Exportkanäle lassen sich schwer prüfen
Eine Firma, die im Kontext von Intrusionsprogrammen immer wieder erwähnt und kritisiert wird, ist die Gamma Group mit Sitz in Großbritannien und München. Das Unternehmen soll 2006 einen der Mitentwickler von Backtrack-Linux, Martin Johannes Münch, angeworben haben, wie ein Szeneaussteiger dem Chaos Computer Club berichtete. Auf der Basis von Backtrack wurde das Spähprogramm Finfisher entwickelt. Mehrere Mitarbeiter hätten hochkarätige Vorträge auf den Sicherheitskonferenzen Defcon und Black Hat gehalten, heißt es in einem angeblichen Unternehmensprospekt. Finfisher besteht dabei aus einer ganzen Familie an Überwachungstechnik, in dem Prospekt als "komplettes IT-Eindring-Portfolio" bezeichnet. Per USB-Stick, über LAN-Netzwerke oder infizierte Websites lassen sich demnach die Spionageprogramme installieren.
Gamma wird vorgeworfen, seine Programme auch an Staaten wie Bahrain, Turkmenistan, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft zu haben. Citizen Lab fand Command-and-Control-Server in 25 Staaten. Das Unternehmen verteidigt sich bisweilen damit, dass eine Demoversion für einen Kunden gestohlen worden sei. Die Bundesregierung erwarb im vergangenen Jahr Lizenzen für Finfisher und gab dafür fast 150.000 Euro aus. Die US-Firma Computer Science Corporation (CSC), als Spionagedienstleister für die NSA bekannt, sollte dabei die Funktionen des Trojaners überprüfen.
Yahoo Lizenz für über 60.000 Euro
Zu einer unrühmlichen Bekanntheit im Zusammenhang mit staatlichen Trojanern hat es die hessische Firma Digitask gebracht. Die Firma, die mit einem "warmen Mittagessen nach Wahl" um neue Mitarbeiter wirbt, programmierte für das bayerische Landeskriminalamt den vielgescholtenen Staatstrojaner 0zapftis. Allein das Zollkriminalamt kaufte in den vergangenen Jahren für mehrere Millionen Euro Produkte von Digitask, darunter für die "Anmietung eines Systems zur Überwachung von Skype" für einige Zehntausend Euro, "Mail Lizenz Yahoo inkl. Softwarepflege" für rund 66.000 Euro und "Software zur Dekodierung aufgezeichneter TK: Google Mail, MSN Hotmail, Yahoo Mail" für über 10.000 Euro.
Mehr als zwei Millionen Euro ließ sich der Zoll im Jahr 2008 die "Kapazitätsanpassung der ETSI-Schnittstellen" kosten. Auf Anfrage von Golem.de wollte Digitask keine Angaben dazu machen, was es mit der "Mail Lizenz Yahoo" oder der "Dekodierung aufgezeichneter TK" auf sich hat. Was hinter der ebenfalls gekauften "Mail Lizenz GMX" steckt, konnte auch ein GMX-Firmensprecher auf Anfrage nicht sagen. Das Zollkriminalamt beantwortete eine entsprechende Anfrage bislang nicht. Digitask teilte Golem.de mit, derzeit nicht mehr an Produkten wie dem Bundestrojaner zu arbeiten.
Auf ihrer Website wirbt die Firma unter dem Stichwort IT-Forensik noch damit, "individuell angepasste Systeme" zu entwickeln. Der vom CCC porträtierte Hacker, der für die Schweizer Firma Dreamlab gearbeitet hatte, sieht vor allem die sogenannte Remote Forensic als sehr kritisch. Diese bedeute "eine vollständige Kompromittierung eines lokalen Zielsystems mit allen Mitteln, um Daten statisch und dynamisch (also zur Laufzeit) auszuwerten und zu protokollieren".
Den gesamten Netztraffic kontrollieren
Solche Fernzugriffe über das Internet sind jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten, die Kommunikation zu überwachen. Zum Arsenal der Behörden gehören darüber hinaus noch Programme und Geräte, die den gesamten Netztraffic kontrollieren sowie Satelliten- und Mobilfunkverbindungen abhören können, wie sie die Bremer Firma Rheinmetall Defence herstellt. Die fränkische Firma Medav wiederum liefert eine Datenanalyse, um beispielsweise bestimmte Sprecher zu erkennen. Die ehemals zum Nokia Siemens Network gehörende Firma Trovicor entwickelt nach eigenen Angaben Lösungen für Netzwerkintelligenz (NI), für die Sicherheit von Internet und Infrastruktur sowie die Analyse von Individual- und Massenkommunikation. In einer Stellenanzeige suchte Trovicor jüngst einen Mitarbeiter für die Entwicklung von DPI/NI-Konzepten.
Nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen sollten keine Programme für Netzwerkmanagement in undemokratische Staaten verkauft werden, wenn diese eine Deep Packet Inspection (DPI) ermöglichten. Diese Funktion sei für ein Netzwerkmanagement nicht erforderlich, ermögliche jedoch die Kontrolle von Inhalten bei der Übertragung von Netzwerkpaketen. Trovicor geriet daher in der Vergangenheit in die Kritik, weil Produkte auch an autoritäre Staaten wie Bahrain geliefert worden seien. Die Firma teilte auf Anfrage von Golem.de mit, keine Länder zu beliefern, "die sich im Bürgerkrieg oder in bürgerkriegsähnlichen Zuständen befinden oder für die solche Umstände vorhersehbar sind".
Dass selbst der Einsatz von Überwachungssoftware in nichtautoritären Staaten mitunter sehr fragwürdig sein kann, zeigt ein jüngst veröffentlichter Transparenzbericht von Vodafone. Vodafone soll in sechs Staaten verpflichtet sein, den Behörden kompletten Zugang zu seinem Kommunikationsnetz zu gewähren. In Albanien, Ägypten, Ungarn, Indien, Katar, Malta, Rumänien, Südafrika und der Türkei ist dem Telekommunikationskonzern nicht erlaubt, Informationen zu den Abhörmaßnahmen zu veröffentlichen.
Solche Programme zum Abhören und zur Vorratsdatenspeicherung liefert beispielsweise die Aachener Firma Utimaco. Diese wurde 2011 kritisiert, weil ihre TKÜ-Programme auch nach Syrien geliefert worden sein sollten. Ein Utimaco-Manager sagte damals zu Golem.de, dass die Produkte außerhalb Deutschlands über OEM-Partner vertrieben würden. Alle Utimaco-Käufer müssten sich verpflichten, die deutschen und europäischen Ausfuhrrichtlinien und die Uno-Blocklisten zu beachten. Dennoch könne es "immer sein, dass einer der großen OEM-Partner oder ein Reseller an einen Netzbetreiber in so einem Land liefert."
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Überwachungssoftware: Ein warmes Mittagessen für den Staatstrojaner | Exportverbot könnte Sicherheitsexperten treffen |
Heisst?
Ja, tut er, das ist recht lästig ;-)
Is doch typisch für feige Menschen, wenn sie vor der Wahl stehen entweder Sieger oder...
"der Anbieter des Download"? Das sind ggf. 4 Mirror... was soll mit denen sein?