User Experience: "Der Nutzer muss jederzeit Fehler machen dürfen "

Silent Hunter Online, Anno Online und das seit 2010 im Netz verfügbare Die Siedler Online sind einige der Spiele von Blue Byte(öffnet im neuen Fenster) . Bei dem Entwicklerstudio aus Düsseldorf ist Jochen Peketz als Manager des Games Lab für die User Experience zuständig - also dafür, dass der Nutzer die Programme versteht und den Umgang mit ihnen als angenehm empfindet. Auf der GDC Europe 2013 spricht Peketz in einem Vortrag über das Thema Developing Better Games by Optimizing the User Experience(öffnet im neuen Fenster) .
Golem.de: Was verstehen Sie unter User Experience, in Abgrenzung etwa zum User Interface?
Jochen Peketz: User Experience ist die komplette Erfahrung im Umgang mit einem Produkt, in unserem Fall natürlich dem Spiel. Gerade im Gaming-Umfeld umfasst das aber nicht nur das User Interface, also die Benutzeroberfläche im Spiel, sondern kann sich auch auf Website, Forum und die Accountverwaltung erweitern lassen. Im Idealfall sollte all dies nahtlos ineinandergreifen. Es sollte also die gleiche Bildsprache, das gleiche Bedienkonzept, aber auch die gleiche Stimmung erhalten bleiben.
Golem.de: Auf welche Details achten Sie, wenn sie bei einem Spiel zu einer Beurteilung der User Experience kommen wollen?
Peketz: Alles, was den Spieler verärgert oder nachdenken lässt, beeinflusst die User Experience negativ. Die wichtigsten Prämissen sind Konsistenz und Standards. Man muss nicht das Rad neu erfinden, wenn es vorher schon gut gemacht wurde. Wenn mir jemand einen Shooter vorlegen würde, der die "WASD + Maus"-Steuerung revolutioniert, muss er erstens einen verdammt guten Grund haben und dann auch in einer Menge Tests beweisen, dass es funktioniert. Ohne User Feedback erreicht man keine gute Nutzererfahrung.
Golem.de: Gibt es im Bereich der User Experience so etwas wie Trends?
Peketz: Der neueste Trend kommt wohl aus dem Touch-Umfeld, dabei geht es um die Vereinfachung und Fokussierung auf klarere Formen und Icons. Hier greifen User Interface und User Experience selbstverständlich ineinander. Metro hat damit angefangen, und iOS 7 geht in dieselbe Richtung. Auch bei einigen Spielen ist der Trend durchaus schon zu beobachten. Wenn man Magic 2013 und Magic 2014 (iOS) vergleicht, kann man sehen, dass auch im Fantasy-Umfeld, welches eher für seine Verspieltheit bei der Nutzerführung bekannt ist, dieser Trend verfolgt wird, wenn auch in Maßen.
'Fehler des Spielers müssen jederzeit angemessen behandelt werden'
Golem.de: Was sind die schlimmsten Fehler, die bei der User Experience von Spielen immer wieder gemacht werden?
Peketz: Inkonsistenz beispielsweise würde einen Spieler sehr verwirren. Wenn er in einem Jump-and-Run niemals eine bestimmte Distanz überspringen kann, dann aber auf einmal ein Level nur lösen kann, wenn er dies tut. Dies wäre kein Problem, wenn neue Fähigkeiten eine geänderte Distanz nahelegen. Sollten aber keine für den Spieler ersichtlichen Änderungen der Mechanik vorgenommen worden sein, ist das problematisch.
Abweichung von genrespezifischen Standards ohne ersichtlichen und belegbaren Grund ist ein Problem. Beispielsweise werden bei Point-and-Click-Adventures die primären Aktionen immer mit der linken Maustaste ausgelöst. Daran sollte man sich als Entwickler halten.
Schwierig finde ich auch fehlendes Error-Handling: Fehler des Spielers müssen jederzeit angemessen behandelt werden. Das heißt, dass der User jederzeit Fehler machen darf. Sobald ein Fehler passiert, muss klar erkennbar sein, dass dies ein Problem ist. Er muss dann jederzeit in den normalen Spielfluss zurückfinden können. Beispiel ist, wenn bei Rennspielen wie Ridge Racer das Auto auf die Strecke zurückgesetzt wird, nachdem diese verlassen wurde.
Golem.de: Was sind die einfachsten drei Sachen, die Entwickler ohne großen Aufwand verbessern können?
Peketz: Don't make me think! Einfach diesen Leitsatz von Steve Krug sollten Entwickler bei allem, was sie tun, im Hinterkopf haben. Denken soll in dem Fall nicht der User. Dabei geht es natürlich nicht um spannende Aufgaben oder Herausforderungen, die wir natürlich im Spiel haben wollen, sondern um die Bedienung.
Konsistenz ist wichtig, also das regelmäßige Überprüfen, ob Buttonpositionen, Verhalten, Lettering und so weiter gleich sind. Und wenn man das überprüft hat, am besten direkt noch mal durch eine andere Person durchführen lassen.
Prägnante Texte spielen eine große Rolle. Stephen King hat mal gesagt: "Kürze den Text um die Hälfte, dann hat er die richtige Länge - um ihn nochmals um die Hälfte zu kürzen."
Golem.de: Wird die User Experience in der Spielebranche ausreichend berücksichtigt?
Peketz: Man sollte sie in der Gamesbranche noch ernster nehmen! Im besten Fall spart man Geld und hält Kunden. Das Ganze ist ja kein esoterisches Konzept, sondern vielfach erprobt in jedem Umfeld von Mercedes Benz bis hin zu Apple.



