US-Militär: Kernkraft im Weltall von Vernunft bis möglichem Betrug

Warum finanziert die US-Regierung eine Firma, die offensichtlich nicht liefern kann, was sie verspricht? Zwei Firmen sollen bis 2027 einen Satelliten mit Prototypen einer nuklearen Stromversorgung starten. Die Verträge dafür(öffnet im neuen Fenster) stammen von der Defence Innovation Unit des US-Verteidigungsministeriums. Sie gingen an Avalanche Energy,(öffnet im neuen Fenster) für ein Kernfusionsreaktor namens "Orbitron" , und an Ultra Safe Nuclear(öffnet im neuen Fenster) für eine Radioisotopenbatterie namens "Ember Core" , die ein Nebenprodukt der Kernreaktorentwicklung der Firma ist.
Beim Orbitron handelt es sich um eine Abwandlung eines Bussard Fusors (auch: Polywell)(öffnet im neuen Fenster) , mit einem Magnetfeld zusätzlich zu dem üblichen Elektrostatischen Feld. Bussard Fusoren werden sogar als Hobby gebaut,(öffnet im neuen Fenster) weil sie in kleinem Maßstab messbare Kernfusion erzeugen können. Es gibt aber keinen Anlass davon auszugehen, dass das Gerät irgendeinen Überschuss an Energie aus Kernfusion erzeugen kann.
Der Firmengründer, Robin Langtry der Dritte,(öffnet im neuen Fenster) war laut seinem LinkedIn-Profil zuletzt Aerodynamiker bei Blue Origin und zuvor bei Boeing, worauf ein Reddit-Poster hinwies.(öffnet im neuen Fenster) Die Firma erweckt den Eindruck eines Betrugs oder Selbstbetrugs. Es ist schwer zu erklären, warum eine Abteilung des US-Verteidigungsministeriums diese Firma ohne jeden Nachweis einer physikalischen Grundlage finanziert. Zumal die Technik auf der Erde genauso gut wie im Weltraum funktioniert und ein Prototyp im Weltall keine neuen Erkenntnisse bringt.
Ember Core ist eine pragmatische Lösung
Ember Core(öffnet im neuen Fenster) ist wesentlich vielversprechender. Die Firma Ultra Safe Nuclear Corporation (USNC) entwickelt Hochtemperaturreaktoren mit besonders niedriger Leistungsdichte für kleine unterirdische Kernkraftwerke und mit besonders hoher Leistungsdichte für nukleare Raketentriebwerke, inklusive der dafür notwendigen Brennelemente. Dabei hat sie notwendigerweise viel Erfahrung im Umgang mit radioaktivem Material und der Bestrahlung von Materialproben in Forschungsreaktoren mit hohen Neutronenflussdichten gesammelt. Ember Core scheint auf dieser Erfahrung aufzubauen.
Beim Aufbau handelt es sich um eine weitgehend konventionelle Radioisotopenbatterie, in der Wärme durch radioaktiven Zerfall entsteht und anschließend in Strom umgewandelt wird. Unkonventionell sind dagegen zusätzliche Schutzschichten in der Kapsel zur Absorption von Röntgen- und Gammastrahlung, die in Radioisotopenbatterien mit Plutonium-238 nicht notwendig sind. Der zusätzliche Schutz macht die Verwendung anderer radioaktiver Elemente als Wärmequellen möglich.
Es ist ein pragmatisches Konzept und eine dritte Möglichkeit, den aufwändigen, teuren und langsamen Prozess der Erzeugung von Plutonium-238 zu umgehen. Golem.de hat bereits darüber berichtet, wie die Esa versucht, Plutonium-238 durch Americium-241 zu ersetzen und die Nasa schon länger die Entwicklung kleiner Kernreaktoren für Raumsonden unterstützt. Ember Core hat demgegenüber vor allem Vorteile in Aufwand und Kosten, aber Nachteile im Gewicht.
Aus dem Reaktor direkt in die Batterie
Statt in einem aufwändigen Verfahren möglichst reines Plutonium-238 herzustellen, werden von USNC schlicht Kapseln mit vorher ausgesuchten Stoffen in Kernreaktoren mit Neutronen bestrahlt, aus dem Kernreaktor entnommen und ohne weitere Aufarbeitung als Strahlungsquelle benutzt. Je nach Bestrahlungsdauer und -intensität entstehen unterschiedlich starke Strahlungsquellen. Die Halbwertszeit hängt dagegen hauptsächlich von den vorher ausgewählten Stoffen ab.
Das Weglassen der chemischen Aufarbeitung der Proben bedeutet, dass keine Strahlungsquellen aus reinen Stoffen erzeugt werden können und auch, dass die maximale Konzentration an Radioisotopen begrenzt ist. Je nach notwendiger Leistung und Halbwertszeit wird die Strahlungsquelle also schwerer und zusammen mit dem notwendigen Strahlungsschild damit auch die Radioisotopenbatterie. Aber die vor allem durch SpaceX stark gesunkenen Startkosten von Raketen machen solche Kompromisse akzeptabel.
Ohne die chemischen Verarbeitungsschritte können die Strahlungsquellen sehr viel einfacher und flexibler erzeugt werden. Sie werden nur in den Reaktor eingebracht, herausgezogen und strahlungssicher verpackt. Es gibt wesentlich weniger Arbeitsschritte, die radioaktives Material freisetzen und Menschen einer gefährlichen Strahlungsdosis aussetzen können. Das Verfahren ist dadurch leichter zu genehmigen, schneller und in größerem Maßstab durchführbar und sollte deutliche Kosteneinsparungen mit sich bringen. Die Firma hat bereits 2021 einen Vertrag zur Bestrahlung von Proben abgeschlossen.(öffnet im neuen Fenster)
Ein Test der Technik im Erdorbit ist bedenklich
USNC sagt derzeit nicht, welche Ausgangsstoffe verwendet und Leistungsdichten und Halbwertszeiten erreicht werden. Die Gesamtleistung soll je nach Bedarf von Milliwatt bis in den Kilowattbereich gewählt werden können. Wenn die Radioisotopenbatterie nicht als reine Wärmequelle, sondern als Stromquelle dienen soll, muss die entstandene Wärme umgewandelt werden. In der Raumfahrt sind dafür Thermoelemente durch Nutzung des Seebeck-Effekts üblich, aber auch Stirlingmotoren wurden bereits für diesen Zweck entwickelt, Thermophotovoltaik ist mit ausreichend hohen Temperaturen auch möglich.
Anwendungszwecke sieht USNC als Wärmequelle während der 14-tägigen Mondnacht und als Stromquelle für Raumsonden. Eine Abwandlung der gleichen Technik soll den Einsatz als Strahlungsquelle möglich machen, wie es beispielsweise bei der Krebsbehandlung üblich ist. Dazu wird die Abschirmung gezielt geöffnet.
Bedenklich ist allerdings, dass die Technik nach DIU-Angaben an Bord von Satelliten getestet werden soll, also im Erdorbit. In den USA wurden seit den 1960er Jahren keine Satelliten mehr Radioisotopenbatterien ausgestattet, weil sich Photovoltaik dort als zuverlässige und überlegene Technik der Stromversorgung bewiesen hat. Auch wenn die Kapseln den Absturz auf die Erde überstehen können müssen, wurden Radioisotopenbatterien seitdem ausschließlich für Missionen jenseits des Erdorbits verwendet.



