Wissende und Unwissende
Couzins bezeichnet das Verhalten eines Schwarms als ein demokratisches System, das aus Informationsträgern und den Unwissenden besteht - Letztere nennt er auch "dumm". Der Forscher untersuchte unter anderem, wie schnell und wie richtig die Entscheidung über eine Schwimmrichtung getroffen werden kann und wie die Zahl der Tiere insgesamt und die Zahl der Informationsträger sich dabei auswirken.
Es zeigte sich, dass das Verhältnis der Informationsträger zur Größe des Schwarms in einer umgekehrten Beziehung steht: Je größer die Gruppe, umso weniger Informationsträger braucht sie im Verhältnis, um die richtige Entscheidung zu treffen.
Dabei wirken sich die Informierten am stärksten aus, die ihre Meinung von der richtigen Richtung am deutlichsten wiedergeben - also die, welche unmittelbar angegriffen werden und darauf panisch reagieren. "Eine deutlich herausgebildete Meinung zu haben, ist ein Vorteil. Man kann sich damit leichter durchsetzen", sagte Couzin.
Extremisten und ihre Nachbarn
Der Forscher machte dabei eine wichtige Unterscheidung zu menschlichen Demokratien: "Bei uns wären die Meinungsstarken die mit extremistischen Ansichten." Die Extremisten wirken sich bei den Fischen aber weniger stark aus, weil jeder Nachbar etwas schwächer reagiert, und sich die Stärke der Meinung über die Richtung so mit zunehmender Distanz abschwächt.
Wenn es aber weniger dumme Individuen gibt, also mehr Informationsträger, wirken sich die meinungsstarken weniger stark aus, stellte Couzin fest. Allgemein gilt aber: Die Dummen lassen sich von denen mit Wissen beeinflussen, weil sie direkt aufeinander wirken.
Ausgehend von diesen Ergebnissen wollte Couzin seine Modelle auch auf Tiere anwenden, die weniger oft angegriffen werden, aber öfter dem Menschen indirekt schaden: Heuschrecken. Sie sind vor allem in Westafrika eine Plage, gegen welche die Wissenschaft noch kein praktikables und bezahlbares Mittel gefunden hat.
Vor allem wollte Couzin wissen, warum sich Heuschrecken in Schwärmen so schnell fortbewegen, obwohl sie weder angegriffen werden noch die Nahrung knapp ist. Die Tiere könnten sich auch verteilen, statt in Schwärmen einer Richtung zu folgen.
Marschrichtung
Der Grund: Sie treiben sich gegenseitig an, was Couzin den "Erzwungenen Marsch" nannte. Er fand heraus, dass Heuschrecken sich von hinten beißen, wenn sich der Vordermann nicht bewegt. Daher laufen sie ständig voreinander weg, und das vordere Tier kann seinen Individualabstand nicht einhalten.
Couzin wies das auch im Experiment nach: Wurde den Heuschrecken das Schmerzempfinden oder die Sicht genommen, hörte das ständige Marschieren auf. Das Sehen ist dabei wichtig, weil es für die Heuschrecken, anders als bei Fischen mit ihrem Druckempfinden, das wichtigste Orientierungsmittel für den Abstand voneinander ist.
Der Wissenschaftler will seine Ergebnisse, die er auch in Experimenten in Westafrika gewonnen hat, nun in Simulationsmodelle umsetzen. Vielleicht, so Couzin, lässt sich damit langfristig ein Weg finden, das Verhalten von Heuschrecken zu beeinflussen und sie nicht zu vergiften. Denn das ist für den Rest der Umwelt schädlich und auch schlicht zu teuer.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Verhaltensforschung mit GPUs: Demokratie braucht Deppen |
- 1
- 2
https://www.youtube.com/watch?v=YBYU1eayaXs
Vielen Dank Herr Ernst! Ich hatte erfolglos gegoogelt. Auf jeden Fall wusste ich das...
Vielen Danke ;) danach habe ich gesucht. mfg Aileron
Würde eigentlich auch ganz gut passen ;-)
...oder einfach im Stau, wo einer ausschert und andere ihm folgen - obwohl er mutmaßlich...