Industrie einschränken und Kohlekraftwerke wieder anfahren
Die effektivste Maßnahme ist dabei eine, die für den Klimaschutz keine gute Nachricht ist: Man könnte abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder anfahren und dadurch laut Bruegel 270 Terawattstunden Erdgas ersetzen.
Das alles unter der Annahme, dass sich in den vergangenen Jahren abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder anfahren lassen. Zuletzt hatte der Konzern Vattenfall vermeldet, den Rückbau des stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg vorerst zu stoppen - es könnte in einer Notsituation wieder angefahren werden.
Das Problem bei dieser und auch bei anderen Maßnahmen: Russland ist nicht nur beim Erdgas, sondern auch bei anderen Energieträgern ein wichtiger Lieferant.
Die zweitgrößte Maßnahme, die Bruegel vorsieht, wäre eine Einschränkung des Gasverbrauchs in der Industrie, die 170 Terawattstunden einsparen könnte. Dabei geht der Thinktank konkret davon aus, dass Industrieanlagen zeitweise abgeschaltet werden. In einigen Fällen ist das aufgrund der hohen Gaspreise bereits passiert.
Weitere Maßnahmen, die substantielle Beiträge leisten können, wären Energieeinsparungen in Haushalten und Firmen (130 TWh), beispielsweise das reduzierte Beheizen von Büroräumen und Wohnungen, eine Verzögerung des deutschen Atomausstiegs (120 TWh) und die Verbrennung von Öl in Gaskraftwerken (90 TWh).
Wärmepumpen und Solaranlagen helfen kurzfristig nur begrenzt
Jeder einzelne dieser Punkte dürfte sehr strittig sein. Aus Klimaschutzsicht eher wünschenswerte Maßnahmen wie ein beschleunigter Ausbau der Solarenergie oder das schnelle Installieren von Wärmepumpen helfen zwar auch, können aber jeweils nur etwa 30 Terawattstunden ersetzen.
Was Bruegel vorschlägt, ist an vielen Stellen sehr optimistisch gedacht und längst nicht im Detail ausgearbeitet. Auf einige Probleme weist der Thinktank selbst hin. So lässt sich Gas nicht nach Belieben in der EU verteilen. Leitungskapazitäten sind begrenzt, zudem gibt es Gas mit verschiedenen Energiegehalten (L-Gas und H-Gas) in unterschiedlichen Netzen.
Den Vorschlag, den deutschen Atomausstieg zu revidieren, bezeichnet Bruegel als "technisch und politisch schwierig", was sicher korrekt ist. Viel wurde in den letzten Tagen diskutiert, ob es überhaupt praktisch machbar ist, die verbleibenden drei Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus weiterzubetreiben, da dies üblicherweise längere Vorlaufzeiten hat.
Doch Bruegel geht nicht nur davon aus, die drei noch bestehenden Kraftwerke weiterlaufen zu lassen. Die möglichen 120 Terawattstunden an Gaseinsparungen sind nur möglich, wenn nicht nur die drei verbleibenden, sondern auch die drei im vergangenen Jahr abgeschalteten Kraftwerke weiterbetrieben werden.
Stromerzeugung ist nur ein geringer Anteil des Gasverbrauchs
Dazu kommt: Gas wird in Deutschland nur in vergleichsweise geringem Maße ausschließlich zur Stromerzeugung eingesetzt. Das meiste Gas landet in der Industrie und in Privathaushalten als Heizenergie. Doch nur bei der Stromerzeugung könnte es durch Atomstrom ersetzt werden. Viele Gaskraftwerke werden zudem als Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerke betrieben und dienen somit auch dazu, Heizenergie bereitzustellen. Diese könnten ebenfalls nicht durch andere Stromquellen ersetzt werden.
Die Menge an Gasstrom, die man in Deutschland überhaupt ersetzen kann, wäre also begrenzt. Daher würde sich die Frage stellen, inwieweit dies über Stromimporte auszugleichen wäre. Die wären aber durch die Kapazität der Stromnetze begrenzt, die sich natürlich ebenfalls nicht kurzfristig erhöhen lassen.
Trotz aller Probleme kommt Bruegel zu dem Schluss: "Wenn die EU gezwungen ist oder bereit ist, die Kosten zu tragen, sollte es möglich sein, bereits im nächsten Winter russisches Gas zu ersetzen, ohne wirtschaftliche Verheerungen zu verursachen, ohne dass Menschen frieren oder dass die Stromversorgung unterbrochen wird."
Neben den Fragen der Machbarkeit gibt es aber mit vielen der Vorschläge noch ein grundsätzliches Problem: Russland ist nicht nur ein wichtiger Gasexporteur, es liefert den EU-Staaten auch knapp ein Drittel des Öls und etwa die Hälfte der Steinkohle.
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