Verkehrssicherheit: Assistenzsysteme verleiten zu weniger Aufmerksamkeit

Assistenzsysteme, die die Spur halten oder auf den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug achten, sollen den Menschen am Lenkrad unterstützen und die Verkehrssicherheit erhöhen. Einer aktuellen Studie zufolge könnte jedoch das Gegenteil der Fall sein.
Die Organisation Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) und das Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben in einer einmonatigen Studie das Verhalten von Fahrern untersucht, die in einem Fahrzeug unterwegs waren, das mit Assistenzsystemen ausgestattet ist. Dabei zeigte sich, dass die Testpersonen, während sie die Systeme nutzten, ihre Aufmerksamkeit statt auf die Straße auf andere Tätigkeiten richteten.
Essen oder auf das Smartphone schauen
War das System aktiviert, tendierten die Fahrer dazu, viel häufiger etwa auf ihr Mobiltelefon zu schauen oder zu essen. Sie führten insgesamt mehr andere visuell-manuelle Tätigkeiten aus als beim Fahren ohne Unterstützung, berichtet das IIHS(öffnet im neuen Fenster) .
In der Studie analysierten das IIHS und das MIT in einer Gruppe das Fahrverhalten von 29 Testpersonen, die mit einem 2017er Volvo S90 unterwegs waren, der mit Pilot Assist ausgestattet war. Über einen Zeitraum von vier Wochen untersuchten sie, ob Fahrer bei der Nutzung der Assistenten eher fahrfremden Tätigkeiten nachgehen als beim Fahren ohne diese Systeme.
Die Forscher wollten zudem wissen, wie sich das Verhalten im Laufe der Zeit verändert. Dabei zeigte sich, dass die Probanden, umso mehr dazu neigten, während des Fahrens etwas anderes zu machen, je vertrauter sie mit der Technik wurden.
Die Tesla-Gruppe kannte keine Assistenzsysteme
Eine zweite Gruppe fuhr dazu ein Tesla Model 3. Diese 14 Probanden hatten zuvor noch nie Teslas Autopilot oder ein anderes teilautomatisiertes System benutzt. Der Tesla warnt, wenn der Sensor im Lenkrad feststellt, dass die Hände nicht am Lenkrad sind. Dann muss eine leichte Lenkbewegung folgen, der Blinkerhebel angetippt oder der Drehknopf am Lenkrad bedient werden. Erfolgt das nicht, eskaliert das Auto die Warnungen.
Über den Testzeitraum nahmen die ersten Aufmerksamkeitserinnerungen pro 1.000 mit Autopilot zurückgelegte Meilen zu. Die Eskalationen hingegen nahmen deutlich stärker ab. Die Testpersonen erlernten das Zeitintervall besser einzuschätzen und verhinderten so, dass Warnungen zu ernsteren Eingriffen eskalierten.
In den 10 Sekunden vor der Warnung und währenddessen übten die Fahrer häufiger andere Tätigkeiten aus: Je mehr sie lernten, wie die Aufmerksamkeitserinnerungen funktionierten, desto mehr wandten sie den Blick von der Straße ab oder nahmen beide Hände vom Lenkrad. Und je länger die Fahrer das System benutzten, desto schneller nahmen sie nach der Warnung die Hände wieder vom Lenkrad.
Die Ergebnisse zeigten, dass bei Systemen für teilautomatisiertes Fahren strengere Sicherheitsvorkehrungen implementiert werden müssten, um Missbrauch zu verhindern: In beiden Versuchen hätten die Fahrer ihr Verhalten angepasst, um vom Straßenverkehr abzulenken. "Diese Ergebnisse sind eine gute Erinnerung an die Art und Weise, wie Menschen lernen" , sagte IIHS-Präsident David Harkey. "Wenn man ihnen beibringt, dass Aufmerksamkeit bedeutet, alle paar Sekunden das Lenkrad anzustoßen, dann werden sie genau das tun."



