USA: Googles Politik des leeren Stuhls
Der US-Senat hatte Facebook, Twitter und Google zu einer Anhörung eingeladen. Doch von der Suchmaschinenfirma erschien: niemand. Das könnte ein Fehler gewesen sein.

Manchmal haben Abwesende bei einer Veranstaltung eine größere Präsenz als Anwesende. So war es nun auch bei der vierten Senatsanhörung bezüglich der von Russland ausgehenden Einflusskampagne auf die US-Wahl 2016. Der US-Senat hatte Vertreter dreier großer Techunternehmen zur Befragung eingeladen, Verantwortliche von Facebook, Twitter und Google. Doch ein Stuhl blieb leer: der von Google.
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- Was bringt das Fernbleiben?
"Ich bin tief enttäuscht, dass Google, einer der wichtigsten Techkonzerne, niemanden aus der Führungsriege geschickt hat", sagte Mark Warner, demokratischer Senator und stellvertretender Vorsitzender des Senate Intelligence Committee, des Ausschusses, der über die US-Nachrichtendienste wacht. "Lassen Sie mich gleich zu Beginn meine Entrüstung darüber zum Ausdruck bringen, dass Ihr Pendant nicht erschienen ist", sagte die republikanische Senatorin Susan Collins in Richtung der erschienenen Manager, Twitter-CEO Jack Dorsey und Sheryl Sandberg, Chief Operating Officer von Facebook und hinter Mark Zuckerberg die Nummer zwei in der Hierarchie des Social-Media-Unternehmens.
Die demokratische Senatorin Kamala Harris schließlich begrüßte die nicht anwesenden Google-Manager sarkastisch mit den Worten: "Den unsichtbaren Zeugen: Guten Morgen!" Und so war Google präsent, obwohl das Unternehmen eigentlich gar nicht präsent war. In Zeiten extremer Polarisierung in den USA von beiden politischen Seiten, Vertretern der Republikaner wie der Demokraten, derart kritisiert zu werden: Das ist schon für sich genommen eine Leistung.
Ein Jurist ist nicht genug
Zwar hatte Google angeboten, einen Unternehmensvertreter zur Anhörung zu schicken: Kent Walker, den Chefjuristen der Techfirma. Den kennt der US-Senat schon aus einer Anhörung von 2017, damals hatten auch die anderen Silicon-Valley-Firmen lediglich ihre Anwälte entsandt. Doch dieses Mal wollten die Politikerinnen und Politiker mit den Firmenchefs sprechen, im Fall von Google mit Sundar Pichai, Chef des Suchmaschinenunternehmens, oder mit Larry Page, dem CEO der Google-Mutter Alphabet. Jurist Walker soll dem Ausschussvorsitzenden Richard Burr nicht hochrangig genug gewesen sein. Sowohl Pichai als auch Page blieben der Anhörung fern, selbst nachdem der US-Senat die Entsendung Walkers abgelehnt hatte.
Warum sich die Unternehmensvertreter gegen die Anwesenheit entschieden, darüber ließe sich einstweilen nur spekulieren. Fakt ist, dass sich Twitter-Chef Dorsey und Facebook-Managerin Sandberg kritischen Fragen stellen mussten. Danach zum Beispiel, wie sie den Schutz der Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer künftig besser garantieren wollen; wie sie potenzielle Einflussnahmeversuche auf die Meinungsbildung der US-Bevölkerung etwa durch Mächte wie Russland zu verhindern gedenken und ebenso die Verbreitung von Fake-News und das Erstellen von Fake-Accounts auf den eigenen Plattformen. Gegen Google hingegen konnten die Senatorinnen und Senatoren nur ein bisschen sticheln. Sie konnten etwa den neuerlichen Versuch der Firma verteufeln, in China Fuß zu fassen: Das kritisierten der Demokrat Joe Manchin und der Republikaner Tom Cotton. Fragen stellen konnten sie nicht: Wie zum Beispiel der Google-Algorithmus mit Fake-News umgeht, ob Google Geld von Firmen für Anzeigen erhalten hat, die unwahre Behauptungen verbreiteten, ob es gezielte E-Mail-Kampagnen über Gmail-Konten gab.
Im Prinzip passt das Fernbleiben zu der Strategie, die das Unternehmen seit den ersten Enthüllungen zu einer möglichen Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler bei der US-Wahl 2016 zu verfolgen scheint: bloß nicht ins Scheinwerferlicht geraten. Als Facebook immer stärker in die Kritik geriet wegen Fake-News, gezielten Werbeanzeigen, Cambridge Analytica, blieb Google, abgesehen von der einen Entsendung des Hausjuristen zu der früheren Anhörung vor dem US-Senat, größtenteils still. Man kann es dem Unternehmen nicht verdenken - warum sich freiwillig in den Fokus der Öffentlichkeit begeben, wenn man nicht muss?
Doch das Fehlen bei einer derartigen Anhörung des US-Senats ist mehr als nur der Versuch, kritischen Fragen aus dem Weg zu gehen: Es ist eine kleine Machtdemonstration des US-Unternehmens. Vertreter der Firma, die die meistbenutzte Suchmaschine der Welt betreibt, halten es offenbar nicht für notwendig, sich öffentlich zu äußern. Das Prinzip erinnert an die Politik des leeren Stuhls, die Frankreich Mitte der Sechzigerjahre betrieb: Die französische Regierung schickte damals über Monate keinen Vertreter zu den Ratssitzungen der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und verdeutlichte so Bedeutung und Einfluss des eigenen Landes. Das Fehlen von Google bei der Senatsanhörung sendet nun ein ähnliches Signal an die amerikanische Politik: Ihr könnt zwar eure Empörung äußern, aber wenn wir nicht mit euch reden wollen, dann reden wir halt nicht mit euch.
Eine öffentliche Auseinandersetzung weiter zu vermeiden, das könnte aber langfristig ein strategischer Fehler sein. Denn der Senat hat durchaus eine rechtliche Handhabe gegen die Google-Führungsriege. Hätte der Ausschussvorsitzende Burr eine Vorladung an Page oder Pichai geschickt, wäre diese bindend gewesen. Nur weil Burr diese Möglichkeit nicht ergriffen hat, heißt das nicht, dass er sie nicht in Zukunft erwägen wird. Es würde nicht gut aussehen, müsste Google geradezu gezwungen werden, vor dem Senat zu erscheinen.
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