Trends Spielebranche: "Diablo 4 war pünktlich!"

Auf den ersten Blick war alles wie immer. Fünf Tage hat sich die weltweite Spielebranche auf der Game Developers Conference (GDC) getroffen, die vom 18. bis 22. März 2024 in San Francisco stattfand.
Die drei Kongresshallen waren gefühlt genauso überfüllt wie in den Jahren vor der Coronapandemie. Vor spannenden Vorträge gab es lange Schlangen, bei Preisverleihungen und anderen Festlichkeiten war die Stimmung gut.
Dennoch waren auch die Massenentlassungen in der Branche Thema - wenn auch kein großes. Es gab ein paar offizielle Vorträge dazu, bei denen es um US-amerikanischen Details wie die rechtliche Absicherung, Abfindungen, Gewerkschaften, Betriebsräte und ähnliches ging.
Einige Entwickler organisierten in einem Park zwischen den Tagungshallen ein öffentliches Schreien als Protest gegen den Stellenabbau (auf der Plattform X gibt es ein kurzes Video davon(öffnet im neuen Fenster) ). Die Veranstalter der GDC haben außerdem für gerade Entlassene stark verbilligte Tickets ins Angebot genommen, es gab Jobbörsen und ähnliches.
Uns sind drei Trends auf der Tagung aufgefallen, von denen zwei mit den Entlassungen und den Problemen in der Branche zusammenhängen.
Trend 1: Neue Arbeits- und Studiostrukturen
In ungewöhnlich vielen Vorträgen, insbesondere von den Angestellten großer Studios, ging es nicht um Gameplay, frische Ideen fürs Design oder neue Grafikeffekte, sondern um die Arbeitsorganisation.
Das hat indirekt mit den Entlassungen zu tun, weil die Branche erkennbar bemüht ist, endlich das Problem der ständigen Terminverschiebungen, Überstunden und aus dem Ruder laufenden Kosten zu lösen.
Es gibt Erfolge: Golem.de berichtete über das CD Projekt Red und die Produktion der Erweiterungen Phantom Liberty . Das Team hat auf agile Arbeitsmethoden umgestellt.
Ein Fazit der Entwickler: "Die letzten 18 Monate von Phantom Liberty waren klasse" - einfach, weil nicht bis zum Umfallen gearbeitet wurde, sondern sinnvoll am Bugfixing und am Feinschliff gewerkelt werden konnte.

In einem anderen Vortrag berichtete Blizzard über die Fertigstellung von Diablo 4. Die Arbeitsabläufe seien mit massivem Einsatz von Planungswerkzeugen - insbesondere Jira - so effizient wie noch nie in dem Studio in den Griff bekommen worden. Außerdem werde mittlerweile anders kommuniziert. Ein mehrfach genannter Begriff war De-Silo, gemeint ist das Öffnen von kleinen, in sich geschlossenen Spezialistengruppen.
Das bedeutet durchaus auch mehr Flexibilität: Bei Blizzard stellte das Team irgendwann fest, dass es zu wenig Monsterfamilien und damit möglicherweise mangelnde Abwechslung geben könnte.
GDC 2024: Handhelds interessanter als KI
Doch dank Jira konnte man genau sagen, wie viel Aufwand für mehr Bestien nötig ist und welche Auswirkungen das insgesamt hat. Dann konnte man grünes Licht für mehr Gegnervielfalt geben.
Ungefähr ein Jahr vor Fertigstellung nannte das Team der Firmenleitungen einen Veröffentlichungszeitpunkt und hielt den ein: "Diablo 4 war pünktlich!" . Früher wäre das unmöglich gewesen, mit entsprechenden Auswirkungen auf allgemeine Kosten und Marketing.
Auch die Arbeitsbelastung und die allgemeine Zufriedenheit wird inzwischen systematischer als früher überprüft. Bei Blizzard müssen die Angestellten alle zwei Wochen anonym fünf Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Wenn Probleme sichtbar werden, hat das unmittelbare Folgen für die Abteilungsleitung.
Blizzard und CD Projekt Red nennen wir nur exemplarisch. Auch Studios wie Ubisoft und Insomniac Games berichteten von ähnlichen Neuausrichtungen bei der Arbeitsorganisation.
Trend 2: Generative KI
In der IT-Branche sind ChatGPT und andere KI das große Thema. Die Spielebranche tut sich nach wie vor schwer damit. Das war schon vor der GDC erkennbar: Viele Teilnehmer der von den Konferenzveranstaltern initiierten Brancheumfrage sagten, dass sie Probleme mit dem Einsatz von generativen KI-Systemen hätten.
Bei rund zwölf Prozent der Studios sei deren Einsatz untersagt, rund 57 Prozent der Kreativen nannten moralische Probleme. Auf der Tagung selbst gab es erstaunlich wenig Vorträge zu dem Thema, auch in Gesprächen war wenig Begeisterung zu spüren.
Grund sind offenbar rechtliche Sorgen und die Befürchtung, dass eigene kreative Arbeit über die Algorithmen überführt wird. Am deutlichsten hat das Chief Technology Officer (CTO) Kim Libreri von Epic Games im Interview mit Golem.de gesagt: "Momentan gibt es da draußen viele Daten für generative KI, die nicht so sauber oder ethisch einwandfrei sind, wie es sein sollte."
Ein paar spannende KI-Experimente gab es dennoch auf der GDC 2024. Insbesondere die von Ubisoft gemeinsam mit Nvidia und Inworld entwickelten Neo-NPCs - beeindruckend glaubwürdig sprechende, computergesteuerte Figuren. Nvidia zeigte uns noch ein eigenes, nicht unähnliches System. Wann solche Systeme in fertigen Produkten auftauchen, ist unklar.
Trend 3: Spielecomputer für die Hand
Ein weiteres wichtiges Thema waren Handheld-Spielemaschinen. Für Diskussionen sorgte nicht so sehr die Nintendo Switch oder deren möglicher Nachfolger, sondern das Steam Deck und ähnliche Geräte, auch auf Basis von Windows on ARM .
Auf einer Podiumsdiskussion nannten Insider Schätzungen, wonach die Switch eher früher als später 200 Millionen Exemplare absetzen wird, und dass Valve mit dem Steam Deck momentan fünf bis sechs Millionen Geräte verkauft hat.
Allerdings gilt der Markt als schwierig. Ein Sprecher von Qualcomm sieht drei weitgehend unterschiedliche Segmente: die klassischen Mobile Games auf Smartphone und Tablet mit einem Massenpublikum, das Steam Deck plus Varianten für klassische Gamer und die neuen Streaminggeräte wie Playstation Portal.

Wie der Markt mit diesen unterschiedlichen Geräten und den Zielgruppen umgehen sollte - man weiß es nicht. Der ehemalige hochrangige Sony-Manager Shawn Layden meinte, dass dringend mehr Vielfalt bei Spielen nötig sei, um ein neues Publikum zu erreichen.
Gleichzeitig gehe die Risikobereitschaft der größeren Publisher mittlerweile gegen Null.



