Messenger-Dienste: Bundestag erlaubt großflächigen Einsatz von Staatstrojanern
Trotz Kritik von Bürgerrechtlern und IT-Branche hat die große Koalition im Eilverfahren den Einsatz von Staatstrojanern beschlossen. Nur wenige Abgeordnete der SPD stimmten dagegen.

Mit den Stimmen von Union und SPD hat der Bundestag am Donnerstag den großflächigen Einsatz von Überwachungsprogrammen bei der Strafverfolgung beschlossen. Ermittler dürfen künftig mit Hilfe von gehackten Smartphones oder Computern eine verschlüsselte Kommunikation überwachen (Quellen-TKÜ) oder Dateien auslesen (Online-Durchsuchung). Der Einsatz dieser "Staatstrojaner" soll der Polizei nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern bei Ermittlungen zu 38 beziehungsweise 27 Straftaten erlaubt sein.
Dem Gesetzentwurf zufolge ist die Quellen-TKÜ künftig bei "schweren Straftaten" erlaubt, bei denen auch Ermittlungsbehörden die Telekommunikation überwachen dürfen (Paragraf 100a Strafprozessordnung). Dazu zählen neben Mord und Totschlag auch Betrug und Computerbetrug. Die Online-Durchsuchung soll nur bei "besonders schweren Straftaten" erlaubt sein, bei denen eine akustische Wohnraumüberwachung (Großer Lauschangriff) möglich ist (Paragraf 100c Strafprozessordnung).
Grüne: "Finaler Angriff auf Bürgerrechte"
Vor der Abstimmung hatten mehrere Netzpolitiker der SPD, darunter Lars Klingbeil und Gerold Reichenbach, angekündigt, nicht für das Gesetz stimmen zu wollen. Doch bei der 80-Prozent-Mehrheit der großen Koalition reichte der Widerstand weniger Abgeordneter nicht aus, um das Gesetz zu stoppen.
Nach Ansicht der Grünen startet die Bundesregierung mit dem Gesetz kurz vor Ende der Legislaturperiode "ihren finalen Angriff auf die Bürgerrechte". Polizei und Sicherheitsbehörden würden damit "zu Chef-Hackern der Republik gemacht". Nur noch perfide sei, "dass die Bundesregierung den Staatstrojaner selbst als trojanisches Pferd in einem harmlosen Gesetz zum Fahrverbot als Nebenstrafe versteckt", teilten die Abgeordneten Konstantin von Notz und Hans-Christian Ströbele mit. In dem Gesetzentwurf ging es zunächst nur um eine Strafrechtsreform.
Kritik an Eilverfahren
Kritiker störten sich vor allem daran, dass die große Koalition den Gesetzentwurf erst Mitte Mai in ein bereits laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht hatte. Es sei "unverantwortlich, die entsprechenden Überwachungsbefugnisse in einem parlamentarischen Schnelldurchgang ohne Möglichkeit zur gründlichen Prüfung und Debatte zu beschließen", sagte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Die Koalitionsfraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Dieses Thema sei "intensiv beraten worden", heißt es in einer Stellungnahme der SPD. CDU und CSU sagten, die Vorhaben des Gesetzes seien "gründlich besprochen worden und auch Gegenstand öffentlicher Anhörungen gewesen".
Bitkom warnt vor Sinken des Sicherheitsniveaus
Zuvor hatte der IT-Branchenverband Bitkom ebenfalls das Gesetz kritisiert. Die Bemühungen der Wirtschaft um eine wirkungsvolle Ende-zu-Ende-Verschlüsselung "werden mit der Ausweitung des Einsatzes von Staatstrojanern konterkariert", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Zudem müssten Sicherheitslücken und Schwachstellen genutzt oder geschaffen werden, die auch von organisierten Cyberkriminellen genutzt werden könnten. Daher sei nicht unwahrscheinlich, dass das Sicherheitsniveau insgesamt sinke, "obwohl man das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis weiter aushöhlt".
Bei einer Expertenanhörung im Justizausschuss des Bundestags hatten Vertreter von Polizei und Justiz unter anderem davor gewarnt, dass die Telekommunikationsüberwachung wegen der Zunahme verschlüsselter Kommunikation als Beweismittel "vollständig auszufallen droht". "Die technische Entwicklung hat dazu geführt, dass der für die Polizeibehörden auswertbare Anteil an der Kommunikation nur noch marginal ist und weiter rasant abnimmt", hieß es in der Stellungnahme von Michael Greven, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof (BGH). So würden Verdächtige in abgehörten Telefongesprächen vereinbaren, "sensible Inhalte" über einen Messengerdienst auszutauschen, da dieser "von der Polizei ja nicht abgehört werden könne".
Keine Backdoors geplant
Union und SPD hatten eine Neuregelung zu den Staatstrojanern im Koalitionsvertrag vereinbart. "Die Vorschriften über die Quellen-Telekommunikationsüberwachung werden wir rechtsstaatlich präzisieren, um unter anderem das Bundeskriminalamt bei seiner Aufgabenerfüllung zu unterstützen", hieß es darin. Doch nun können Ermittler in sehr vielen Fällen die Endgeräte von Verdächtigen hacken. Allerdings verzichtet die Regierung weiterhin darauf, die Hersteller von Messengerdiensten zum Einbau von Hintertüren zu verpflichten.
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Ein wichtiger Text über einen wichtigen Beschluss. Bestimmt wird dieser Text noch...
Die Idee der Bundesregierung hat einen kleinen Haken. Wenn der Staatstrojaner mobile...
Also noch schnell mit anonymen SIM Karten und bargeld gekauften Handys und Smartphones...
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