#Twittersperrt: Gerichte erklären satirische Wahltweets für zulässig

Vor den Europawahlen im Mai sperrte Twitter zahlreiche Accounts wegen angeblicher Wählertäuschung. Mehrere Gerichte haben dieses Vorgehen nun untersagt. Auch AfD-Wähler könnten Satire erkennen.

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Wahltweets mit Zwinker-Smiley müssen auf Twitter erlaubt sein.
Wahltweets mit Zwinker-Smiley müssen auf Twitter erlaubt sein. (Bild: Pixabay)

Der Kurznachrichtendienst Twitter darf seine Nutzer nicht beliebig wegen angeblicher Wählertäuschungen sperren. Nach Ansicht mehrerer deutscher Landgerichte verstößt diese Praxis bei zulässigen Aussagen gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Eine im April 2019 von Twitter eingeführte "Richtlinie zur Integrität von Wahlen" hatte die Sperrung zahlreicher Accounts zur Folge. Selbst satirisch gemeinte Tweets waren demnach nicht mehr erlaubt.

In den konkreten Fällen hatte ein Nutzer beispielsweise getwittert: "Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)" Der sächsische Landtagskandidat Dietrich Herrmann (Grüne) hatte geschrieben: "Aber um ganz sicher zu gehen sollten #AfD-Wähler UNBEDINGT !!! den Wahlzettel PERSÖNLICH unterschreiben !! AUF KEINEN FALL vergessen !!!!"

Twitter muss Satire respektieren

Sowohl das Landgericht Nürnberg-Fürth als auch das Landgericht Dresden hätten beide Äußerungen als zulässige Meinungsäußerungen gewertet, die Twitter auch in der Ausübung seines virtuellen Hausrechts nicht entfernen dürfe, berichtete die Leipziger Anwaltskanzlei Spirit Legal. So heißt es in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Dresden von Ende Juni 2019 (PDF): "Dabei kann der Plattformbetreiber seine Befugnisse jedoch nicht grenzenlos ausüben, sondern wird beschränkt durch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere durch die mittelbare Drittwirkung der Meinungsfreiheit (...)." Damit ist gemeint, dass Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe darstellen und zwischen privaten Parteien nur mittelbare Wirkung entfalten.

Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei Herrmanns Tweet "erkennbar um die Äußerung eines bloßen Werturteils und nicht um die Behauptung unwahrer Tatsachen". Auch der Grünen-Politiker gehe nicht davon aus, "dass die potenziellen Wähler der AfD - wie auch der größte Teil der deutschen Bevölkerung - nicht intelligent genug wären, die Satire und erkennbare Fehlerhaftigkeit dieser 'Aufforderung' zu erkennen".

Ähnlich urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth. "Betrachtet man die vorliegende Äußerung, so zeigt der Zwinker-Smiley am Ende des Tweets ganz klar, dass es sich vorliegend nicht um einen ganz ernst gemeinten Rat an AfD-Wähler handelt", heißt es in dem Beschluss von Anfang Juni 2019 (PDF). Dieser sei "als bloßes Werturteil vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst und nicht zu beanstanden". Dabei sei es sogar unerheblich, ob die Wahl-Richtlinie überhaupt wirksam in das Vertragsverhältnis von Twitter und seinen Nutzern einbezogen worden sei. Wegen eines vergleichbaren Tweets hatte Twitter etliche Nutzer gesperrt, darunter auch den IT-Fachanwalt Thomas Stadler.

Wie weit geht das Hausrecht von Plattformen?

In den vergangenen Jahren gab es bereits zahlreiche, teils widersprüchliche Urteile zum sogenannten virtuellen Hausrecht von Plattformen. So hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe im Juni 2018 entschieden, dass das soziale Netzwerk Facebook Beiträge von Nutzern, die vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind, durchaus als Hassrede einstufen und entfernen kann. Im April 2018 hatte sich ein Nutzer hingegen erfolgreich gegen die Löschung eines Beitrags gewehrt. Facebook war in einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin verpflichtet worden, einen zuvor gelöschten Beitrag wiederherzustellen.

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arthurdont 27. Jun 2019

Das ist ein Showkampf um das eigene Lager zusammen zu schweissen und motiviert zu...

arthurdont 26. Jun 2019

...James Woods ist immer noch gesperrt. Seit April. Und wird das Urteil auch noch Bestand...

randya99 26. Jun 2019

Der Fehler liegt darin, überhaupt etwas zu löschen. Wenn mir Tweets von GrünInnen nicht...

Tragen 26. Jun 2019

Vielleicht kann man über diesen Weg das unsägliche NetzDG zu Fall bringen.



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