Überwachung: Infosystem über Funkzellenabfragen in Berlin gestartet
Wer wissen will, ob er in Berlin in eine Funkzellenabfrage gerät, kann sich bei einem Informationssystem anmelden. Landet die registrierte Nummer bei der Polizei, bekommt man nachträglich eine SMS. Bis zur ersten Nachricht wird es aber noch eine Weile dauern.

Wer weiß schon in einem Jahr noch genau, wo er heute um 9 Uhr morgens war? In Berlin könnte einen daran nächstes Jahr das neue Informationssystem für Funkzellenabfragen erinnern. Zumindest, wenn man zum entsprechenden Zeitpunkt in eine Funkzellenabfrage der Berliner Polizei geraten sein sollte. Das System soll für mehr Transparenz über das polizeiliche Ermittlungswerkzeug sorgen. Handybesitzer können sich dafür auf dem Portal fts.berlin.de anmelden: Telefonnummer eingeben, Registrierung mit SMS-Code bestätigen, fertig.
Irgendwann könnte dann folgende SMS eintrudeln: "Für Sie liegt eine Information des Funkzellenabfragen-Informations-Systems vor. Bitte geben Sie den Abfragecode XYZ2HJ auf fts.berlin.de ein." Dass man tatsächlich eine solche Nachricht bekommt, wenn man sich regelmäßig in Berlin aufhält, ist gar nicht so unwahrscheinlich: Allein die Polizei Berlin hat im Jahr 2017 474 Funkzellenabfragen durchgeführt und bei Providern abgefragt, welche Handynummern in einem gesuchten Zeitraum im Gebiet bestimmter Funkmasten eingebucht waren. Dabei fielen etwa 59 Millionen Datensätze an. Die meisten Berliner dürften demnach mehrmals erfasst worden sein.
Berlin ist bundesweit Vorreiter bei der Benachrichtigung
Bisher gibt es in keinem anderen Bundesland außer Berlin ein Benachrichtigungssystem, obwohl Betroffene - gesetzlich verpflichtet - informiert werden müssten. Dass dies nicht passiert, wird oft damit begründet, dass der Umsetzungsaufwand zu hoch sei oder Daten vielleicht zu einer Wiederaufnahme eines eingestellten Verfahrens benötigt werden könnten. Aber auch in der Bundeshauptstadt war der Weg weit: Schon im Jahr 2014 hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, ein Pilotprojekt zur SMS-Information umzusetzen.
Nun geht das System, das aus zwei Debian-VMs besteht, an den Start. Eine davon enthält die Datenbank, die andere den Webserver. Durch die Trennung und strikt beschränkte Zugriffsrechte soll gewährleistet werden, dass niemand Zugriff auf die Datentabellen bekommt, selbst wenn der Webserver übernommen werden sollte, erklärt der Entwickler des Systems Ulf Buermeyer Golem.de. Zudem sei das System von drei IT-Sicherheitsexperten unabhängig voneinander evaluiert worden.
Bedenken, dass mit dem Registrierungsportal eine Liste kritischer Bürger angelegt würde, wies Buermeyer auf einer Pressekonferenz zur Einführung des Systems zurück. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft hätten Zugriff auf die Daten.
Die Registrierung muss regelmäßig bestätigt werden
Bis die Berliner wirklich eine Benachrichtigung-SMS bekommen, wird es wohl noch eine Weile dauern. Denn bevor die Information an die Betroffenen geht, müssen erst die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sein. Außerdem müssen die Interessierten ihre Registrierung alle drei Monate bestätigen. Damit soll verhindert werden, dass eine nicht mehr genutzte Mobilfunknummer neu vergeben wird und der neue Besitzer Benachrichtigungen über den Vorbesitzer erhält.
Das Land Berlin beschloss im Jahr 2014 auch, umfangreichere Statistiken zu den Funkzellenabfragen zu veröffentlichen. Das geschah schließlich im April 2018 und der Senat gab einen Bericht heraus, der auch über die räumliche Anwendung und die Anzahl der betroffenen Anschlüsse der Anfragen Aufschluss gab: Während es in Berlin Britz die meisten Anfragen gab - allein im Postleitzahlenberech 12347 13-mal -, wurden die Daten in einigen Außenbezirken kein einziges Mal abgefragt. Angaben dazu, in wie vielen Fällen die Funkzellenabfrage ausschlaggebend für die Ermittlung von Tätern war, fehlen weiterhin.
Funkzellenabfrage ist ein umstrittenes Werkzeug
Der häufige Einsatz des Ermittlungswerkzeugs ist umstritten. Eigentlich dürfen Funkzellenabfragen nur bei schweren Straftaten durchgeführt werden, doch sie werden zunehmend als Standardinstrument genutzt. In Berlin geschieht dies am häufigsten bei Einbrüchen, Diebstählen und Raub. Auch in anderen Bundesländern sind die Abfragen Alltag geworden: In Sachsen etwa hat sich die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen Funkzellenabfragen eingesetzt wurden, vom Jahr 2012 bis 2017 von 104 auf 427 erhöht.
Da sich nicht nur Verdächtige in einer Funkzelle befinden, werden bei jeder Abfrage auch die Daten vieler Unbeteiligter erfasst. Schon im Jahr 2012 kritisierte der damalige Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix, dass in vielen Fällen nicht geprüft werde, ob eine Funkzellenabfrage verhältnismäßig sei oder ob Ermittlungen auch mit milderen Mitteln durchgeführt werden könnten. Zwar muss ein Richter den Einsatz prüfen, doch im Jahr 2017 wurde in Berlin kein einziger Antrag einer Strafverfolgungsbehörde abgelehnt.
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Wenn solche Abfragen erfolgen, dürfen alle Daten ausschliesslich für das zugrunde...
Würde mich auch interessieren, wie das implementiert sein soll.
Das mit der Funkzellenabfrage ist ja zum Glück eine todsicher Sache. Man stelle sich mal...