Urheberrrecht: Warum aus #NieMehrCDU #NichtMehrEU werden könnte
Der Streit um die EU-Urheberrechtsreform ist für viele Europaabgeordnete ein Kampf zwischen der europäischen Kultur und den "barbarischen" IT-Konzernen aus den USA. Viele junge Menschen können das nicht nachvollziehen und sehen ihre Interessen und ihre eigene Kultur völlig ignoriert.

Selbst internetaffine Europaabgeordnete können in der hitzigen Debatte um Uploadfilter und Leistungsschutzrecht noch überrascht werden. "Ok. Wait. What? Ihr habt meine Rede zu Artikel13, Artikel11, Uploadfilter, MobGate und Artikel13Demo 637.000-mal angeschaut? Das ist verrückt. Danke für euren Support, bots!", twitterte der SPD-Politiker Tiemo Wölken am vergangenen Samstag hoch erfreut. Dass seine fünfminütige Rede im EU-Rechtsausschuss inzwischen fast 800.000-mal angeklickt wurde, macht deutlich, wie stark die Youtuber-Szene bei diesem Thema mobilisieren kann. Würde das Europaparlament Ende März der Reform endgültig zustimmen, könnte das die etablierten Parteien bei den Europawahlen im Mai vor allem bei jungen Wählern viele Stimmen kosten. Ein wahrer Kulturkampf ist entbrannt.
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Doch nicht nur Wölkens Rede aus der Ausschusssitzung ist sehenswert. Die anderthalbstündige Debatte (Video ab 10:54) zeigte beispielhaft, warum die Verständigung zwischen den Positionen so schwierig ist und Kompromisse kaum zu finden sind. Der Graben verläuft nicht nur zwischen den sogenannten Digital Natives wie Julia Reda von der Piratenpartei und den Internetausdruckern wie Axel Voss von der CDU. Vor allem die französischen Abgeordneten wollen das Urheberrecht dazu nutzen, um die europäische Kultur gegen eine Übermacht der US-IT-Konzerne zu verteidigen. Der französische Front-National-Politiker Gilles Lebreton sprach von einem "Titanenkampf" zwischen den europäischen Urhebern und den GAFA, wie die US-Konzerne kurz genannt werden.
Die barbarischen IT-Konzerne
Doch er hat auch liberale und sozialistische Abgeordnete aus Frankreich auf seiner Seite. Die Franzosen verhalten sich derzeit wie Asterix und Obelix, die ihre gallische Kultur gegen die Invasoren verteidigen müssen. Nur dass die Feinde dieses Mal aus Übersee kommen und nicht SPQR in ihrem Banner stehen haben, sondern GAFA. "Das sind Barbaren", sagte der liberale Abgeordnete Jean-Marie Cavada, "sie verdienen ihr Geld mit Kinderpornografie, Kriminalität und dem Leugnen von Völkermord". Minutenlang wettert er gegen die Gratiskultur im Netz, die man den Jugendlichen wieder abgewöhnen müsse. Jede Kritik an der Reform interpretieren die Franzosen als Verrat an der europäischen Kultur.
Schon die Verwendung des Schlagwortes GAFA zeigt das Unverständnis vieler Abgeordneter beim Thema Internet. Denn die vier Buchstaben stehen für die Firmen Google, Apple, Facebook und Amazon. Doch welche der Unternehmen sind eigentlich von der Urheberrechtsreform betroffen? Apple sicher am wenigsten. Zumal das Unternehmen mit dem Start von iTunes die Musikindustrie nach dem Napster-Schock wieder gerettet hat. Amazon ist als Onlinemarktplatz explizit von den Haftungsbestimmungen des Artikel 13 ausgenommen.
Womit verdienen Google und Facebook ihr Geld?
Bleiben also die "digitalen Gangster" von Facebook und Google. Vor allem von Googles Firmentochter Youtube erhoffen sich Kreative eine höhere Beteiligung an den Einnahmen. Die Suchmaschine selbst soll über das Leistungsschutzrecht die Medien finanzieren. Doch es spricht leider nicht für Verfechter der Urheberrechtsreform, wenn sie stattdessen den Kulturkampf ausrufen und die Auffassung vertreten, die Geschäftsmodelle aller US-Konzerne saugten die europäischen Urheber aus und machten die Presse kaputt. Was stört es europäische Künstler, wenn Amazon mehr Geld mit seinen Clouddiensten verdient und Apple mehr iPhones verkauft?
Hinzu kommt: Einer Studie der EU-Kommission zufolge beschränken sich die Einnahmeverluste durch Urheberrechtsverletzungen vor allem auf Blockbuster-Filme. Aber kommen diese Filme nicht meistens aus den bösen USA? Doch selbst die Motion Picture Association (MPA), die die großen Filmstudios vertritt, ist inzwischen gegen die Reform.
Hinter den Vorwürfen an die bösen GAFA steckt ein weiteres Missverständnis. Anders als von den Verfechtern von Uploadfiltern und Leistungsschutzrecht behauptet, verdienen Google und Facebook ihr Geld nicht mit den Inhalten von Künstlern, sondern mit dem Verkauf personalisierter Werbung auf der Basis von Nutzerdaten. Der IT-Journalist Torsten Kleinz formulierte das Problem wie folgt: "Die Urheberrechts-Lobbyisten sagen: Da Google, Facebook und Co. von Informationen leben, kommen sie ohne unsere Infos nicht aus. Wir sitzen am längeren Hebel. Wie bei Amazon und New York City stellt sich heraus: nein." Die Einnahmen von Google sind laut Kleinz nicht so hoch, "weil sie so perfekt die besten journalistischen Produkte integriert haben, sondern weil Leute nach Bluetooth-Kopfhörern googeln und Kopfhörerhersteller die Gelegenheit ergreifen, dort zu annoncieren". Eine Pauschalabgabe für Online-Plattformen würde dieses Geschäftsmodell eher widerspiegeln als ein Lizenzierungszwang mit Uploadfilterpflicht.
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