Unrechtmäßige Datenabfragen: Berliner Polizei muss Daten an Polizist herausgeben

Ein Polizist hat die Berliner Polizei wegen der Abfrage seiner privaten Daten durch Kollegen verklagt. Das Gerichtsurteil stärkt die Bürgerrechte.

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Polizisten fragen nicht nur Daten von Stars oder Privatpersonen unrechtmäßig ab, sondern greifen auch auf die Daten von Kollegen zu.
Polizisten fragen nicht nur Daten von Stars oder Privatpersonen unrechtmäßig ab, sondern greifen auch auf die Daten von Kollegen zu. (Bild: Alexas_Fotos/Pixabay)

Berliner Bürger können nun überprüfen, ob ihre Daten unrechtmäßig von der Polizei abgefragt wurden. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) nach einer Klage eines Polizisten entschieden, der gegen die Berliner Polizei geklagt hatte.

Laut dem Tagesspiegel (Paywall) waren der Klage und dem Urteil dienstrechtliche Auseinandersetzungen vorausgegangen. So erfuhr der Polizist, dass im Rahmen eines Disziplinarverfahrens seine Daten aus dem polizeilichen Informations- und Kommunikationssystem (Poliks) sowie im System des Einwohnermeldewesens abgefragt wurden. Es sollen also Daten abgefragt worden sein, die gar nichts mit dem Disziplinarverfahren zu tun hatten.

Daraufhin wollte der Polizist im März 2015 wissen, wer aus welchem Grund auf seine Daten zugegriffen hatte und stellte einen entsprechenden Antrag. Die Polizei habe die Protokolldaten ausgewertet und keine unbefugten Datenzugriffe gefunden, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Die Protokolldatenauswertung fragte der Polizist 2018 über eine Informationsfreiheitsanfrage an.

Die Anfrage und eine darauffolgende Beschwerde lehnte die Polizei mit der Begründung ab, dass durch die Akteneinsicht Namen, Dienstgrad und Dienststellen der Beamten, die die Daten abgefragt hatten, publik werden könnten. Zudem verfolge der Polizist nur private Interessen, da die Abfragen ihn nur als Privatperson beträfen.

Weitreichendes Urteil stärkt Informationsrechte der Bürger

Daraufhin klagte der Polizist und bekam vor dem Verwaltungsgericht recht. Die Berliner Polizei hätte die Daten beauskunften müssen, zudem gehe es nicht um private Interessen, sondern um eine Kontrolle, ob der Staat rechtmäßig handle.

Dagegen legte die Polizei jedoch Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht ein - und verlor erneut. Es gehe darum, gegen möglicherweise strafrechtlich unzulässige Datenabfragen vorzugehen, urteilte das Gericht. Im Vordergrund stehe der Schutz personenbezogener Daten vor unbefugtem Zugriff. Der Kläger sei als natürliche Person Anspruchsberechtigter. Die Polizei Berlin sei als Behörde des Landes Berlin informationspflichtige Stelle, schreibt das Gericht in seinem Urteil.

"Das Urteil ist weitreichend, es stärkt die Bürger in ihren Informationsrechten gegenüber der Polizei", sagte die Berliner Datenschutzanwältin Karina Filusch dem Tagesspiegel. Künftig könnten Betroffene bei begründetem Interesse leichter Auskunft verlangen. So könnten sie etwa einfacher überprüfen, ob die Löschfristen für über sie von der Polizei gespeicherte Daten eingehalten wurden.

Auf Nachfrage des Tagesspiegels konnte die Polizei keine Angaben dazu machen, wie oft Polizisten selbst Opfer von neugierigen Kollegen werden. Angaben zu den Geschädigten würden statistisch nicht erfasst, erklärte die Berliner Polizei. Registriert würden nur die Zahl der Strafverfahren und deren Ergebnisse. Daher könne auch nicht angegeben werden, in wie vielen Fällen unberechtigte Abfragen in polizeilichen Datensystemen erfolgt seien, erklärte eine Sprecherin.

Polizisten greifen häufig unrechtmäßig auf Daten zu

Die ehemalige Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk kritisierte immer wieder missbräuchliche Datenabfragen durch die Berliner Polizeikräfte. Damit müsse sich die Datenschutzbehörde "sehr häufig" beschäftigen. Oft griffen Polizisten privat auf die Datenbank der Polizei zu und verschafften sich Zugang zu Informationen im System, etwa "um Informationen über Nachbarn zu bekommen oder den Schwager zu ärgern", sagte Smoltczyk. In ihrem Jahresbericht 2020 stellte sie einige besonders drastische Fälle vor, beispielsweise von einer Polizistin, welche die Daten von Ex-Freundinnen des neuen Lebensgefährten abfragte.

Dabei behinderte die Polizei die Datenschutzbeauftragte regelmäßig in ihrer Kontrollfunktion - selbst bei einer Untersuchung von polizeilichen Datenabfragen im Kontext rechtsextremer Morddrohungen. Zudem waren über Jahre keine Daten aus der internen Datenbank Poliks gelöscht worden - eine Missachtung zentraler Datenschutzvorschriften.

Auch in anderen Bundesländern gibt es immer wieder Kontroversen um unberechtigte Abfragen von Polizeidatenbanken. So gab es 2019 Berichte, dass hessische Polizeibeamte 83 Mal Informationen über Helene Fischer abfragten, die in Frankfurt ein Konzert gab.

Dass die Abfragen in Hessen überhaupt kontrolliert wurden, hatte aber einen weitaus ernsteren Hintergrund: Seda Basay-Yildiz, die als Rechtsanwältin Angehörige des NSU-Opfers Enver Simsek vertritt, erhielt Drohschreiben von Rechtsextremen. Kurz zuvor waren ihre Daten von einem Polizeicomputer aus abgerufen worden.

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