Kritik an absoluten Bagatellgrenzen
Der Paragraf werde dazu führen, "dass Diensteanbieter ihre Geschäftstätigkeit mithilfe von Handlungen ihrer Nutzer zustimmungsfrei und außerhalb der Kontrolle der Rechteinhaber ausbauen können", schreiben BDZV und VDZ. Die vorgesehene Regelung werde "das ungleiche Kräfteverhältnis auf Kosten der Kreativen und der übrigen Rechteinhaber nicht nur zementieren, sondern vergrößern".
Nach Ansicht der Verlage stellt beispielsweise ein Textauszug mit 1.000 Zeichen einen wirtschaftlich erheblichen Teil einer Presseveröffentlichung dar, es sei "in vielen Fällen der halbe Artikel mit den wesentlichen Inhalten". Der Entwurf blende die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Journalisten und der Presseverleger "an dieser Stelle völlig aus".
Das sehen auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Initiative Urheberrecht in ihrer gemeinsamen Stellungnahme so. Die vorgesehenen Grenzwerte seien "nicht praxisgerecht", da sie "ausschließlich anhand absoluter Zahlen und gerade nicht anhand einer relativen Anknüpfung (bspw. über Prozentwerte als Obergrenze) erfolgt". So könnten journalistische Texte kürzer als 1.000 Zeichen sein und dennoch eigenständige Werke darstellen.
Musikindustrie befürchtet Lizenzverpflichtung
Die Fotoagentur Getty Images hält die Bagatellgrenze von 250 Kilobyte für Bilddateien für nicht akzeptabel. "Auch sehr kleine Bilddateien sind regelmäßig für die Nutzung auf Plattformen ausreichend. Die Plattformen komprimieren Bilder zudem ohnehin auf sehr geringe Formate", heißt es zur Begründung. Die Musikindustrie befürchtet durch die Ausnahmen eine "Lizenzverpflichtung für jeden Rechteinhaber", um sich vor den möglichen Schäden einer solchen Urheberrechtsschranke zu schützen.
Nach Einschätzung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist die geplante Bagatellschranke hingegen "uneingeschränkt zu begrüßen". Eine Stärkung der Rechtsposition der Nutzer sei "zwingend erforderlich, um die Akzeptanz der Urheberrechtsreform in ihrer Gänze zu erhöhen", heißt es in der Stellungnahme, die vom früheren Europaabgeordneten Felix Reda verantwortet wurde. Anders als Musikindustrie und Verlage hält die GFF die entsprechenden Einschränkungen des Urheberrechts für europarechtskonform.
Sind die Ausnahmen überhaupt zulässig?
Erstaunlicherweise sehen die Juristen von Google und Facebook dies anders als Reda. "Die Schaffung einer neuen Schrankenbestimmung dürfte auch Fragen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem EU-Recht aufwerfen", heißt es bei Google. Das soziale Netzwerk Facebook hegt in seiner Stellungnahme ausdrücklich "Bedenken gegen die Zulässigkeit solcher neuen Ausnahmen nach geltendem EU-Recht" und verweist auf das sogenannte Pelham-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2019. Demnach dürften die in der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 (Infosoc-Richtlinie) vorgesehenen Ausnahmen und Einschränkungen nicht von den Mitgliedstaaten ausgeweitet werden.
Sollten die Ausnahmen urheberrechtlich erlaubt sein, ist für Facebook wiederum nicht nachvollziehbar, warum Onlinedienste dafür zu pauschalen Zahlungen gezwungen sein sollen. Dadurch werde von den Diensten "faktisch verlangt, mit den Verwertungsgesellschaften Verträge abzuschließen". Das verstoße gegen die Vertragsfreiheit.
Ist Artikel 17 europarechtswidrig?
Die GFF schließt sich jedoch der Auffassung der Bundesregierung an, wonach die Ausnahmen zulässig sind. Dem Justizministerium zufolge konstituiert der zugrundeliegende Artikel 17 "ein neuartiges Rechtsregime sui generis für Diensteanbieter als Akteure neuen Typs". Dieses stehe als Spezialregelung neben den Maßgaben der Infosoc-Richtlinie.
Allerdings hält die GFF den Artikel 17 als solchen für unzulässig. Der Umsetzungsvorschlag des Ministeriums "kann die grundrechtlichen Einwände gegen die europäische Rechtsgrundlage nicht ausräumen", heißt es in der Stellungnahme. Denn trotz der Lizenzierungspflicht führe das geplante Gesetz zum Einsatz von Uploadfiltern. Das geht nach Einschätzung der GFF aus den Paragrafen 10 bis 12 hervor, die den Diensteanbieter verpflichten, auf Verlangen eines Rechteinhabers dessen Werk zu sperren.
Das könne "aufgrund der Menge der hochgeladenen Inhalte bei größeren Plattformen technisch nur durch Uploadfilter geprüft werden", schreibt die GFF. Besonders problematisch sei Paragraf 12. Demnach müssen Onlineanbieter alle Inhalte sperren oder entfernen, "wenn der vom Nutzer hochgeladene Inhalt zu mindestens 90 Prozent mit den vom Rechtsinhaber zur Verfügung gestellten Informationen übereinstimmt". Das Gesetz werde daher zur Einführung "unzulässiger, allgemeiner Überwachungspflichten" führen, die europarechtlich unzulässig seien.
Das sehen auch der IT-Branchenverband Eco und die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) so.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Ausdrücklicher Kontrahierungszwang gefordert | Uploadfilter unvermeidbar |
Selbst unter explizit GEMA-freien Liedern (und dazu muss man als Künstler erst einmal...
Da die Gema und Konsorten die Verwertungsschlüssel festlegen, werden die 10% die sich...
Irgendwie kann man die ganzen Parlamente in Europa auch mal auflösen, inzwischen landet...
Yep. WWE Wrestling kann bei 0.5 Sekunden Material erkennen ob das ihr Stream ist...