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The Sands of Time: Das Reboot von Prince of Persia ist selbst ein Klassiker!

Selten ist eine Neuauflage so gut wie der Klassiker, auf dem es basiert. Das auch schon 20 Jahre alte Prince of Persia von Ubisoft hat es geschafft.
/ Andreas Altenheimer
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Artwork von Prince of Persia - The Sands of Time Remake (Bild: Ubisoft)
Artwork von Prince of Persia - The Sands of Time Remake Bild: Ubisoft

Reifere Semester erinnern sich: In den 1980er Jahren sahen Computerspiele meist sehr simpel aus und mussten mit einer eher zweckmäßigen Grafik auskommen. Entsprechend kann man sie schwer mit heutigen Toptiteln wie Spider-Man 2 oder Baldur's Gate 3 und deren protziger Atmosphäre vergleichen.

Es gab Ausnahmen, etwa den Weltraumklassiker Elite (1984), der Spieler bereits vor vier Dekaden durch ein ganzes Universum voller Planeten schickte. Defender of the Crown hingegen versetzte uns 1986 mit seiner verboten schönen Grafik und seiner filmreifen Musik ins Mittelalter.

Und dann war da noch dieses kleine Kampfspiel namens Karateka (1984) von US-Spieldesigner Jordan Mechner, worin sich der Held von Bild zu Bild prügelte und am Ende eine Prinzessin rettete.

Das Spiel war vor allem für seine fortschrittlichen Animationen und wegweisenden Zwischensequenzen bekannt, die die Geschichte auf eine ungewohnt stimmige Weise erzählten.

Trotz des Erfolgs des Spiels benötigte Mechner stolze fünf Jahre, um sein nächstes Werk fertigzustellen: Prince of Persia (1989). Erneut brillierte das Spiel mit fantastischen Animationen, die so echt wirkten wie nichts zuvor.

Die Bewegungsabläufe des Protagonisten wurden als Meilenstein gefeiert, weil sie genau wie im Falle von Karateka dank der Rotoskopie-Technologie entstanden sind. Dazu filmte Mechner einen realen Menschen, der sämtliche Bewegungen vormachte, und kopierte die daraus entstandenen Bilder Pixel für Pixel.

Auch mich hat das alte Prince of Persia seinerzeit schwer beeindruckt! So sehr, dass ich es bis heute zu meinen zehn absoluten Lieblingsspielen zähle. Am meisten haben mich die zeitkritischen Herausforderungen gepackt, wenn ich beispielsweise in hoher Geschwindigkeit über einen Parcours flitzen, einen Abgrund nach dem anderen überspringen und mich im letzten Moment durch eine sich schließende Tür quetschen musste.

Die beiden Nachfolger konnten mich hingegen nicht überzeugen. Prince of Persia 2 (1993) war zwar schön bunt und abwechslungsreich, allerdings waren mir die Schwertkämpfe zu schwierig und zu dominant. Das 1999 erschienene Prince of Persia 3D enttäuschte aufgrund einer eckigen Polygon-Grafik und einer schwachen Steuerung, die den Prinzen sehr behäbig machte.

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Deshalb hatte ich bereits mit der Serie abgeschlossen und nicht gedacht, dass da noch etwas von Belang kommen würde - bis 2003 plötzlich Prince of Persia: The Sands of Time auf der Bildfläche auftauchte.

Ich gebe reumütig zu: Als Ubisoft das Spiel damals ankündigte, war ich sehr skeptisch. Ein weiteres Prince of Persia in 3D? Zwar mit Beteiligung von Jordan Mechner als kreativer Berater und Story-Autor, aber mit Ubisoft Montreal von einem Entwickler, der sich vorher nie mit Spielen dieser Art beschäftigt hatte? Das kann doch keinen Spaß machen!

Nun, letztlich mauserte sich das finale Produkt zu meinem persönlichen Favoriten des Jahres 2003. Umso gespannter bin ich, wie sich dieser Klassiker in der Wiederspielrunde schlägt.

Microsoft-Fans im Vorteil

Prince of Persia: The Sands of Time heute so zu spielen, wie man es damals gewohnt war, ist gar nicht so einfach. Mein erster Impuls ließ mich zur PC-Version greifen, die man problemlos auf digitalen Vertriebsplattformen wie Steam oder Uplay kaufen kann.

Allerdings zickt sie bei mir herum: Zum einen bin ich auf einen Vollbildmodus im 4:3-Format angewiesen, was auf meinem 55-Zoll-Flachbildfernseher schlichtweg nicht gut aussieht. Zum anderen wird mein Xbox-Pad nicht erkannt und ich müsste entweder auf die Tastatur ausweichen oder mir ein zusätzliches Programm installieren, mit dem ich die Knopfbelegung des Controllers manuell einstelle. All das ist mir zu umständlich.

Zum Glück kommt mir eine komplett andere Lösung in den Sinn. In meiner Sammlung befindet sich nämlich ein Exemplar von The Sands of Time für die alte Xbox, das wiederum mit der Xbox Series X kompatibel ist. Genauer gesagt wird automatisch eine optimierte Version heruntergeladen, sobald ich die Originaldisc in das Laufwerk schiebe.

Kampfschreie und Schwerterklirren!

Ähnlich wie bei einem anderen Xbox-Klassiker namens Panzer Dragoon Orta (2002) komme ich aus dem Staunen nicht heraus, wie unfassbar gut dieses alte Spiel auf Microsofts aktueller Hardware aussieht.

Deshalb gleich mein erster Tipp: Wer eine Xbox One oder eine Xbox Series X besitzt und Lust auf The Sands of Time hat, der besorge sich bitte per Ebay ein Gebrauchtexemplar für die Ur-Xbox. Es lohnt sich!

Eine Atmosphäre aus 1001 Nacht

Es dauert nicht lange, bis mich zahlreiche wohlige Erinnerungen einholen, die ich auf einen simplen Nenner zusammenfassen kann: The Sands of Time ist schlicht und ergreifend ein sehr angenehmes Spiel.

Das vorgerenderte Intro wirkt noch etwas holprig, dauert jedoch zum Glück nur ein paar Minuten. Danach geht es los und ich übernehme die Kontrolle über den Prinzen. Der stürmt mit seinem Vater und dessen Armee den Palast eines indischen Maharadscha, weshalb ich in einem heiß umkämpften Gebiet starte.

Um mich herum vernehme ich Kampfschreie und Schwerterklirren, während das vor mir liegende Eingangstor durch ein Katapultgeschoss vollkommen zerstört wurde. Weil durch den Schutt kein Durchkommen möglich ist, geleitet mich das Spiel automatisch auf die Wand zu meiner Rechten zu.

Sie ist ebenfalls bereits in Mitleidenschaft gezogen und glücklicherweise völlig zerklüftet. Die Trümmerteile bilden eine Treppe, über die ich steigen und Stück für Stück vorankommen kann.

Der Grund, warum ich den Einstieg so ausführlich beschreibe: The Sands of Time schaffte es wie kaum ein anderes Spiel aus der damaligen Zeit, innerhalb von Sekunden eine ebenso glaubwürdige wie atmosphärische Geschichte mit einem klassischen Videospieldesign zu verknüpfen.

Nahezu alle anderen Games, in denen man primär von Plattform zu Plattform hüpfen musste, Leitern emporklettern durfte oder irgendwie einen Weg zum Ausgang finden sollte, waren abstrakter. Siehe beispielsweise Super Mario Bros. (1985) oder - weniger einfallsreich - Legacy of Kain: Soul Reaver von 1999.

Natürlich ist es ein äußerst erfreulicher Zufall, dass die Anordnungen von Plattformen, Räumen und Fallen in The Sands of Time stets so aufgebaut sind, dass es nur einen Weg zum Ziel gibt. Aber die Illusion, mich durch einen riesigen Palast zu bewegen und dabei wie in den 1980ern einen vertrackten Hindernisparcours nach dem anderen zu bewältigen, ist nahezu perfekt.

Zugegebenermaßen schaffte das alte Prince of Persia eine ähnliche Balance aus Glaubwürdigkeit und forderndem Spieldesign. Allerdings beschränkte sich der Oldie auf zwei Dimensionen, so dass The Sands of Time im wahrsten Sinne des Wortes eine nicht zuvor gekannte räumliche Tiefe besitzt.

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Lehrstunde des klassischen Spieldesigns

Mein Ersteindruck nach all den Jahren ist jedenfalls überwältigend: Bereits in den ersten fünf Minuten hechte ich über weite Abgründe, laufe seitwärts an Wänden entlang und liefere mir mit den Soldaten des Maharadscha knackige Schwertkämpfe.

Prince of Persia - The Lost Crown (Trailer Gameplay)
Prince of Persia - The Lost Crown (Trailer Gameplay) (01:49)

Ich kraxele über dünne Vorsprünge, hüpfe von Säule zu Säule und finde nach gut einer Viertelstunde den sagenumwobenen Dolch der Zeit. Es folgen die ersten Wandsprünge und weitere Fallen, deren Bewegungsmuster mit ihrer fabelhaften Choreografie glänzen.

Wenige Augenblicke später überschlagen sich die Ereignisse: Der hinterhältige Wesir des Maharadscha überredet den Prinzen, den Dolch in eine große Sanduhr zu stecken. Daraufhin entweicht der darin schlummernde Sand und verwandelt nahezu alle Menschen in entstellte Monster. Verschont werden nur der Wesir, Prinzessin Farah - die Tochter des Maharadscha - und natürlich ich, der Prinz.

Reise ein paar Sekunden zurück

Sogleich darf ich mich mit dem einzigen Schwachpunkt des Spiels auseinandersetzen: den viel zu übertriebenen, weil in die Länge gezogenen Kämpfen gegen die besagten Monster.

Anfangs macht es noch Spaß, sich gegen drei bis vier dieser Kreaturen zur Wehr zu setzen, ihren Angriffen mit Saltos auszuweichen und ihnen nach und nach den Dolch in die Brust zu rammen.

Doch man merkt dem Spiel an, dass die Entwickler darüber hinaus kaum Ideen hatten, wie sie diese Kämpfe hätten schwieriger oder finessenreicher machen können. Also werfen sie dem Spieler einfach immer mehr Gegner vor die Füße.

Doch wie soll ich The Sands of Time ernsthaft böse sein, wenn es gleichzeitig eine wichtige und sehr clevere Spielmechanik einführt? Ich darf nämlich mit dem Dolch die Zeit zurückdrehen!

Natürlich eingeschränkt und nur für ein paar Sekunden. Aber die Hilfe ist groß genug, um all die präzisen Sprünge und bösen Fallen ohne Frust lernen sowie schlussendlich meistern zu können.

Das war nämlich eine Schwäche der Vorgänger, aufgrund derer man ganze Kapitel neu spielen musste, nur weil man kurz vor Levelausgang einen kleinen Fehler begangen hatte.

Unabhängig davon gibt es äußerst fair verteilte Rücksetzpunkte. Hier darf ich meinen Spielstand sichern und erlebe obendrein eine Vision. Sie zeigt mir schemenhaft und in Form von kurzen Ausschnitten den folgenden Weg, den ich bestreiten soll.

Erneut bin ich damals wie heute baff, mit welcher Natürlichkeit mir das Spiel Hilfestellungen gibt, ohne mich gleichzeitig zu sehr an die Hand zu nehmen. Würde dieses Feature fehlen, wäre die Gefahr groß, wie in den alten Tomb-Raider-Spielen den Weg vor lauter Plattformen nicht zu sehen.

Fazit: Gealtert wie ein guter Wein

Und so verläuft im Prinzip das gesamte Spiel: Ich arbeite mich von einem fantastisch designten Raum zum nächsten, löse einige simple, aber clever gestaltete Rätsel und stöhne nur bei den immer wiederkehrenden Kämpfen.

The Sands of Time war und ist ein meisterhaftes Spiel, das vor allem zeigt, wie wichtig ein gut ausgearbeitetes Gamedesign ist. Es funktioniert mit einer Handvoll Spielelemente, die mir innerhalb der ersten halben Stunde gezeigt werden und sofort in Fleisch und Blut übergehen.

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Es lässt sich immer wieder neue Konstruktionen, Fallen und Hindernisse einfallen, weshalb ich bis zum großen Finale, das auch noch einen überraschenden Story-Twist raushaut, gebannt vor dem Bildschirm verweile.

Prince of Persia - Trailer (The Sands of Time Remake)
Prince of Persia - Trailer (The Sands of Time Remake) (02:04)

Und damit ist Prince of Persia: The Sands of Time ein wunderbares Beispiel dafür, wieso mich der Trend von prozedural generierten Spielinhalten stört! Diese Liebe zum Detail kann keine KI der Welt erzeugen. Und wenn, dann nur, weil sie zuvor mit genügend Daten eines Menschen gefüttert wurde.

Hinzu kommt die fabelhafte Technik des Spiels: Dieser 20 Jahre alte Xbox-Titel sieht dank Xbox-Series-X-Power auch heute noch ernsthaft gut aus. Und zwar so gut, dass ich das von Ubisoft angekündigte und derzeit auf Eis gelegte Remake eigentlich gar nicht mehr brauche.

Mitarbeit: Benedikt Plass-Fleßenkämper

PS: Wer sich für den Klassiker Karateka interessiert, sollte sich die liebevolle Neuauflage The Making of Karateka(öffnet im neuen Fenster) gönnen, die seit einigen Monaten auf den üblichen digitalen Kanälen wie Steam, Gog.com, Playstation Store, Microsoft Store oder im Nintendo eShop erhältlich ist.


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