US-Wahlkampf: Elon Musk dreht durch

Es ist kein schöner Anblick, die Radikalisierung des reichsten Mannes der Welt live mitverfolgen zu können. Seit sich Elon Musk dazu entschieden hat, den Wahlkampf des früheren US-Präsidenten Donald Trump zu unterstützen , sind seine Beiträge und Retweets auf seiner Plattform X noch schriller und abstruser geworden. Doch weil Politik und Justiz dem Treiben nicht länger tatenlos zusehen wollen, schießt Musk immer schärfer gegen ihm unliebsame Personen. Ein Teufelskreis, der sich in den kommenden Monaten weiterdrehen dürfte.
Vorläufiger Höhepunkt der Entwicklung ist der Streit mit der brasilianischen Justiz, der zur Sperrung von X in dem südamerikanischen Land führte. Weil sich der Kurznachrichtendienst weigerte, gesetzliche Vorgaben umzusetzen, ordnete Richter Alexandre de Moraes vom Obersten Bundesgericht die Blockade von X an . Inzwischen bestätigte der Erste Senat des Obersten Gerichtshofs die Entscheidung(öffnet im neuen Fenster) .
Richter als "Krimineller" und "Diktator" verunglimpft
Richter Flávio Dino sagte zur Begründung: "Wirtschaftliche Macht und die Höhe eines Bankkontos führen nicht zu einer bizarren Immunität von der Gerichtsbarkeit." Ebenfalls bestätigte das Gericht die Geldbuße von umgerechnet gut 8.000 Euro pro Tag für die Umgehung der Blockade durch VPN-Anbieter.
Trotz dieser Bestätigung schießt Musk weiterhin gegen de Moraes, den er als "Kriminellen"(öffnet im neuen Fenster) bezeichnet oder " als bösen Diktator Moraes(öffnet im neuen Fenster) " beschimpft. Zuletzt drohte Musk sogar damit, die Beschlagnahme von Vermögen der brasilianischen Regierung anzustreben, wenn das beschlagnahmte Eigentum von X und seinem Raketenunternehmen SpaceX nicht zurückgegeben werde. Das Oberste Bundesgericht bezeichnete er (öffnet im neuen Fenster) als " Farce" . Moraes sei "der Diktator Brasiliens" .
Zweifellos: Für Musk steht in den kommenden Wochen viel auf dem Spiel. Er setzt voll auf die Karte Donald Trump und hofft sogar darauf, in einer künftigen Trump-Regierung eine wichtige Rolle spielen zu können. Einem Bericht der Washington Post zufolge(öffnet im neuen Fenster) diskutiert Trump die Einsetzung einer Kommission unter der Leitung prominenter Wirtschaftsvertreter, die den Haushalt der Regierung durchforsten soll, um Tausende von Programmen zu finden, die gestrichen werden können. Vor allem Musk könnte persönlich stark von diesem Vorhaben profitieren, heißt es.
Kein Zufall, dass Musk den Bericht mit den Worten kommentierte(öffnet im neuen Fenster) : "Ich kann es kaum erwarten. Es gibt eine Menge Verschwendung und unnötige Vorschriften in der Regierung, die abgeschafft werden müssen." Doch um in diese Position zu kommen, muss er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, dass sein Kandidat die Wahl im November 2024 gewinnt.
Dafür schreckt er selbst vor absurden Beiträgen nicht mehr zurück.
Harris als kommunistische Diktatorin
So veröffentlichte er selbst(öffnet im neuen Fenster) ein KI-generiertes Bild der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in einer roten Fantasieuniform mit Hammer-und-Sichel-Mütze und schrieb dazu: "Kamala schwört, am ersten Tag eine kommunistische Diktatorin zu sein. Kannst Du glauben, dass sie diese Kleidung trägt!?" Das ist im Vergleich mit der früheren Verbreitung eines gefakten Videos durch Musk noch eine Steigerung.
In Anspielung auf die Vorgänge in Brasilien schrieb er(öffnet im neuen Fenster) zudem: "Der falsche Richter zwingt Apple und Google, X aus ihren App-Stores zu entfernen." Das werde auch "hier passieren, wenn Kamala gewählt wird" . Selbst wenn Harris für eine schärfere Regulierung von Plattformen eintritt, scheint ein solches Vorgehen eher unwahrscheinlich.
Sexistische Beiträge retweetet
Kaum anders zu erwarten war die Tatsache, dass Musk die Panne bei der Berechnung der Sitzzuteilung in Sachsen aufgreifen würde. Dazu retweetete er einen Beitrag der Klimawandelleugnerin Naomi Seibt und kommentierte ihn mit den Worten(öffnet im neuen Fenster) : "Ist das zulässig? Softwarefehler klingt merkwürdig."
Keine Verschwörungstheorie oder Meinung ist inzwischen abwegig genug, um von Musk nicht aufgegriffen und retweetet zu werden. Frauen sind generell unfähig zu kritischem Denken? - Für Musk(öffnet im neuen Fenster) eine "interessante Beobachtung" . EU-Digitalkommissar Thierry Breton wies Musk daher Mitte August(öffnet im neuen Fenster) auf die Vorgaben des Digitale-Dienste-Gesetzes (DSA) hin, die X erfüllen müsse. Das betreffe auch die Bekämpfung von Desinformation.
Wo soll das enden?
Doch genau solche Hinweise dürften Musks Radikalisierung noch weiter befeuern. Er sieht sich als einer der letzten aufrechten Verfechter der freien Meinungsäußerung gegen die Diktatur der Wokeness. Ob er damit rassistische Ausschreitungen wie zuletzt in Großbritannien befeuert , ist ihm egal. Ob er damit gegen Gesetze in Staaten verstößt, die einen von ihm unterstützten Politiker wie Jair Bolsonaro abgewählt haben, stört ihn ebenfalls nicht.
Es ist leider zu befürchten, dass diese Eskalationsspirale sich in den kommenden Monaten noch weiter drehen wird. Musk dürfte die Grenzen der Meinungsfreiheit weiter ausreizen, um sich und Trump als die Bewahrer dieser missbrauchten Freiheit und Macht zu inszenieren. Schreiten Regierungen wie in Brasilien dagegen ein, können er und seine Anhänger ihre Warnung bestätigt sehen und sich weiter radikalisieren. Noch gefährlicher könnte es werden, wenn Trump die Wahl verliert und das wieder nicht akzeptieren wird.
Für den demokratischen Diskurs ist das keine gute Perspektive. "Ein größeres Publikum bedeutet auch eine größere Verantwortung" , schrieb Breton an Musk. Doch das dürfte für den Milliardär keine Rolle spielen. Je größer die Wahrscheinlichkeit wird, dass Harris die Wahl gewinnt, desto mehr dürfte Musk durchdrehen.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).



