rund 27 MByte übertragen würden, seien es im Jahr 2020 bereits 215 MByte. Um dies zu ermöglichen, müsse der Mobilfunkstandard 5G "so schnell wie möglich eingeführt bzw. hergestellt werden, da es bei hohen Geschwindigkeiten auch auf den Unterschied von Millisekunden in der Datenübertragung ankommen kann".
In diesem Zusammenhang verweist die Koalition auf sogenannte Spezialdienste im Internet. Diese Einschränkung der Netzneutralität sei "in Bezug auf sicherheitsrelevante Aspekte des automatisierten Fahrens von Bedeutung". Damit widerspricht die Koalition einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts zum hochautomatisierten Fahren. Die Studie sieht "keine Notwendigkeit für weitere industriepolitische oder regulatorische Aktivitäten im Kontext der Netzneutralität und dem automatisierten Fahren". Sie begründet dies damit, dass solche Priorisierungen im Mobilfunk ohnehin erlaubt seien, während die Autohersteller ihre Backendsysteme über exklusive Leitungen realisierten.
Industriefreundliche Position
Die Koalition vertritt hingegen die Auffassung, dass erst die umfassende Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer ein automatisiertes Fahren ermögliche, "so dass sich der Fahrer nicht mehr dem Verkehrsgeschehen widmen muss, sondern während der Fahrt anderweitigen Tätigkeiten nachgehen kann". Die Fraunhofer-Studie verweist hingegen darauf, dass die hochautomatisierten Autos zunächst ohne die entsprechende Infrastruktur (Intelligent Transport Systems/ITS) fahren können. Internet- oder Mobilfunkverbindungen sind daher für die Funktion der Autos nicht erforderlich. Allerdings böten sogenannte Car-to-X-Systeme die Möglichkeit, "in verschiedenen Verkehrsszenarien die Qualität des automatisierten Fahrzeugverhaltens zu steigern".
Insgesamt vertritt die Koalition damit eine sehr industriefreundliche Position. Im vergangenen September hatte das Bundesverkehrsministerium noch vollmundig behauptet: "Die Daten gehören dem Nutzer." Nun zeichnet sich ab, dass damit nur rein personenbezogene Daten gemeint sind. Die Autofahrer sind Umfragen zufolge derzeit allerdings mehrheitlich nicht dazu bereit, ihre Daten preiszugeben. Solche Daten sind aber erforderlich, um zuverlässige Verkehrsleitsysteme oder Warnsysteme anzubieten. Die große Mehrzahl von Firmen in der Autobranche befürwortet daher gesetzliche Vorgaben, solche Daten weiterzugeben.
Bär vermisst Begeisterung in Deutschland
In der Bundestagsdebatte bedauerte Staatssekretärin Dorothee Bär daher, dass die deutsche Bevölkerung nicht sonderlich "euphorisch" sei, was das vernetzte und automatisierte Fahren betreffe. "Wie schaffen wir es, die Begeisterung in die Bevölkerung hineinzutragen?", fragte die CSU-Politikerin. Sie schlug vor, künftig mehr von Smart Data als von Big Data zu sprechen, um die Akzeptanz für die Datennutzung zu erhöhen.
Die Opposition kritisierte hingegen die Pläne der Koalition. "Intelligent sind diese Systeme nur für die Kassen der Konzerne", sagte die Linke-Abgeordnete Sabine Leidig. Es dürfe nicht darum gehen, noch mehr Autos in den Städten unterzubringen, sondern stattdessen auch wirklich intelligente Verkehrsmittel wie das Fahrrad stärker zu fördern. Für mehr Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr werde mehr Personal benötigt.
Die Koalition verwies jedoch auf die möglichen Vorteile der neuen Technik für die Verkehrssicherheit und die Umwelt. Jarzombek hielt es für möglich, dass mit Hilfe von vernetzten Fahrzeugen und Infrastruktur wie Ampeln die Autos künftig "ohne Bremsen und Beschleunigung durch die Städte fahren". Ebenfalls könnte es die Vernetzung ermöglichen, dass die Autos auf den Autobahnen künftig "synchron bremsen". Bis diese Visionen Realität werden, dürften aber noch viele Bundestagsdebatten ins Land gehen.
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