Verdacht auf Arbeitszeitbetrug: Amazon erstreitet Entlassung von Betriebsratsvorsitzendem

Das Arbeitsgericht Lüneburg hat der fristlosen Entlassung(öffnet im neuen Fenster) des Betriebsratsvorsitzenden bei Amazon im niedersächsischen Winsen an der Luhe zugestimmt. Amazon warf dem Betriebsratsvorsitzenden Detlev Börs vor, im November 2022 nur zum Teil an einem Fortbildungskongress teilgenommen zu haben. Das Gericht erkannte darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, urteilte das Arbeitsgericht am Mittwoch(öffnet im neuen Fenster) .
Amazon warf dem Betriebsratsvorsitzenden vor, nur am ersten Tag des mehrtägigen Kongresses teilgenommen zu haben und stattdessen privaten Angelegenheiten nachgegangen zu sein. Außerdem sieht das Gericht den dringenden Verdacht, Börs habe in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht. Nach eigenen Angaben verrichtete der Betriebsratsvorsitzende seine Arbeit mobil.
Die Gewerkschaft Verdi sieht in dem Prozess System. Neben dem Amazon-Standort Winsen/Luhe kämpfen aktuell Betriebsratsmitglieder auch in Achim und Wunstorf um ihren Arbeitsplatz. Laut einem Verdi-Sprecher sind in allen Fällen gewerkschaftsnahe Betriebsratsmitglieder betroffen. Die Gewerkschafter vermuten, dass Amazon gezielt kritische Mitarbeiter in seinen Betriebsräten durch loyale Mitarbeiter ersetzen möchte.
Erst zum Wochenanfang hatte Verdi die Belegschaft des Standortes Winsen zum Streik aufgerufen(öffnet im neuen Fenster) . Dabei ging es nicht um die Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden, sondern um die Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels. Amazon-Logistikarbeiter waren in der Vergangenheit auch in Winsen immer wieder dafür in den Streik getreten .
Weil für Betriebsräte ein besonderer Kündigungsschutz gilt, muss der Rat der Kündigung des Leiters zustimmen. Nachdem dieser das nicht tat, erstritt Amazon die Zustimmung vor Gericht. Börs kann noch den Weg zum Landesarbeitsgericht gehen und sagte: "Ja, das werde ich tun."
Die Gewerkschaft Verdi vermutet(öffnet im neuen Fenster) hinter der Kündigung ein System. Auch an Standorten in Achim und Wunstorf geht es gerade um die Arbeitsplätze - laut einem Sprecher der Gewerkschaft sind in allen Fällen gewerkschaftsnahe Betriebsratsmitglieder betroffen. Amazon wolle gezielt kritische Mitarbeiter in seinen Betriebsräten ersetzen, so der Vorwurf. "Amazon schickt bei jeder Betriebsratswahl eigene Leute ins Rennen, arbeitgebernahe Manager und Führungskräfte" , erklärte Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für Amazon in Niedersachsen. "Amazon respektiert und achtet alle geltenden Rechte der Gewerkschaft. Für Amazon sind die Betriebsräte die wichtigsten Betriebspartner" , schrieb der Konzern in einer Reaktion auf die Vorwürfe.



