Überwachung: Staatstrojaner sollen nicht mehr Trojaner heißen
Die Bundesregierung gibt sich bei der Überwachung durch ihre Behörden immer zugeknöpfter. Selbst der Bundestag darf bestimmte Details nicht mehr erfahren. Außerdem stört sie sich an Begriffen wie Trojaner und Spionagesoftware.

Die Bundesregierung hat ihre Auskünfte zur Nutzung von Überwachungstechnik durch Sicherheitsbehörden eingeschränkt. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage durch die Linksfraktion im Bundestag (PDF) will das Innenministerium beispielsweise keine Angaben mehr darüber machen, wie oft das Bundesamt für Verfassungsschutz eine sogenannte stille SMS bei Verdächtigen einsetzt. Die entsprechenden Angaben würden als "geheim" eingestuft, heißt es in der Antwort. Das gilt auch für die Antwort auf die Frage, ob der Verfassungsschutz neue Verfahren zur Gesichtserkennung erforscht. Details zu bestimmten Überwachungstechniken dürfen nicht einmal mehr die Bundestagsabgeordneten erfahren.
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- Forscht der Verfassungsschutz zu Gesichtserkennung?
Letzteres gilt beispielsweise für die Frage, ob Bundesbehörden in der Lage sind, "Mikrofone von Mobiltelefonen aus der Ferne zu aktivieren, um diese als Abhöreinrichtungen zu nutzen". Der Antwort zufolge verfügen weder das Bundeskriminalamt (BKA) noch die Bundespolizei über diese Fähigkeit. Ob der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) oder der Verfassungsschutz auf diese Weise Verdächtige abhören können, dürfen aber nicht einmal mehr die Bundestagsabgeordneten erfahren.
Staatswohl geht vor Informationsrecht
"Auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens derart sensibler Informationen kann unter keinen Umständen hingenommen werden", heißt es zur Begründung. In diesem Fall überwiege das Staatswohl wesentlich "gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht". Ein Argument, das die Bundesregierung beim NSA-Untersuchungsausschuss häufig nutzte, um Akten entweder zu schwärzen oder gar nicht erst herauszugeben. Dabei fällt auf: Die gleichlautende Frage der Linksfraktion vom August 2018 (PDF) hatte die Regierung immerhin noch mit einer geheim eingestuften Aussage beantwortet. Möglicherweise verfügen eine oder mehrere Dienste nun über diese Fähigkeit.
Eine Verschärfung betrifft auch die Antworten zur Nutzung der "stillen SMS". Zuvor hatte die Regierung regelmäßig die Zahlen für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei genannt. So verschickten die Verfassungsschützer im ersten Halbjahr 2018 mehr als 100.000 sogenannte stille SMS, die zur Ortung und zur Erstellung von Bewegungsprofilen genutzt werden. Das BKA nutzte diese Technik knapp 31.000-mal, die Bundespolizei verschickte fast 39.000 "stille SMS".
Auskünfte könnten Kommunikationsverhalten ändern
Für das zweite Halbjahr 2018 verschickte das BKA 21.337 "stille SMS", die Bundespolizei gut 50.000. Für den Verfassungsschutz will die Regierung hingegen keine Zahlen mehr öffentlich nennen. Der Grund: "Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Nachrichtendienste des Bundes und insbesondere deren Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen." Die Veröffentlichung von Details würde "in zunehmendem Maße zur Ineffektivität der eingesetzten Mittel führen, da Personen im Zielspektrum der Maßnahmen sich auf die Vorgehensweisen und Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden einstellen und entsprechend auf andere Kommunikationswege ausweichen könnten".
Inwieweit dieses Argument bei "stillen SMS" zutrifft, ist nicht ganz nachvollziehbar. Die Ortung lässt sich nur vermeiden, wenn man sein Handy nicht dabei oder ausgeschaltet hat. Eine Nutzung anderer Kommunikationswege, wie beispielsweise Messengerdienste, hilft in diesem Falle nicht.
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Forscht der Verfassungsschutz zu Gesichtserkennung? |
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Doppel plus Bürger.
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"Inwieweit dieses Argument bei "stillen SMS" zutrifft, ist nicht ganz nachvollziehbar...