Proton AG zieht Konsequenzen
Fast alle Akteure jenseits der Regierungsebene gehen davon aus, dass die Novelle der VÜPF zu einer faktischen Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation in der Schweiz führen wird. Als erster großer Schweizer Kommunikationsdienst hat das Technologieunternehmen Proton AG daher angekündigt(öffnet im neuen Fenster) , Investitionen in seine Infrastruktur zukünftig nur noch im Ausland vorzunehmen.
Proton betreibt neben einem E-Mail-Dienst unter anderem auch Cloudspeicher, einen VPN-Dienst und einen neuen KI-Assistenten und beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 500 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat rund 100 Millionen Nutzer. Die Software des Dienstleisters basiert auf Open-Source-Lösungen und fokussiert sich auf sichere Kommunikation.
Der Anbieter hat bereits mit einer ersten Tranche von rund 100 Millionen Euro außerhalb der Schweiz in neue Rechenzentren in Frankfurt am Main und Norwegen investiert. Als erster Schweizer Standort wurde zudem bereits das Datenzentrum am Hauptsitz in Genf geschlossen. In den kommenden zehn Jahren sollen rund eine Milliarde Schweizer Franken im europäischen Ausland investiert werden.
Schwächung des Wettbewerbs
Der CEO der Proton AG, Andy Yen, begründet die Abkehr vom Standort Schweiz explizit mit der verschärften Massenüberwachung, die durch die Neufassung der VÜPF ermöglicht wird. Die Novellierung der Verordnung in der vorliegenden Form würde den Schutz der Privatsphäre und von Daten in der Schweiz massiv aufweichen, sagt Yen.
Außerdem drohe durch die neue Rechtslage auch eine Schwächung der Wettbewerbsposition der Schweiz, weil die Verordnung die technologische Entwicklung bremse. Der Konzernchef hat daher mit dem zuständigen Justizminister Beat Jans Kontakt aufgenommen und diesem verdeutlicht, dass die bestehende Rechtsunsicherheit Investitionen verhindere. Der Justizminister habe jedoch lediglich verlauten lassen, er könne nichts zusichern. Yen hofft(öffnet im neuen Fenster) daher, mithilfe weiterer Kontakte zum Justizministerium mehr Klarheit erreichen zu können.
Auch der Schweizer Dienstleister Nym, der eine datenschutzfreundliche VPN-Lösung anbietet, sprach sich energisch gegen die vorgelegte Neufassung der VÜPF aus und forderte seine Kunden auf(öffnet im neuen Fenster) , sich aktiv in den Verabschiedungsprozess der Verordnung einzubringen. Der Mitgründer von Nym, Alexis Roussel, hat angekündigt(öffnet im neuen Fenster) , sein Unternehmen werde ebenfalls die Schweiz verlassen, falls die Novelle verabschiedet werde.
Fazit
In der Schweiz prallen beim neuen Entwurf der Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs zwei Interessen heftig aufeinander: der Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten einerseits und die Ansprüche der Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten andererseits. Der vorliegende Entwurf der VÜPF schafft es jedoch nicht, einen echten Kompromiss zwischen diesen Gegensätzen zu finden.
Ein praktikablerer Ansatz wäre nach Ansicht der Digitalen Gesellschaft das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren(öffnet im neuen Fenster) . Dabei geht es nicht um eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, sondern um das gezielte Sichern von Daten im Rahmen eines konkreten Ermittlungsverfahrens.
Strafverfolgungsbehörden können dazu bei einem Gericht eine Sicherungsanordnung beantragen.
Gibt das Gericht grünes Licht, muss der betroffene Anbieter die entsprechenden Verbindungsdaten zwar aufbewahren, die Ermittler erhalten aber noch keinen Zugriff. Erst mit einer weiteren richterlichen Entscheidung dürfen die Daten tatsächlich eingesehen werden.
Diese Form der gezielten Datensicherung hat mehrere Vorteile: Sie erfüllt die Anforderungen der Strafverfolger, ohne die Anbieter mit hohen Kosten für zusätzliche IT-Infrastruktur zu belasten. Außerdem sinkt das Risiko, dass große Datenbestände zum Ziel von Cyberangriffen werden. Gleichzeitig schützt das rechtsstaatliche Verfahren die Grundrechte und erhält das internationale Ansehen der Schweiz als sicherer Digitalstandort. Deshalb sollte der Vorschlag der Digitalen Gesellschaft unbedingt in die politische Debatte einfließen.



