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Ukraine: Gamification des Drohnenkriegs breitet sich aus

Ukrainische Soldaten sammeln Punkte für Kampfeinsätze und tauschen sie gegen Ausrüstung. 400 Einheiten beteiligen sich bereits – Tendenz steigend.
/ Michael Linden
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Glasfaserdrohne Stalker XO-10 (Bild: Brave1)
Glasfaserdrohne Stalker XO-10 Bild: Brave1

Ein punktebasiertes Belohnungssystem für Kampfeinsätze der ukrainischen Streitkräfte hat sich auf Hunderte militärische Einheiten ausgeweitet. Soldaten verdienen Punkte für erfolgreiche Angriffe, die sie gegen Ausrüstung eintauschen können. Das als Army of Drones Bonus System bekannte Programm wachse kontinuierlich in Umfang und Anwendungsbereich, berichtet der Guardian.(öffnet im neuen Fenster)

Immer mehr Einheiten nehmen teil

Mychajlo Fedorow, erster stellvertretender Ministerpräsident der Ukraine, bestätigte dem Guardian die Ausweitung des Systems von ursprünglichen Drohneneinsätzen auf Aufklärung, Artillerie und Logistik. Derzeit sollen rund 400 Drohneneinheiten am Programm teilnehmen – im August waren es noch 95. Die gesammelten Punkte können auf der Onlineplattform Brave1(öffnet im neuen Fenster) eingelöst werden, die verschiedene militärische Ausrüstung von Drohnen bis autonomen Fahrzeugen anbietet.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren Drohnenteams, die dieses System nutzen, im September an Operationen beteiligt, die große russische Verluste zur Folge hatten. Das System ist seit über einem Jahr in Betrieb, die jüngste Expansion deutet jedoch auf verstärkte Akzeptanz unter Militärangehörigen hin. Einheiten konkurrieren in einer Rangliste.

Die Punktwerte für verschiedene Aktionen spiegelten sich wandelnde Prioritäten auf dem Schlachtfeld wider. Das Töten feindlicher Infanterie bringe jetzt 12 Punkte statt zuvor sechs. Die Ausschaltung eines Drohnenpiloten werde mit 25 Punkten belohnt, während die Gefangennahme eines russischen Soldaten für potenzielle Gefangenenaustausche 120 Punkte einbringe. Diese Werte würden vom ukrainischen Kabinett festgelegt, heißt es in dem Bericht.

Ausweitung über Drohneneinsätze hinaus

Das Programm erfasst mittlerweile mehrere militärische Einheiten – und nicht nur Drohnenpiloten. Artillerieeinheiten erhalten Punkte für erfolgreiche Treffer, Aufklärungsteams verdienen Belohnungen für das Identifizieren feindlicher Ziele durch sogenanntes Uber-Targeting – das Markieren von Standorten auf einer Karte, die andere Einheiten dann angreifen. Auch Logistikteams sammeln Punkte, wenn sie autonome Fahrzeuge statt menschlich gesteuerter Transporte für Nachschubmissionen einsetzen.

Entwickelt Russland ein ähnliches Gamification-Konzept?

Fedorow deutete an, dass ukrainische Geheimdienste vermuten, Russland entwickle ein ähnliches System. Er betonte, dass der Punktemechanismus wertvolle Gefechtsfelddaten liefere, da Einheiten Videobeweise einreichen müssten, um ihre Belohnungen zu beanspruchen. Diese Dokumentation ermögliche es Militärplanern zu analysieren, welche Taktiken und Ausrüstung sich als besonders effektiv erwiesen, so der stellvertretende Ministerpräsident.

Für Emotionen gibt es keine Punkte

Fedorow räumte allerdings auch die emotionale Belastung ein, Kampfhandlungen Punktwerte zuzuweisen. Er charakterisierte die Arbeit aber als notwendig, getrieben von der Notwendigkeit, Militärangehörige und Zivilisten vor vorrückenden Russen zu schützen. Gegenüber dem Guardian bemerkte er: "Wir betrachten dies einfach als Teil unserer täglichen Arbeit. Es gibt hier kaum emotionale Reflexionen. Es fühlt sich wie reine technische Arbeit an. Denn wenn man den Feind nicht aufhält, wird er die Soldaten töten, und nachdem die Soldaten tot sind, wird er in die Stadt kommen und sie erobern, zerstören und Zivilisten töten."


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