Untersuchung: Webshops vernachlässigen weiter Barrierefreiheit

Nur ein Fünftel der meistbesuchten Webshops in Deutschland ist teilweise barrierefrei. Dies ergab eine Studie, die am 2. Juli 2024 von Google, der Förderorganisation Aktion Mensch und der Stiftung Pfennigparade in Berlin vorgestellt wurde. Der Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verschlechtert. 2023 waren noch 25 Prozent der populären Webshops barrierefrei.
Die Hürden in den Onlineshops betreffen viele Menschen: In Deutschland leben 7,8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung, darunter sollen mehr als eine halbe Million blinde und sehbehinderte Menschen sein. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) geht jedoch von höheren Zahlen aus(öffnet im neuen Fenster) .
Für die Studie (öffnet im neuen Fenster) untersuchten Experten 71 besonders populäre Onlineshops. Ein wichtiges Ergebnis: Nur 15 Websites ließen sich über die Tastatur und somit ohne Maus bedienen. Die Tastaturbedienbarkeit ist aber für viele Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für barrierefreie Nutzung (g+). Zudem bieten die meisten getesteten Webseiten keinen sichtbaren Tastaturfokus. Dies erschwert es Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen, das aktuell ausgewählte Element zu erkennen.
Cookies als Barriere
Viele populäre Webshops arbeiten ohne deutliche Kontraste, was die Lesbarkeit von Texten und das Identifizieren wichtiger Symbole beeinträchtigt. Eine unlogische Tab-Reihenfolge erschwert es Nutzern mit Behinderung, durch die Onlineshops zu navigieren, sich über Produkte zu informieren und diese auszuwählen. Eingeblendete Inhalte wie Banner oder Cookie-Hinweiskästen verdecken oft den Hauptinhalt der Webseite und lassen sich nicht ohne Weiteres schließen.
Die Tests wurden von geschulten Testerinnen und Testern mit unterschiedlicher Beeinträchtigung durchgeführt und durch die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) fachlich begleitet.
Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch, sagte: "Es ist an der Zeit, digitale Barrieren abzubauen - zumal es in einem Jahr keine Ausreden mehr gibt." Viele Unternehmen nähmen in Kauf, potenzielle Kundinnen und Kunden auszuschließen, wenn sie ihre Webseiten nicht barrierefrei gestalten. "Es liegt also auch in ihrem eigenen Interesse, dies zu ändern. Denn von einem einfachen und komfortablen Zugang zu Webseiten profitieren alle" , sagte Marx.
Digitale Barrierefreiheit per Gesetz
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz(öffnet im neuen Fenster) (BFSG) tritt in zwölf Monaten in Kraft, am 28. Juni 2025. Die Anforderungen gelten dann nicht nur für Onlineshops, sondern auch für Computer und deren Betriebssysteme, Mobiltelefone, Tablets, Router, Spielekonsolen oder E-Book-Reader. Konkretere Vorgaben sind in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)(öffnet im neuen Fenster) zu finden, die zuletzt im Mai 2019 geändert wurde.
Die Verordnung verweist in Paragraf 3 wiederum auf die betreffenden EU-Normen, die einzuhalten sind. Nach Darstellung der Bundesregierung (öffnet im neuen Fenster) wird vermutet, " dass Websites und mobile Anwendungen barrierefrei sind, wenn die Anforderungen aus dem Standard EN 301 549(öffnet im neuen Fenster) in seiner jeweils verbindlichen Fassung eingehalten werden ". Dieser Standard wiederum verweist auf die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (engl.: Web Content Accessibility Guidelines/WCAG) des World Wide Web Consortium (W3C).
Die derzeit gültige Version WCAG 2.1(öffnet im neuen Fenster) enthält 78 Prüfkriterien der Kategorien A, AA, AAA, wobei laut Bundesregierung die 30 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe A und die 20 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe AA verbindlich einzuhalten sind. Die 28 Kriterien nach AAA sind nicht für alle Webinhalte relevant. Die vier Grundprinzipien der Barrierefreiheit lauten: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust.
Im Oktober 2023 veröffentlichte das W3C bereits die Version 2.2 der WCAG(öffnet im neuen Fenster) . Damit wurden neun neue Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A, AA und AAA eingeführt(öffnet im neuen Fenster) . Es ist davon auszugehen, dass die Normen künftig auf die WCAG 2.2 verweisen, so dass deren Anforderungen zu erfüllen sind.



