Valorant angespielt: Riot Games nimmt Counter-Strike ins Visier

So einen Anspieltermin wie bei Valorant haben wir noch nicht erlebt. Eigentlich sollte der Onlineshooter von Riot Games bei Veranstaltungen in aller Welt vorgestellt werden - die Presse aus Europa sollte in Barcelona ballern können. Stattdessen haben wir wegen der Corona-Pandemie ebenso wie mehrere Hundert andere Redakteure und Streamer (darunter Ninja) drei Tage und Nächte lang im Homeoffice probegespielt.
Den Client konnten wir auf unserem eigenen Rechner installieren. Dazu kamen Präsentationen und Gesprächsrunden mit den Entwicklern über Zoom (bevor die Sicherheitsprobleme bekannt wurden) und Discord.
Auf den ersten Blick mag das so klingen, als sei das alles schnell mal eingerichtet und durchgezogen. Aber wenn man sich mal klarmacht, was dafür alles an Passwörtern, Zugangsberechtigungen und Code über den Globus geschickt werden muss, wird einem klar: Wegen eines mittelwichtigen Spiels lohnt sich der Aufwand kaum.
Valorant ist sehr wichtig - jedenfalls für Riot Games. Das aus Kalifornien stammende Studio betreibt mit League of Legends (LoL) eines der erfolgreichsten und umsatzstärksten PC-Spiele. Auch wenn es keiner der Entwickler bei den Präsentationen aus seinem Homeoffice so direkt gesagt hat: LoL setzt den Maßstab, der langfristig auch für Valorant gilt.
Valorant ist ein Taktikshooter, der gefühlt in der Mitte zwischen Counter-Strike und Overwatch angesiedelt ist. Zwei Teams mit jeweils fünf Mitgliedern kämpfen gegeneinander, eines hat eher angreifende und das andere eher verteidigende Aufgaben.
Das Szenario greift das Thema Soldaten aus Counter-Strike auf, was unter anderem bei der Aufbereitung der Umgebungen und des Waffenarsenals spürbar ist. Dazu kommen übernatürliche Spezialfähigkeiten und ein paar weitere Fantasy-Elemente, die an Overwatch erinnern. Valorant wird Free-to-Play - auf die Kaufgegenstände und deren Preise konnten wir allerdings noch keinen Blick werfen.
Eigene Datenleitungen für schnelle Action
Die Entwickler haben uns in ihren Präsentationen gesagt, dass sie bei Valorant auch technisch neue Wege gehen. Eines der Alleinstellungsmerkmale des Shooters ist, dass er auch bei schlechter Onlineverbindung noch flüssig laufen soll, dass er neue Maßstäbe bei Trefferzonen und Schusspräzision bieten will und dass Cheater von Anfang an so wenig Chancen wie nur möglich bekommen.
Von diesen drei Punkten ist uns beim Anspielen die Sache mit der Schusspräzision mit Abstand am stärksten aufgefallen. Eigentlich muss man das selbst ausprobieren: Zumindest wir waren mit dem System etwa in Counter-Strike bisher zufrieden - wir kennen es aber auch nicht anders. Bei Valorant haben wir aber wirklich den Eindruck, dass unsere Kugeln ohne Verfälschungen, Ablenkungen oder Verzögerungen genau dort landen, wohin wir gezielt haben.

Der Unterschied ist vor allem dann spürbar, wenn man anschließend wieder eines der aktuell verfügbaren Games spielt,und dort eben nicht die gleiche Präzision vorfindet. Das Ganze ist mehr als nur clever programmierte Software: Riot Games baut weltweit ein eigenes Netz aus Backbones mit sehr schnellen Servern auf - nicht nur Valorant, sondern auch League of Legends sollen dadurch mit konkurrenzlos niedrigen Latenzen laufen.
Die Präzisionsschüsse haben uns Spaß gemacht. Sie sorgen aber auch dafür, dass sich Valorant schnell spielt und an Fortgeschrittene richtet. Wer mal einen Augenblick nicht aufpasst oder zu langsam reagiert, fängt eine Kugel und darf bis zum Ende der Partie zuschauen.
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Neben dem eigenen Netz sorgen weitere Maßnahmen dafür, dass das Tempo hoch ist. Nur exemplarisch: Für die Bewegungen kommt eine Technologie namens Movement Upsampling zum Einsatz, bei der der Server weitgehende Kontrolle hat. Das bedeutet unter anderem, dass ein einzelner Spieler mit einer schlechten Verbindung nicht die Partie der anderen ruiniert. Aussetzer oder Gummibandeffekte soll es gar nicht geben - uns ist Derartiges tatsächlich nicht aufgefallen.
Die Entwickler achten beim Leveldesign darauf, dass die Figuren sich vor allen Umgebungen deutlich abheben und dadurch immer ähnlich gut sichtbar sind. Das führt übrigens auch zu den wie in Counter-Strike eher etwas heller gehaltenen Maps.
Anti-Cheat-System mit Hardwarezugriff
Diskussionen innerhalb der Community gibt es vermutlich noch über das Anti-Cheat-System. Ein Teil davon ist harmlos: Valorant verwendet unter anderem serverseitig ein maschinenlernbasiertes System zum Erkennen von Bots. Außerdem lassen sich laut Aussagen der Entwickler Wallhacks und Ahnliches ebenfalls serverseitig von vornherein verhindern.
Nicht so gut bei der Community dürfte die Anti-Cheat-Software namens Vanguard ankommen, weil die sich in den Windows-Kernel einklinkt - weshalb auch wir nach der Installation des Spiels unseren Rechner neu booten mussten. Weitere Details über das System haben wir nicht, es ist allerdings schon etwas länger auch für League of Legends angekündigt.
Am Rande der Präsentation hat Riot Games übrigens auch das Wort Hardware-Banns ausgesprochen, also dauerhafte Sperren für die Rechner - nicht Nutzerkonten - von tatsächlichen oder mutmaßlichen Cheatern. Ob das wirklich geplant ist, ist uns aber nicht ganz klar.
Komplexe Spezialfähigkeiten
Auch jenseits der Präzisionsschüsse ist Valorant anspruchsvoll. Deshalb haben wir es auch nicht geschafft, in den drei Tagen des Anspielens wirklich die Spezialfähigkeiten der Helden zu verstehen. Vor allem, wie diese miteinander interagieren und gekontert werden, ist uns in der dann doch zu kurzen Zeit nicht in vollem Umfang klargeworden. Allerdings haben wir den Eindruck, dass das ganz gut ist: Offenbar gibt es viel zu entdecken und zu verfeinern.
Derzeit sind neun Helden geplant. Da ist der bärbeißige Brimstone, der als ultimative Fähigkeit einen Luftschlag heraufbeschwören kann. Oder die asiatisch anmutende Agentin Jett, die in Kung-Fu-Manier große Sprünge durch das Level machen kann, sowie Viper, eine Scharfschützin mit allerlei giftigen Chemikalien.
Beim Anspielen haben wir wie die meisten anderen Spieler vor allem das konventionelle Kriegsgerät verwendet, also die ähnlich wie in Counter-Strike freischaltbaren Schrotflinten, Maschinenpistolen und Scharfschützengewehre. Das Gunplay fanden wir exzellent, die Waffen fühlen sich prima an - sie haben genau den richtigen Wumms, die Kontrolle ist erstklassig und alles wirkt mehr oder weniger auf Anhieb vertraut.








Nach ein paar Stunden haben wir gemerkt, dass uns Schleichen in Valorant Spaß macht. Sobald wir die entsprechende Taste drücken, sind wir nahezu lautlos unterwegs - die Standardschritte beim Laufen finden wir übrigens nervend laut. Beim Schleichen ist es einfacher, einen Gegner von hinten anzugreifen oder unbemerkt in die feindliche Basis zu gelangen. Allerdings haben die Feinde viele Möglichkeiten, uns trotzdem zu entdecken: etwa mit Sonden, mit denen sie durch Wände blicken können.
Beim Hands on hat uns Valorant gut gefallen. Allerdings haben wir noch nicht das Gefühl, die durchaus komplexen Spielmechaniken wirklich durchdrungen zu haben. Deshalb sind wir gespannt auf die finale Version, für die noch kein Erscheinungstermin vorliegt - vermutlich ist es irgendwann im Sommer so weit. Ab dem 7. April 2020 soll unter anderem mit europäischen Spielern ein geschlossener Betatest stattfinden, Anmeldungen sind über die offizielle Webseite(öffnet im neuen Fenster) möglich.



