Überwachung: Warum Tech-Märchen über Asien gefährlich sind
Trotz einer globalisierten Welt halten sich bestimmte Mythen über Länder wie China hartnäckig. Woher kommt das?

Wie sehr sich der digitalisierte Alltag in chinesischen Metropolen wie Shenzhen von dem in Europa unterscheidet, hat vor einigen Wochen der Journalist Matthias Sander anschaulich in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) geschildert. Gesichtserkennung, Videoüberwachung und die "Super-App" Wechat prägten dort bereits das Leben. Doch nicht alle Berichte über die Digitalisierung in Asien stimmen nach Einschätzung der Politologin und Journalistin Katharin Tai mit der Realität überein. Das kann negative Folgen haben.
- Überwachung: Warum Tech-Märchen über Asien gefährlich sind
- "Wir sind nicht perfekt, aber zumindest sind wir nicht China"
In ihrem Vortrag auf dem virtuellen Kongress des Chaos Computer Clubs nannte Tai als Beispiele für solche "Tech-Märchen" zum einen die Berichte über Systeme zur digitalen Kontaktnachverfolgung, mit denen in Asien erfolgreicher als in Europa oder den USA die Coronapandemie bekämpft worden sein soll. Zum anderen führte sie das chinesische Social-Credit-System an, das chinesischen Bürgern auf Basis ihres Verhaltens einen bestimmten Score zuweise. Die Vorstellungen dazu seien im Grunde nichts anderes als Science-Fiction.
Mythen werden instrumentalisiert
Vor allem die Debatte um die Corona-Warn-App zeigte, wie diese Tech-Mythen aus Asien auch hier in Deutschland instrumentalisiert wurden. So forderte der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) im November 2020: "Die App schützt nur unsere Daten, aber nicht vor dem Virus. Der Datenschutz verursacht hier unfassbare ökonomische Schäden und er kostet Leben. Ich selbst hätte überhaupt keine Schwierigkeiten damit, meine Daten wie in Taiwan oder Südkorea verwenden zu lassen."
Tai wollte auf dem rC3 jedoch nicht selbst diese Berichte entlarven, sondern verwies auf einschlägige Medienberichte zum Thema. Ihr ging es vielmehr darum, die Ursachen für solche Missverständnisse zu untersuchen und deren Folgen zu veranschaulichen.
Techno-Orientalismus als Mitursache
Nach Ansicht von Tai sind solche falschen Vorstellungen unter anderem ein Ausdruck von Rassismus und sogenanntem Techno-Orientalismus. Dieser Techno-Orientalismus wurde seit den 1980er Jahren zunächst auf Japan angewandt und sollte versuchen, dessen technische und wirtschaftliche Erfolge mit bekannten Stereotypen zu erklären. Weil Asien als das exotisch Andere empfunden werde, würden die Menschen dort praktisch in eine imaginäre Welt versetzt.
Letzteres habe unter anderem zur Folge, dass Menschen aus diesen Ländern, die solche offensichtlich falschen Berichte zur Kenntnis nähmen, das Vertrauen in westliche Medien verlören. "Das macht es schwerer, Menschen davon zu überzeugen, dass Demokratie großartig ist", kritisierte Tai. Sie würden stattdessen westliche Medien mit chinesischen gleichsetzen.
Mythen lenken von tatsächlichen Problemen ab
Darüber hinaus lenke die Beschäftigung mit imaginären Phänomenen davon ab, sich mit den tatsächlichen Problemen zu beschäftigen. So sei versucht worden, nicht existierende Social-Credit-Systeme in Verbindung mit künstlicher Intelligenz auf UN-Ebene zu untersagen. Diese Energie habe man besser im Kampf gegen Überwachung einsetzen sollen, forderte Tai.
Zudem verbaue man sich durch die Vorstellung von Asien als "fantastischem, dystopischen, furchteinflößenden Ort" die Möglichkeit, von positiven oder negativen Beispielen zu lernen. Das gelte beispielsweise im positiven Sinne für die Bekämpfung der Corona-Pandemie, was Tai nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Taiwan festgestellt haben will. Als negatives Beispiel nannte sie die "Gefühlserkennung" (emotion recognition) durch verschiedene Firmen in China.
Tai verwies in diesem Zusammenhang auf den Bericht der Menschenrechtsorganisation Article 19 (PDF) zu den möglichen Auswirkungen dieser Technik. Dieser Bericht mache unter anderem deutlich, dass die Firmen mit falschen Versprechungen würben und noch gar nicht über die Möglichkeiten verfügten, die sie ihren Kunden verkaufen wollten.
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"Wir sind nicht perfekt, aber zumindest sind wir nicht China" |
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das ist aber keine Völkerverständigung. Wir haben einfach die "Kultur" der Amerikaner...
Zum einen erklärt er nicht die Überschrift, zum anderen wird teilweise Asien mit China...
Davon gibts genügend: Welt, FAZ, TAZ, Süddeutsche, Handelsblatt... Der Erfolg der Bild...
Eventuell kannst du dir den zitierten Talk anschauen. Es geht darum nicht jeden Artikel...