Überwachung: Tinder-Nutzer können ihre Dates auf Vorstrafen prüfen
In den USA hat Tinder eine Funktion eingeführt, mit der Dates auf Festnahmen und Vorstrafen geprüft werden können. Die Funktion erntet massive Kritik.

Nutzer der Dating-App Tinder können ihre potenziellen Dates auf Vorstrafen oder Verhaftungen überprüfen. Die Funktion wurde zunächst in den USA eingeführt, soll aber auf weitere Länder ausgeweitet werden. Die Überprüfung soll den Tinder-Nutzern Sicherheit vermitteln, während Kritiker darin eine Gefahr sehen.
Die Funktion wird in Zusammenarbeit mit Garbo, einem Anbieter für Hintergrundüberprüfungen, angeboten. Garbos Background-Check-Tool ermöglicht es Tinder-Nutzern anhand des Namens, des Alters und der Telefonnummer einer Person zu prüfen, ob diese bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Der größte Indikator für zukünftigen Missbrauch oder Gewalt sei eine Vorgeschichte mit derartigen Verhaltensweisen, erklärte die Garbo-Gründerin Kathryn Kosmides anlässlich der Einführung der der Kontrollfunktion bei Tinder.
Zwei Background-Checks sollen für Tinder-Nutzer kostenlos sein, jeder weitere kostet 2,50 US-Dollar, zuzüglich einer Transaktionsgebühr. Für die Prüfung greift Garbo auf die in den USA öffentlich verfügbaren Aufzeichnungen von Festnahmen, Verurteilungen und dem Sexualstraftäterregister zu. Einige Festnahme- oder Verurteilungsgründe wie beispielsweise den Konsum von Marihuana gibt Garbo jedoch nicht an. Auch eine nicht-vollständige Übereinstimmung der abgefragten Daten kann zu einem Ergebnis führen, das dann mit "geringer Genauigkeit" gekennzeichnet wird.
Die meisten Missbrauchsfälle werden nicht angezeigt
"Das Tool geht davon aus, dass strafrechtliche Verstrickungen ein relevanter Risikofaktor sind, um herauszufinden, wer in Zukunft eine Gefahr darstellt, aber die große Mehrheit der Täter ist nicht vorbestraft", sagte Albert Fox Cahn, der Gründer des Surveillance Technology Oversight Project der Zeitung Guardian. So werden nach Angaben der Organisation Rainn, die sich gegen sexuelle Gewalt einsetzt, nur 310 von 1.000 sexuellen Übergriffen in den USA zur Anzeige gebracht. Verurteilt werden nur 28.
Kritiker sehen in der Funktion die Gefahr, dass sie die dem Strafrechtssystem innewohnenden Vorurteile noch verschärfen. So könnte sie die Diskriminierung von People of Color (PoC), die überproportional häufig von der Polizei verfolgt werden, weiter verstärken. "Tinder verkennt die Art und Weise, wie alle Vorstrafen in den USA durch Diskriminierung irreparabel verzerrt sind und ein zutiefst verzerrtes Bild davon vermitteln, wer ein 'Risiko' darstellt und wer 'sicher' ist," erklärte Cahn.
"Die Normalisierung dieser Art von Überwachung durch Datenhändler führt zu einer ganzen Reihe von Problemen", sagte er und wies auf den Irrglauben hin, dass vergangene Verbrechen ein definitiver Prädiktor für zukünftige Verbrechen sind. "Jedes Mal, wenn uns das Silicon Valley eine Überwachungskristallkugel verkauft, wird behauptet, dass sie vorhersagen kann, wer in Zukunft eine Bedrohung darstellt, aber sie kann nur (und das im besten Fall) den Schaden einer früheren Beurteilung eines Menschen verstärken."
Vorhersage künftiger Gewalttaten ist kompliziert
Auch die Doktorandin Nicole Bedera an der Universität Michigan, die sich mit geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt beschäftigt, sieht die Funktion kritisch. Die Verwendung früherer Gewaltdelikte zur Vorhersage künftiger Gewalttaten sei kompliziert. So würden beispielsweise Opfer häuslicher Gewalt, die sich selbst verteidigten, im Strafrechtssystem häufig für diese Taten bestraft, sagte Bedera.
Bedera befürchtet zudem, dass die Funktion letztlich mehr schade als nutze. "Wir reden hier wirklich über eine kleine Handvoll Menschen, die jemals für eines dieser Verbrechen verurteilt wurde", sagte Bedera. "Das könnte dazu führen, dass Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl haben, obwohl sie in Wirklichkeit nicht sicher sind." Sie wünscht sich, dass Tinder an einer Lösung arbeitet, die sexuelle Gewalt effektiv verhindert. Beispielsweise die Unterstützung einer umfassenden Sexualerziehung an Schulen.
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